Artikel 8 Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens
Abs.1
Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat-
und Familienlebens, seiner Wohnung und seines
Briefverkehrs.
Abs.2
Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die
Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit
dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine
Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen
Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die
öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche
Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und
zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum
Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz
der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
vgl. auch Art. 6, 10 und 13 GG der BRD
vgl. auch Art. 7, 9 und 33 der Grundrechte-Charta
der EU (GRC)
Die grundlegenden Urteile des EGMR
zu diesem Grund- und Freiheitsrecht:
A-28 –
Klass;
A-31 –
Marckx;
A-45 –
Dudgeon;
A-82 –
Malone;
A-94 –
Abdulziz,
A-106 –
Rees;
A-112 –
Johnston;
A-116 –
Leander;
A-130 –
Olsson,
A-138 –
Berrehab;
A-142 –
Norris;
A-251-B –
Niemitz;
A-290 –
Keegan;
A-299-B –
Stjerna;
A-303 –
Lopez Ostra.
John
Locke: Dem Statt obliegt es, die Freiheit aller zu
sichern und zu schützen, es steht ihm nicht zu,
diese Individualrechte zu verletzen. Neben dem
Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum kommt dem
Schutz der persönlichen Lebensgestaltung besondere
Bedeutung zu.
Aktuelle
Bedeutung kommt diesem Recht im Zusammenhang mit den
neuen Überwachungsmethoden (Lauschangriff,
Rasterfahndung, Videoüberwachung, Gendatenbanken,
Speicherung und Verarbeitung von biometrischen Daten
etc.) zu.
Die
Spruchpraxis des EGMR zu diesem Grundrecht hat eine
beachtliche Dynamik entwickelt.
Die
Rechtsprechung nimmt an, dass die Mitgliedstaaten
iSd Artikels 8 nicht nur verpflichtet sind,
bestimmte Eingriffe zu unterlassen sondern dies auch
positive Handlungspflichten treffen, die gewähr
leisten, dass Verletzungen dieses Grundrechts
vermieden werden (zB die Erlassung von Gesetzen zur
Ermöglichung der Zusammenführung von Familien) –
Gewährleistungspflicht (EGMR vom 26.3.1985 in EuGRZ
1985, 297; vom 28.5.1985 im Fall Abdulaziz – EuGRZ
1985, 567; vom 27.11.1992 im Fall Olsson – ÖJZ 1993,
353; vom 23.9.1994 im Fall Hokkanen – ÖJZ 1995,
271).
Aus dieser
Gewährleistungspflicht der Staaten kann auch deren
Verpflichtung resultieren, gravierende
Umweltbelastungen zu vermeiden (EGMR vom 9.12.1994
im Fall Lopez Ostra – ÖJZ 1995, 347 sowie vom
19.2.1998 im Fall Guerra – ÖJZ 1999, 33).
Der Begriff „Privatleben“
ist besonders unscharf, dieser ist einer
erschöpfenden Definition nicht zugänglich (EGMR vom
25.3.1993 im Fall Costello-Roberts – ÖJZ 1993, 707).
Eine besondere
Ausgestaltung dieses Rechts ist jenes auf sexuelle
Selbstbestimmung (EGMR A-45 im Fall Dudgeon und
A-142 im Fall Norris).
Dazu gehört auch
der Identitäts- und Ehranspruch sowie die Achtung
des Namens.
Art. 8 EMRK
schützt auch das Recht der Minderheiten auf ihren
besonderen Lebensstil (zum Recht auf Nutzung einer
Minderheitensprache vgl. den sog. Belgischen
Sprachenfall A-6).
Der Begriff
„Familienleben“ wird von der Rechtsprechung weit
verstanden, er erfasst jedenfalls die Beziehung
zwischen Ehepartner untereinander und zu deren
Kindern (VfSlg. 15.836) – dies ohne Rücksicht auf
das tatsächliche Zusammenleben (EGMR vom 28.5.1985 m
Fall Abdulaziz – EuGRZ 1985, 567). Uneheliche und
verwandtschaftliche Beziehungen fallen dann unter
diesen Artikel, wen sie tatsächlich vorhanden sind
und eine gewisse Intensität aufweisen (gemeinsame
Haushalt bzw. Unterhaltsleistungen).
Aus diesem Recht
kann sich der Anspruch ableiten, in einem Staat
einzureisen (VfSlg. 13.490).
Dazu gehört das
elterliche Erziehungsrecht, das Sorgerecht über die
Kinder nach Auflösung der Ehe, der Familienname
sowie das Recht den Vornamen des Kindes zu bestimmen
(EGMR vom 24.10.1996 im Fall Guillot – ÖJZ 1997,
518; vom 22.2.1994 im Fall Burghartz – ÖJZ 1994, 559
sowie VfSlg. 13.661 und 12.103).
Dieses
Recht erfordert die Gleichstellung ehelicher und
unehelicher Kinder (EGMR vom 13.6.1979 im Fall
Marckx – EuGRZ 1979, 454 sowie vom 29.11.1991 im
Fall Vermeire – ÖJZ 1992, 516).
Die
Ausweisung eines Familienangehörigen kann einen
Eingriff in dieses Recht bedeuten (EGMR vom
18.2.1991 m Fall Moustaquim – ÖJZ 1991, 52 sowie vom
26.3.1992 im Fall Beldjoudi – ÖJZ 1992, 773).
Das Recht
eines anonym geborenen Kindes auf Kenntnis der
persönlichen Herkunft hat der EGMR aber nicht
anerkannt (Fall Odièvre).
Der
Begriff „Familienleben“ erfasst „partnerschaftliche
Beziehungen“ also eheliche als auch außereheliche.
Der Begriff
„Wohnung“
betrifft die Räumlichkeiten des privaten
Lebensbereichs, auch einen Zweitwohnsitz (EGRM vom
24.11.1986 im Fall Gillow), ebenso einen umzäunten
Garten; Räume, welche öffentlich zugänglich sind
(VfSlg. 12.056), Betriebsräume (VfSlg. 1.135) und
Büros (VfSlg. 11.650) fallen nicht darunter.
Der Begriff
„Briefverkehr“
umfasst nicht nur schriftliche Mitteilungen sondern
jede Art von Kommunikation, also auch Telefonate
(EGMR vom 6.9.1978 im Fall Klass – EuGRZ 1979, 278;
sowie vom 2.8.1994 im Fall Malone – EuGRZ 1985, 17).
Der Eingriff in diese Rechte nach Abs.1 ist iSd
Abs.2 an drei Anforderungen geknüpft:
·
der
Eingriff muss gesetzlich vorgesehen sein
·
ein
legitimes (anerkanntes) Ziel verfolgen
·
in einer
demokratischen Gesellschaft notwendig sein
(EGMR vom
25.3.1983 im Fall Silver – EuGRZ 1984, 147; vom
25.2.1988 im Fall Olsson – EuGRZ 1988, 591). Das
Verfahren, welches einen Eingriff bedeutet, muss
fair sein und die von Art. 8 EMRK geschützten
Interessen entsprechend beachten (EGMR vom 24.2.1995
im Fall McMichael – ÖJZ 1995, 704).
In einer
demokratischen Gesellschaft notwendig ist Eingriff,
wenn danach ein zwingendes soziales Bedürfnis
besteht und dieser verhältnismäßig ist (EGMR vom
7.12.1976 im Fall Handyside – EuGRZ 1977, 41; vom
25.2.1992 im Fall Margareta und Roger Andersson –
ÖJZ 1992, 552).
E M R K |
Art. 8 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |
Die jüngste
Judikatur des EGMR zu Art. 8 EMRK:
Aycaguer -
Frankreich; Urteil vom 22.6.2017, BeschwNr.
8.806/12
Verweigerung einer
DNA-Probe nach Art. 706 StPO - Bestrafung.
Verletzung des Art.8 EMRK - unverhältnismäßiger
Eingriff in das Privatleben, welcher in einer
demokratischen
Gesellschaft nicht notwendig ist. Dauer der
Datenspeicherung. Nicht nur dem Verdächtigen sondern
auch dem Verurteilten muss die Möglichkeit
offen stehen, ein
Löschungsantrag zu stellen. Kein gerechter Ausgleich
zwischen den öffentlichen und privaten
Interessen. Der staatliche Ermessensspielraum wurde
überschritten.
Külekci gegen
Österreich; Urteil vom 1.6.2017, BeschwNr.
30.441/09
Keine Verletzung
des Art.8 EMRK durch Verhängung eines 5jährigen
Aufenthaltsverbots gegen einen noch minderjährigen
Türken wegen mehrfacher schwerer Straftaten.
Daran ändert auch
nichts, dass er fast sein gesamtes Leben in
Österreich verbracht hat und auch seine Familie hier
lebt (vgl. Urteil der Großen Kammer vom 23.6.2008 im
Fall
Maslov -
Österreich).
Kurt Erdinc -
Türkei; Urteil vom 6.6.2017, BeschwNr. 50.772/11
Nach dieser
Konventionsbestimmung ist es die Pflicht der
Mitgliedstaaten, ein funktionierendes Justizsystem
einzurichten, welches Verletzungen der
persönlichen
Integrität entsprechend untersucht. Eine Abweisung
der Schadenersatzklage des bei einer Operation
Geschädigten darf sich nicht auf ein Gutachten
stützen,
welches nicht auf
die Frage der Einhaltung der medizinischen Standards
eingeht. Verletzung des Art.8 EMRK.
Frerot gegen Frankreich; Urteil vom
12.6.2007;
BeschwNr. 70.204/01
Verletzung des Art. 8 EMRK
wegen Unterbindung jeglichen Briefkontakts zwischen
Häftlingen.
Da sich
er Beschwerdeführer dagegen nicht zur Wehr setzen
konnte, liegt auch eine Verletzung des Art. 13 EMRK
vor.
€
12.000,-- an immateriellem Schaden (auch wegen
Verletzung des Art. 3 EMRK wegen erniedrigender
Behandlung – Leibesvisitation eines Häftlings).
Carson gegen das Vereingite
Königreich; Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr.
42.184/05
Benachteiligung von Pensionisten,
welche im Ausland leben. Die Frage der Verletzung
des Art. 8 (iVm Art. 14) EMRK wird nicht mehr
geprüft, das festgestellt wurde, dass kein
unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht nach
Art. 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt.
Nur auf bestehendes Eigentum
anwendbar, kein Recht auf Eigentumserwerb, daher
nach Art. 1 des 1. ZP zur EMRK kein Rechtsanspruch
auf Sozialhilfe oder Pensionszahlung, wenn das
innerstaatliche Recht einen solchen Anspruch nicht
vorsieht.
(zitierte Entscheidungen: J.W.
und E.W. vom 3.10.1983, Stec vom 6.7.2005, Burden
vom 29.4.2008 (GK)).
Kaya gegen die BRD; Urteil vom 28.6.2007;
BeschwNr. 31.753/02
Ausweisung eines straffälligen Migranten der zweiten
Generation
Keine
Verletzung des Art. 8 EMRK, weil die Ausweisung
wegen der Schwere der Straftaten (Freiheitsstrafen
von drei Jahren und vier Monaten wegen versuchten
schweren Menschenhandels in zwei Fällen, mehrfacher
schwerer Körperverletzung, Zuhälterei, Lenkens eines
Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten
Zustand) gegen den damals 20jährigen
Beschwerdeführer.Auch
wenn das Aufenthaltsverbot unbefristet war, sieht
das deutsche Recht die Möglichkeit der
Antragstellung vor, dieses zu befristen, er kann in
der Zwischenzeit auch wieder nach Deutschland
einreisen (vgl. Fall Radovanovic gegen Österreich
vom 22.4.2004 u.a.).
Ciorap gegen Moldawien; Urteil vom 19.6.2007;
BeschwNr. 12.066/02
Zensur
der Korrespondenz eines Strafgefangenen.
Verletzung des Art.8 EMRK.
Konstantinov gegen die Niederlande;
Urteil vom
26.4.2007
BeschwNr.
16.351/03 – keine Verletzung des Art. 8 EMRK
Ausweisung wegen Straftaten und Abweisung des
Antrags auf Familienzusammenführung wegen zu
geringen Einkommens des Ehegatten der
Beschwerdeführerin.
Patera
gegen Tschechien; Urteil vom 26.4.2007
BeschwNr.
25.326/03 – Verletzung des Art. 8 (und Art. 6 Abs.1)
EMRK
Sorgerechtsverfahren – Dauer: über 15 Jahre und
mangelnde Durchsetzung einer einstweiligen
Verfügung, mit welcher dem Beschwerdeführer das
Besuchsrecht zugestanden wurde.
Berecova
gegen die Slowakei; Urteil vom 24.4.2007
BeschwNr. 74.400/01 – Verletzung des Art. 8 EMRK
Die
Obsorge über die Kinder der Beschwerdeführerin wurde
zu Unrecht der Jugendwohlfahrt übertragen.
Copland
gegen UK; Urteil vom 3.4.2007
BeschwNr.
62.617/00 – Verletzung des Art. 8 EMRK.
Überwachung der Internet- und e-mail-Nutzung am
Arbeitsplatz.
Tysiac
gegen Polen; Urteil vom 20.3.2007; BeschwNr.
5.410/03
Augenärzte sowie ein Arzt für Allgemeinmedizin haben
der Beschwerdeführerin bestätigt, dass ihre
Schwangerschaft eine Gefahr für ihr Augenlicht und
für die Gebärmutter darstellt, weswegen sie sich an
ein staatliches Krankenhaus wandte, um einen legalen
Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, was
ihr verweigert wurde. Sie hat das (dritte) Kind auf
die Welt gebracht; deutliche Verschlechterung der
Sehkraft mit drohender Erblindung. Sowohl das von
ihr initiierte Straf- als auch Disziplinarverfahren
gegen den Leiter der gynäkologischen Abteilung
dieses Krankenhauses wurde eingestellt.
Keine
Verletzung des Art. 3 EMRK, der Fall ist unter Art.
8 EMRK zu prüfen.
Verletzung des Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen):
Dieser
Artikel ist anwendbar, weil das Privatleben auch die
physische und psychische Integrität umfasst und eine
positive Verpflichtung des Staates besteht, das
Recht seiner Bürger auf Achtung der Integrität zu
schützen. Es ist hier angebracht, die Frage dieser
Rechtsverletzung nicht unter dem Blickwinkel des
Eingriffs in die Rechte nach Art. 8 EMRK zu prüfen
sondern unter dem Gesichtspunkt der positiven
Verpflichtung des Staates. Weder der mögliche
Schadenersatz noch ein Straf- und
Disziplinarverfahren gegen den verantwortlichen Arzt
haben den Eintritt der Gesundheitsschädigung der
Beschwerdeführerin verhindern können, retrospektive
Maßnahmen sind kein ausreichender Schutz der
Integrität. Daher Zurückweisung der Einrede der
Regierung.
Keine
gesonderte Prüfung des Fall nach Art. 13 EMRK.
Eine
gesonderte Prüfung des Falles nach Art. 14 EMRK ist
aufgrund der Feststellung der Verletzung des Art. 8
EMRK nicht mehr notwendig.
Zuspruch
nach Art. 41 EMRK: € 25.000,-- an immateriellem
Schaden und € 14.000,-- für Kosten und Auslagen
unter Abzug der bereits gewährten Verfahrenshilfe.
Maslov
gegen Österreich; Urteil vom 22.3.2007; BeschwNr.
1.638/03
Verletzung des Art. 8 EMRK (4:3 Stimmen) durch
Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen
Migranten der zweiten Generation.
Der
Beschwerdeführer kam im Alter von 6 Jahren nach
Österreich, lebte hier mit seinen Eltern 12 Jahre
und erhielt dort seine gesamte Schulausbildung. Er
hat schwere Straftaten im Alter von 14 und 15 Jahren
begangen, also in einer schwierigen Phase der
Pubertät (Freiheitsstrafe: zwei Jahre und neun
Monate unbedingt). Seit der Haftentlassung nicht
mehr straffällig geworden (über einen Zeitraum von
eineinhalb Jahren; alle engen Familienangehörigen
leben in Österreich, er ist hier integriert. Ein
zehnjähriges Aufenthaltsverbot ist daher
unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel.
Evans
– UK;
Urteil der Großen Kammer vom 10.4.2007;
BeschwNr. 6.339/05
Die
Beschwerdeführerin behauptet, dass der Anhang 3 zum
Human Fertilisation ans Embryology Act 1990, der es
dem Samenspender erlaubt, seine Zustimmung nach der
Befruchtung ihrer Eizelle mit seinen Spermien zu
widerrufen, ihr Recht nach Art. 8 EMRK verletzt. Der
vorliegende Fall wirft ohne Zweifel heikle ethische
und moralische Fragen auf. Da auch zwischen den
Mitgliedstaaten zu diesem Thema keine Einigkeit
herrscht, muss dem belangten Staat ein weiter
Ermessensspielraum zugestanden werden. Da auch die
innerstaatlichen Regelung eindeutig sind, gelangt
der GH zur Ansicht, dass diese einen fairen
Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen
getroffen haben, weswegen keine Verletzung des Art.
8 EMRK vorliegt (13:4 Stimmen). Keine
Erforderlichkeit, den Fall auch zur Frage der
Verletzung des Art. 8 iVm Art. 14 EMRK zu prüfen.
Mousbach Remmo und Uzunkaya gegen Deutschland;
Zulässigkeitsentscheidung vom 20.3.2007 – BeschwNr.
5.496/04
Verdacht
des Kindesmissbrauchs – Entziehung der Obsorge.
Unzulässigkeit der Beschwerde.
V.A.M. gegen Serbien; Urteil vom 13.3.2007;
BeschwNr. 39.177/05
Sorgerecht für Tochter der HIV-positiven
Beschwerdeführerin – Säumigkeit der Behörden im
Verfahren und bei der Durchsetzung des vorläufigen
Besuchsrechts der Beschwerdeführerin.
Heglas gegen Tschechien; Urteil vom 1.3.2007;
BeschwNr. 5.935/02
Telefonüberwachung des eines Raubes verdächtigen
Beschwerdeführers und Aufzeichnung eines Gesprächs
zwischen ihm und einem anderen Verdächtigen.
Verletzung des Art. 8 EMRK.
Kleinert
gegen Deutschland; Zulässigkeitsentscheidung vom
20.2.2007
Der
Beschwerdeführer wollte als Vater das Sorgerecht zur
Verhinderung der Auswanderung der Kindesmutter mit
dem Kind.
Unzulässigkeit der Beschwerde.
Eski gegen Österreich; Urteil vom 25.1.2007;
BeschwNr. 21.949/03
Adoption
eines Kindes gegen die Willen des Vaters.
Keine
Verletzung des Art. 8 EMRK (5:2 Stimmen), weil im
vorliegenden Fall die Adoption nur mehr der letzte
Schritt zur Verwirklichung eines bereits bestehenden
Familienbandes war und zwischen dem Beschwerdeführer
und seiner Tochter schon seit Jahre kein enges
Verhältnis mehr bestand, er ha sich auch nicht an
deren Erziehung beteiligt. Er hatte auch
Gelegenheit, sich am Verfahren entsprechend zu
beteiligen.
Nastase-Silivestru gegen
Rumänien; Urteil vom 4.10.2007; BeschwNr.
74.785/01
Zurückhaltung der Briefe des
Untersuchungshäftlings an seine Familie - Verletzung
des Art. 8 EMRK.
E M R K |
Art. 8 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |
Kaplan gegen Österreich; Urteil vom 18.1.2007;
BeschwNr. 45.983/99
Verfahren
betreffend Kindesobsorge – Untätigkeit des Gerichts
Die
Beschwerdeführer behauptet u.a. die Verletzung
dieses Rechts, weil die Untätigkeit des Gerichtes es
ihrem Ex-Mann ermöglicht hat, das gemeinsame Kind in
die Türkei zu verbringen.
Die
Gerichte haben hier ihren prozessualen
Verpflichtungen nicht entsprochen – Verletzung.
Zuspruch von € 8.000,-- an immateriellem Schaden
sowie € 4.600,-- für Kosten und Auslagen.
Johansson
gegen Finnland; Urteil vom 6.9.2007; BeschwNr.
10.163/02
Namenswahlrecht geht vor nationalen Traditionen -
Verletzung des Art. 8 EMRK; "Axl" statt "Axel"
Das Recht
der Eltern, den Vornamen ihrer Kinder zu wählen,
gehört zur Privatsphäre - Art. 8 ist anwendbar.
Das öffentliche
Interesse überwiegt hier keinesfalls. € 2.000,-- für
immateriellen Schaden, € 1.970,-- für Kosten und
Auslagen.
Wieser und Bicos Beteiligungen
GmbH gegen Österreich; Urteil vom 16.10.2007,
BeschwNr. 74.336/01
Durchsuchung und Beschlagnahme
elektronischer Daten einer Anwaltskanzlei -
Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig betreffend
den Erstbeschwerdeführer, 4:3 Stimmen betreffend die
Zweitbeschwerdeführerin). Anwaltliche
Verschwiegenheitspflicht.
L. gegen Litauen;
Urteil vom 11.9.2007; BeschwNr. 27.527/03
Transsexualität -
Geschlechtsumwandlung; keine gesetzlichen Regelungen
- Verletzung des Art. 8 EMRK.
Sultani gegen Frankreich;
Urteil vom 20.9.2007; BeschwNr. 45.223/05
Abschiebung nach Afghanistan. Der
Beschwerdeführer hat nicht ausreichend dargelegt,
dass er im Fall seiner Abschiebung einer
erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung
unterzogen werden würden - keine Verletzung des Art.
3 EMRK.
Carlson gegen die Schweiz;
Urteil vom 6.11.2008; BeschwNr. 49.492/06
Verletzung des Art. 8 EMRK in
einem Verfahren betreffend Rückgabe eines des
gemeinsamen Sohnes nach dem Haager Übereinkommen
über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler
Kindesentführung.
Entgegen Art. 13 dieses
Übereinkommens wurde dem Beschwerde führenden
Kindesvater der Beweis auferlegt, dass er der
Verbringung des Sohnes nicht zugestimmt hat.
Verletzung der Waffengleichheit; dies wurde auch
nicht durch die richtige Anwendung dieses
Übereinkommens durch das Berufungsgericht saniert,
weil die Vorgangsweise des Bezirksgerichts den
Beschwerdeführer in eine benachteiligende Situation
gebracht hat, was sich maßgeblich auf die
gerichtliche Entscheidung ausgewirkt hat.
Zurückweisung der Beschwerde zu
Art. 14 EMRK und Art. 5 des 7. ZP zur EMRK, weil
dazu der innerstaatliche Instanzenzug nicht
ausgeschöpft wurde (Vorbringen erst in einem Antrag
auf Urteilsberichtigung) - Art. 35 Abs.3+4 EMRK.
Armonas + Biriuk gegen Litauen;
Urteil vom 25.11.2008, BeschwNr. 23.373/03
Verletzung des Art. 8 EMRK (6:1
Stimmen), weil es der Staat verabsäumt hat, das
Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des
Privatlebens zu schützen. Verbreitung unwahrer und
diffamierender, herabwürdigender Behauptungen über
die Beschwerdeführer, Zuspruch von € 2.900,-- durch
die innerstaatlichen Gerichte an Schadenersatz für
die Verletzung der Privatsphäre.
Entgegen der Rechtsansicht der
litauischen Regierung ist die Beschwerde der Witwe
des verstorbenen Erstbeschwerdeführers zulässig,
weil nicht nur dessen guter Ruf auf dem Spiel steht
sondern jener der gesamten Familie.
Die Frage des Weiterbestehens der
Opfereigenschaft iSd Art. 34 EMRK infolge
Anerkennung der Rechtsverletzung samt
Schadenersatzzuspruch durch die innerstaatlichen
Gericht muss mit der Entscheidung in der Sache
selbst verbunden werden.
Die damals im Gesetz vorgesehen
gewesene Obergrenze des Schadenersatzes von rund €
2.900,-- war mit den positiven Pflichten des Staates
aus Art. 8 EMRK nicht vereinbar (und wurde
mittlerweile auch aufgehoben). Dies Recht darf nicht
in seinem Wesensgehalt ausgehöhlt werden. Zuspruch
von immateriellen Schaden nach Art. 41 EMRK.
K.U. gegen Finnland;
Urteil vom 2.12.2008, BeschwNr. 2.872/02
Verletzung des Art. 8 EMRK
infolge mangelndem Schutz vor diffamierenden
Kontaktanzeigen im Internet.
Eine unbekannte Person hat im
Internet eine Annonce geschaltet, in welcher der
damals 12jährige Beschwerdeführer intime Beziehungen
zu einem gleichaltrigen oder älteren Knaben suchen
soll. Aufgrund einer Kontaktaufnahme wurde die
Polizei und das Gericht eingeschaltet, um den Täter
zu identifizieren; das Gericht hat es ab abgelehnt,
den Provider zur Bekanntgabe, der IP-Adresse dieser
Person zu verpflichten, weil das Delikt der üblen
Nachrede dies nicht erlaube.
Positive Verpflichtung des
Staates.
Ein praktischer und wirksamer
Schutz erfordert wirksame Schritte zur
Identifizierung und Strafverfolgung des Täters,
dieser wurde im vorliegenden Fall aufgrund der
damaligen Gesetze nicht gewährt. Es ist Aufgabe des
Gesetzgebers, Rahmenbedingung für die Schlichtung
solcher Ansprüche zu schaffen.
Bei diesem Ergebnis muss Art. 13
EMRK nicht mehr geprüft werden.
Saviny - Ukraine; Urteil
vom 18.12.2008; BeschwNr. 39.948/06
Übertragung des Sorgerechts an
die Behörden mit der Begründung, die blinden Eltern
seien nicht in der Lage, für sie zu sorgen.
Verletzung des Art. 8 EMRK.
Gulijev - Litauen; Urteil
vom 16.12.2008; BeschwNr. 10.425/03
Geheimer Berichts des
Staatssicherheitsdienstes, wonach der Bf eine Gefahr
für die nationale Sicherheit darstelle - Ausweisung.
Verletzung des Art. 8 EMRK.
Jucius + Juciuviene - Litauen;
Urteil vom 25.11.2008; BeschwNr. 14.414/03
Übertragung der Obsorge der
Nichten des Bf an die Großeltern nach dem Tod ihrer
Eltern aufgrund eines mangelhaften Verfahrens (keine
entsprechende Anhörung der Kinder sowie des Bf).
Verletzung des Art. 8 EMRK.
Canli - Türkei; Urteil vom
18.11.2008; BeschwNr. 22.427/04
Veröffentlichung polizeilicher
Akten betreffend die angebliche Mitgliedschaft des
Bf zu einer kriminellen Vereinigung, obwohl er
dessen nicht verurteilt worden ist. Verletzung des
Art. 8 EMRK.
S. + Marper - Vereinigtes Königreich;
Urteil der Großen Kammer vom 4.12.2008; BeschwNrn.30.562/02 und 30.566/02
Art. 8 und 14 EMRK - Speicherung von DNA-Spuren auch
noch nach rechtskräftigem Freispruch.
Fingerabdrücke und DNA-Analyse in der
Untersuchungshaft. Nach Freispruch Abweisung des Antrag auf Vernichtung
dieser Beweise.
16.1.2007: Zulässigkeitsentscheidung der zuständigen
Kammer des EGMR - Beschwerde zulässig
10.7.2007: Überweisung der Beschwerde durch die
Kammer an die Große Kammer zur Entscheidung
27.2.2008: mündliche Verhandlung vor der Großen
Kammer
Legitimes Ziel (Aufklärung und Verhütung von
Straftaten), aber in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.
Kein gerechter Ausgleich zwischen den öffentlichen
und privaten Interessen, der Staat hat hier seinen Ermessensspielraum
überschritten.
Urteil vom 4.12.2008: Verletzung des Art. 8 EMRK, es
ist nicht nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 14 EMRK zu
prüfen.
Neulinger + Shuruk gegen die Schweiz; Urteil vom 8.1.2009;
BeschwNr. 41.615/07
Stattgabe der Klage des Kindesvaters durch
das schweizerische Bundesgericht auf
Anordnung
der Rückkehr des gemeinsamen Sohnes von der
Schweiz nach Israel, den die vom Kindesvater
geschiedene Mutter nach der Scheidung aus
Israel in die Schweiz gebracht hat.
Es kann den Beschwerdeführern zugemutet
werden, sich wieder in Israel
niederzulassen
Keine Verletzung des Art. 8 EMRK (4:3
Stimmen - Sondervoten der Richter Steiner,
Spielmann und Kovler)
Zu den in der Beschwerde relevierten
Verletzung der Art. 3, 6 und 9 EMRK:
dazu wurde der innerstaatliche Instanzenzug
nicht ausgeschöpft unzulässig nach Art. 35
Abs.1+4 EMRK
Zu Art. 6 wird auf den engen Zusammenhang
zur festgestellten Verletzung des Art. 8
EMRK hingewiesen - keine gesonderte Prüfung.
Schlumpf gegen die Schweiz; Urteil vom
8.1.2009; BeschwNr. 29.002/06
Ablehnung der Kosten der
Geschlechtsumwandlung durch die
Sozialversicherung
Zweifache Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
(einstimmig): fairness und mündliche
Verhandlung
Die Frage der Notwendigkeit einer
Geschlechtsumwandlung ist einer Beurteilung
des Gerichts
nicht zugänglich (Van Kück - BRD).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung wäre erforderlich gewesen
(keine rein rechtlichen oder technischen
Fragen).
Verletzung des Art 8 EMRK (5:2 Stimmen):
kein gerechter Ausgleich zwischen den
Interessen
der Versicherung und des Beschwerdeführers keine gesonderte Prüfung des Art. 14 EMRK;
Zuspruch einer gerechten Entschädigung für immateriellen Schaden sowie für Kosten
und Auslagen.
S.H. u.a. - Österreich; Urteil
vom 1.4.2010; BeschwNr. 57.813/00
Verbot der in-vitro-fertilisation
§ 3 Abs.2 Fortpflanzungsmedizingesetz
Der VfGH hatte in seinem Erk vom
14.10.1999, G 91+116/98 (VfSlg. 15.632) einen darauf
gerichteten Individualantrag abgewiesen.
Verletzung des Art. 14 (iVm Art. 8)
EMRK; Diskriminierung, Achtung des Rechts auf
Familienleben
E M R K |
Art. 8 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |