Artikel 7 EMRK: keine Strafe ohne Gesetz
Abs.1: Niemand kann
wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt
werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach
inländischem oder internationalem Recht nicht
strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als
die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren
Handlung angedrohte Strafe verhängt werden.
Abs.2: Durch diesen
Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer
Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer
Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat,
welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den von den
zivilisierten Völkern allgemein anerkannten
Rechtsgrundsätzen strafbar war.
In Österreich: in der Fassung BGBl. III Nr. 30/1998
vgl. auch Art. 49 der EU-GC und Art. 103 Abs.2 GG
der BRD
(am Schluss dieses Artikels abgedruckt)
entspricht in etwa dem Art. 11 Nr.2 AEMR und dem
Art. 15 IPbpR
Daraus ergibt sich das Verbot rückwirkender
Strafgesetze und das Analogieverbot
Grundsatz „nulla poena sine lege“ (vgl. u.a. § 1
StGB und § 1 Abs.1 VStG) – das Prinzip der
Gesetzmäßigkeit strafrechtlicher Verurteilungen und
das Rückwirkungsverbot.
Der VfGH leitet daraus das so genannte
Klarheitsgebot ab (vgl. VfSlg. 11.776, 13.012,
13.233 und 14.606).
Damit wird das sich bereits aus Art. 18 Abs.1 B-VG
ergebende Gebot ausreichender Bestimmtheit
gesetzlicher Regelungen für das Strafrecht auch auf
Art. 7 Abs.1 EMRK gestützt.
Nur ein hinreichend klar und bestimmt formuliertes
Gesetz darf einen Straftatbestand bilden und eine
Strafe androhen.
Richterliche Auslegung ist erlaubt, findet ihre
Grenze aber im Wesen des Straftatbestandes und muss
ausreichend vorhersehbar sein (EGMR vom 22.11.1995,
A-335 im Fall S.W.).
Dabei kommt es auf das Rechtsgebiet und auf die Zahl
und den Status der Normadressaten an. Auch
Richtlinien des EU-Rechts müssen ausreichend
bestimmt umgesetzt werden (EGMR vom 15.11.1996 im
Fall Cantoni gegen Frankreich - §§ 32ff.).
Der Begriff der Strafe deckt sich mit jenem in Art.
6 EMRK.
Er umfasst das Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht (Ordnungswidrigkeitenrecht),
aber auch das Disziplinarstrafrecht (VfSlg. 11.776
und 13.012), nicht etwa aber administrative
(präventive) Maßnahmen wie die Entziehung einer
Gewerbe- oder anderen Berechtigungen wie ein
kurzfristiger, vorübergehender Führerscheinentzug
oder eine Ausweisung, ein Aufenthaltsverbot,
Eintragung in das Strafregister etc., ebenso wenig
Freisprüche, verfahrensleitende Beschlüsse oder
Entscheidungen im Strafvollzug.
(vgl. EGMR vom 1.7.1961, A-3, im Fall Lawless (Nr.3)
gegen Irland – keine Verletzung; präventive
Inhaftierung eines IRA-Mitglieds in einem
Militärlager ohne Gerichtsverfahren).
Schwierig sind die Nebenfolgen einer Straftat
einzureihen (Strafe oder Maßnahme).
Die Einziehung von Vermögen als Folge eines
Suchtgiftdelikts wird als Strafe angesehen (EGMR vom
9.2.1995, A-307, im Fall Welch gegen UK – Verletzung
des Art. 7 EMRK).
Die rückwirkende Anwendung eines Strafgesetzes zu
Gunsten des Beschuldigten ist zulässig (EGMR vom
27.9.1995, ÖJZ 1996, 150 sowie VfSlg. 14.324).
Besondere Bedeutung hatte Art. 7 EMRK in den
Strafverfahren gegen Funktionäre, Befehlshaber und
Grenzsoldaten der ehemaligen DDR. Der EGMR geht
davon aus, dass die damalige Grenzsicherungspolitik
gegen höchstrangige Werte, Menschenrechte
(offenbarer Widerspruch zu den Menschenrechten)
verstieß, weswegen sich die dafür Verantwortlichen
nicht mit Erfolg auf diese Bestimmung stützen können
(EGMR vom 22.3.2001 in den Fällen Streletz, Kessler
und Krenz).
E M R K |
Art. 7 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |
Der Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“
geht auf Locke (1690: two treatises of Government)
und Montesquieu (1748: vom Geist der Gesetze)
zurück, dass Gesetze als Ausdruck der Vernunft
Freiheit schaffen und die Sicherheit, sie gebrauchen
zu können.
Beschränkungen der Freiheit der Bürger dürfen nicht
weiter gehen als dies in den Gesetzen vorgesehen
ist, Unrechtsfolgen müssen vorhersehbar sein (Beccaria
1766: Über Verbrechen und Strafen).
Der Ausdruck „nulla poena sine lege“ als Schranke
stattlicher Willkür stammt von Anselm Feuerbach
(1801: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen
peinlichen Rechts).
1776 kam dieser Grundsatz als Rückwirkungsverbot
erstmals in eine Verfassung (Maryland) und so 1787
in amerikanische Bundesverfassung – ex post
facto-law.
1789: Art.8 declaration des droits de l´homme et du
citoyen.
1791 erstmals in der französischen Verfassung.
Zum „Recht“ iSd Art. 7 EMRK gehört nicht nur das von
einem Parlament geschaffene Gesetz sondern auch der
richterrechtlich entwickelte Straftatbestand des
common law (EGMR vom 22.11.1995 im Fall S.W. gegen
das Vereinigte Königreich, A-335-B, §§ 34ff. sowie
C.R. gegen das Vereinigte Königreich, A-335-C, §§
32ff.).
Art. 103 Abs.2 GG stellt sicher, dass der
parlamentarische Gesetzgeber als Vertreter des
Volkes, nicht jedoch die Rechtsprechung oder gar die
Exekutive über die Strafbarkeit entscheidet (BVerfGE
47, 109 u.a.).
Völkerrecht reicht als Grundlage der Strafbarkeit
aus (ratifizierte Konventionen;
Völkergewohnheitsrecht ohne Rücksicht auf
Inkorporation ins innerstaatliche Recht).
Art. 7 Abs.2 EMRK lässt es genügen, dass die Tat zum
Begehungszeitpunkt nach allgemeinen
Rechtsgrundsätzen strafbar war; diese Formel ist
wörtlich dem Art. 38 Abs.1 lit.c IGH-Statut
entnommen.
Darunter sind Rechtsgrundsätze zu verstehen, die
sich im Wege der Rechtsvergleichung in allen
Rechtskreisen auffinden lassen.
Art. 7 EMRK ist ein Recht des Einzelnen gegen den
Staat (Gesetzgebung und Rechtsprechung).
Privatrechtliche Sanktionen (etwa Vertragsstrafen
oder Maßnahmen von Vereinen und Verbänden) sind nur
erfasst, wenn sie dem Staat zuzurechnen sind (siehe
die Rechtsprechung zu Art. 103 GG).
Der Vorbehalt der BRD zu Art. 7 EMRK stellt klar,
dass völkerrechtliche Verträge und
Völkergewohnheitsrecht allein keine Strafbarkeit
begründen können.
Art. 7 EMRK verlangt die gesetzliche Bestimmtheit
der Straftatbestände und der hiefür vorgesehenen,
angedrohten Strafen (nulla poena sine lege certa).
Die gesetzlichen Vorschriften müssen erkennen
lassen, welche konkreten Handlungen strafbar sind
(EGMR Yearbook 17 (1974), 228, 290; EGMR vom
26.4.1979, A-30, im Fall Sunday Times (Nr.1) gegen
UK sowie vom 24.3.1988, A-130, im Fall Olsson (Nr.
1) gegen Schweden sowie vom 13.7.1995, A-316, im
Fall Miloslavsky gegen UK; EuGH Slg. 1990, § 9 im
Fall Vandemoortele NV gegen die Kommission
betreffend Bestimmtheit eines Kautionsverfalls).
Das Gesetz muss zugänglich sein und dem Adressaten
eine klare Vorstellung darüber geben, welche Folgen
mit seinem Tun verbunden sind.
Die Kriterien der Klarheit, Zugänglichkeit und
Vorhersehbarkeit schließen aber die Verwendung von
gesetzlichen Vermutungen und unbestimmter
Rechtsbegriffe nicht aus, die überwiegende Mehrheit
der Fälle muss aber eindeutig einer konkreten
Bestimmung subsumierbar sein (EGMR (Große Kammer)
vom 15.11.1996 im Fall Cantoni gegen Frankreich
betreffend Apothekenmonopol - §§ 32ff.).
E M R K |
Art. 7 |
E G M R |
RA Dr. Postlmayr |
Im Zweifel ist die Inanspruchnahme rechtlicher
Beratung oder die Erkundigung bei der zuständigen
Stelle zumutbar (EGMR vom 28.3.1990, A-173 im Fall
Groppera Radio gegen die Schweiz - § 68).
Bei Angehörigen bestimmter Berufsgruppen kann
besondere Fachkenntnis angenommen werden, wenn diese
notwendig ist, die an sie adressierten Vorschriften
zu verstehen (X gegen Österreich
(Lebensmittelhandel), G gegen Liechtenstein
(Immobilienkauf), Willy Delande (Rechtsanwalt und
Richter für Handelssachen im Nebenamt), Groppera
Radio AG gegen die Schweiz (Betreiber eines
Rundfunksenders und Telekommunikationsrecht), Klein
Poelhuis (Landwirt), Cantoni gegen Frankreich
(Arzneimittel); BVerfGE 48, 48 (57)).
Vom EGMR wird die Einhaltung des Art 7 EMRK danach
beurteilt, ob die Gesetzesauslegung nachvollziehbar
ist und die angeführten Gründe überzeugend sind
(Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 27.2.1997 im
Fall Sassmann gegen Österreich BeschwNr. 23.697/94
betreffend §§ 282 und 282 Abs.1 StGB – Aufforderung
zu einer strafbaren Handlung; unzulässig).
Art. 7 EMRK erlaubt die Anwendung ausländischen
Strafrechts nicht.
EG-Recht, welches von Strafbestimmungen aufgenommen
und von den Gerichten angewendet wird, zählt zum
innerstaatlichen Recht, nationales Recht kann daher
eine Richtlinie der EU wörtlich übernehmen (EGMR vom
15.11.1996 im Fall Cantoni gegen Frankreich - §§
32ff.).
Verbot extensiver Auslegung von Straftatbeständen
und der Analogie zu Lasten des Beschuldigten (EGMR
vom 7.2.2002 im Fall E.K. gegen die Türkei,
BeschwNr. 28.496/95; Verletzung des Art. 7 EMRK).
Wenn dies im Gesetz vorgesehen ist, so ist es
zulässig, wenn im Fall einer neuerlichen Straftat
die Strafe aus der ersten Verurteilung verschärft
wird.
Eine andere, strengere Bewertung der Rechtslage
durch das Gericht nach Tatbegehung ist unzulässig (X
gegen Österreich, EKMR Yearbook 13 (1970), 798).
Eine Pflicht zur Normierung der Verjährung gibt es
nicht (Fall Francis Schertenleib gegen die Schweiz;
EKMR vom 1.7.1992 – unzulässig; BeschwNr.
14.938/89).
Die österreichische
Rechtsprechung zu Art. 7 EMRK:
Verfassungsgerichtshof:
B 776/09 vom 1.10.2009; Tabakgesetz –
Nichtraucherschutz; Im Hinblick auf die obigen
Ausführungen (Punkt 3.2.) geht auch das Vorbringen
des Beschwerdeführers, wonach der angefochtene
Bescheid gegen Art.7 EMRK verstoße, weil darin keine
konkreten Rechtspflichten dargelegt würden, gegen
die der Beschwerdeführer verstoßen hätte, und die
von der belangten Behörde angeführten
Obliegenheiten, Personal in geeigneter Weise zu
informieren und anzuweisen, Raucherinnen und
Rauchern das Rauchen zu verbieten, auf das
Rauchverbot hinzuweisen und keine Aschenbecher auf
Tischen aufzustellen, sich nicht im Gesetz fänden,
ins Leere.
B 559/08 vom 2.7.2009; § 99 StVO - §§81, 88 + 94
StGB; Art 7 EMRK enthält das (historisch und
systematisch) verwandte strafrechtliche
Rückwirkungsverbot. Der Schutzbereich wird auch dort
mit dem Begriff der "(criminal) offence"
umschrieben. Auch ist auf andere internationale
Dokumente des Menschenrechtsschutzes hinzuweisen,
die Anhaltspunkte für die Auslegung liefern können,
dies zumal dann, wenn ein Großteil der
Mitgliedstaaten der EMRK auch Partei eines Vertrags
mit vergleichbarem Wortlaut ist (vgl. nur die
Bezugnahme des EGMR im Fall Pellegrin, EGMR
8.12.1999 [GK], Appl. 28.541/95, ÖJZ 2000, 695, Z37
ff., 66, auf Art39 EGV; oder im Fall Jersild, EGMR
23.9.1994 [GK], Z36/1993/431/510, ÖJZ 1995, 227, Z21
ff., 31 auf völkerrechtliche Instrumente im Rahmen
der Vereinten Nationen gegen rassische
Diskriminierung). Während die europäischen und
universellen Menschenrechtsgarantien (Art14 Abs7 des
UN-Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte,
Art50 der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union) den gleichlautenden Begriff "offence"
aufweisen, findet sich in Art54 Schengener
Durchführungsübereinkommen ("acts", "Taten"), in
Art20 Abs1 des Statuts des Internationalen
Strafgerichtshofes ("crimes") und in Art8 Abs4 der
Amerikanischen Menschenrechtskonvention ("cause")
ein Wortlaut, der auf die "Straftaten" Bezug nimmt.
B 1381/07 vom 23.9.2008; §9 RAO; §§ 1+2 DSt; der
Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung des durch
Art.7 EMRK gewährleisteten Klarheitsgebotes, weil er
bestraft wurde, obwohl sich die Rechtswidrigkeit
seines Verhaltens weder aus gesetzlichen Regelungen
noch aus verfestigten Standesauffassungen ergebe.
Wie der Gerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg.
11.776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung
wegen Berufspflichtenverletzung und wegen eines
Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf
gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte
Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die
bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind -
stützen, die in einer dem Klarheitsgebot
entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7
EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann
nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen
welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes
Verhalten verstößt - nur mit
Rechtsprechungshinweisen begnügt.
G 240/07 vom 27.6.2008; § 18
AusländerbeschäftigungsG; der Verfassungsgerichtshof
hat wiederholt im Hinblick auf das
Rechtsstaatsprinzip ausgesprochen, dass der
Gesetzgeber klar und unmissverständlich zum Ausdruck
zu bringen hat, wo er strafen will, und dass die
Rechtsordnung dem Einzelnen die Möglichkeit geben
muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg.
12.947 mwN). Auch Art.7 EMRK schließt das Gebot in
sich, Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass
es dem Einzelnen möglich ist, sein Verhalten am
Gesetz zu orientieren (VfSlg. 11.776 mwH).
Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete,
Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und
Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ist ganz
allgemein - und zwar auch im Zusammenhang mit
Verwaltungsstraftatbeständen - davon auszugehen,
dass Art18 B-VG einen dem jeweiligen
Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad
verlangt (VfSlg. 13.785 und 16.993). Abweisung der
Anträge des Verwaltungsgerichtshofes.
VfSlg. 18.065; Disziplinarverfahren; Der
Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang,
dass es sich bei den von der belangten Behörde
festgelegten Kosten des Disziplinarverfahrens um
keine Strafe iSd. Art.7 EMRK handelt.
E M R K |
Art. 7 |
V f G H |
RA Dr. Postlmayr |
VfSlg. 18.002; Disziplinarverfahren; Eine
Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und
Ansehen des Standes muss sich auf gesetzliche
Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen
- wofür Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur
von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem
Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit
feststehen (VfSlg. 11.776). Dem aus Art.7 EMRK
erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann
nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen
welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes
Verhalten verstößt - nur mit
Rechtsprechungshinweisen begnügt.
VfSlg. 17.449; Art. 249 EG; § 23
GüterbeförderungsG; der Verwaltungsgerichtshof
hat in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl.
2001/03/0194 einen Verstoß der Blankettstrafnorm des
§23 Abs1 Z8 (jetzt Z9) GütbefG, idF BGBl. I 17/1998
(eine Verwaltungsübertretung begeht, wer
"unmittelbar anwendbare Vorschriften der
Europäischen Union über den Güterverkehr auf der
Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen
Vorschriften zu bestrafen ist"), gegen Art18 Abs1
B-VG oder Art7 EMRK nicht angenommen: Den vorliegend
maßgeblichen unmittelbar anwendbaren
Verordnungsbestimmungen sei das vom
Normunterworfenen geforderte Verhalten eindeutig zu
entnehmen, sodass jeder berechtigte Zweifel des
Normunterworfenen über den Inhalt seines
pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen sei.
Abweisung der Beschwerde.
VfSlg. 16.773; § 84 Abs.2 StVO –
Gesetzesprüfungsantrag des UVS Oö.; Soweit der UVS
aber - über die erwähnte Kritik an der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
hinausgehend - auf den Inhalt der Verbotsnorm des §
84 Abs.2 StVO an sich Bezug nimmt, indem er
vorbringt, die Vorschrift des § 84 Abs.2 StVO weise
keinen - im Lichte der Erfordernisse des Art.18 B-VG
(bzw. des Art.7 EMRK) - hinreichend bestimmten
Inhalt auf, so ist ihm zu entgegnen, dass er sich
mit diesem Vorbringen im Widerspruch zu seinen
eigenen Behauptungen befindet, weshalb darauf nicht
weiter einzugehen ist. Der Sache nach wird nämlich
im Antrag selbst behauptet, dass die angefochtene
Norm einen eindeutigen Inhalt aufweise; der UVS legt
auch ausführlich dar, wie die Vorschrift zu
verstehen sei. Diesem Auslegungsergebnis, das sich
nach Ansicht des UVS bereits aus dem klaren Wortlaut
ergebe, stehe lediglich die Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofes entgegen, dessen Auslegung
der UVS für nicht vertretbar erachtet. Abweisung des
Antrages des UVS.
VfSlg. 12.947: die Bestimmung des § 320 Abs.1
Z.3 StGB ist nicht wegen ihres Charakters als
Blankettstrafnorm und als dynamische Verweisung in
einer dem Art.7 Abs.1 EMRK bzw. dem Art.18 Abs.1
B-VG widersprechenden Weise unbestimmt.
VfSlg. 12.652: der Umstand, dass der Kürzung
der Bezüge der Charakter einer Strafe mangelt,
entzieht dem Beschwerdevorwurf, dass §150 RDG idF
Art. I Z. 5 BGBl 259/1990 dem in Art.7 EMRK
festgelegten Verbot der Erlassung rückwirkender
Strafgesetze und dem aus dieser Verfassungsnorm
abzuleitenden Gebot ausreichender inhaltlicher
Bestimmtheit strafrechtlicher Regelungen
zuwiderlaufe, von vornherein den Boden.
VfSlg. 11776; § 2 DSt (Disziplinarstatut der
Rechtsanwälte; grundlegende Entscheidung des VfGH zu
Art. 7 EMRK);
fehlt es - wie im angefochtenen
Disziplinarerkenntnis – am entsprechend
konkretisierten Vorwurf der Verletzung von
Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des
Standes, so liegt mit Rücksicht auf die Bedeutung
des Art7 MRK ein willkürliches Verhalten der Behörde
vor. Dem sich aus Art.7 EMRK ergebenden Gebot
entspricht die Behörde auch dann nicht, wenn sie -
statt zu benennen, gegen welche konkrete Berufs-
oder Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten
verstößt - sich mit Rechtsprechungshinweisen
begnügt. Missachtung des Gebots des Art.7 EMRK durch
mangelnde Konkretisierung des Vorwurfs der
Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und
Ansehen des Standes.
Zur Zulässigkeit der Verwendung unbestimmter
Rechtsbegriffe durch den Gesetzgeber. Das in Art.7
EMRK enthaltene Klarheitsgebot hat zum Ziel, dem
einzelnen Orientierung seines Verhaltens am Gesetz
zu ermöglichen
VfSlg. 11.352; § 5 RL-BA 1977 wurde
keineswegs rückwirkend in Kraft gesetzt. Diese
Standesvorschrift trifft vielmehr lediglich eine
Anordnung, die schon vorher aus dem Gesetz
unmittelbar abzuleiten war. Auch von einer
Verletzung "des Verbotes rückwirkender
Pönalisierung" kann daher keine Rede sein.
VfSlg. 11.212: auch bei diesem Inhalt des
Gesetzes bestehen - unter dem Gesichtspunkt des
vorliegenden Beschwerdefalles - gegen § 31 Abs.3
VStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken;
insbesondere erblickt der Verfassungsgerichtshof
nicht den vom Beschwerdeführer angenommenen -
Widerspruch zu Art.7 Abs.1 EMRK; diese – in
Verfassungsrang stehende - Bestimmung bezieht sich
auf das Verbot rückwirkender Strafbestimmungen und
rückwirkender Strafverschärfungen, nicht aber auf
Vorschriften über Verjährungsfristen. Art.7 Abs.1
EMRK stellt für den Bereich des
Verwaltungsstrafrechtes die explizite
verfassungsrechtliche Garantie dessen dar, was
einfachgesetzlich in § 1 VStG enthalten ist
(Ermacora/Nowak/ Tretter, Die Europäische
Menschenrechtskonvention, Wien 1983, S. 368, 4.1.).
E M R K |
Art. 7 |
V f G H |
RA Dr. Postlmayr |
VfSlg. 10.237; Salzburger
Seenschutzverordnung 1971; Verstoß gegen §3 Abs1 Z1
durch Abstellen eines PKW in der geschützten
Uferzone; keine Bedenken gegen § 3 Abs.1 Z.1; keine
Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter
Rechte durch eine denkunmögliche oder willkürliche
Vorgangsweise sowie durch gravierende
Verfahrensmängel; kein Verstoß gegen Art.5, 6 und 7
MRK
VfSlg. 8903; wenn es auch
verfassungsrechtlich zulässig ist, die Normierung
von Elementen strafbarer Tatbestände durch
Verordnung vorzunehmen, sofern eine dem Art.18 B-VG
entsprechende Grundlage in einem Gesetz gegeben ist
(vgl. hiezu VfSlg. 6842), so muss doch in jedem
Fall, in dem zwischen das Gesetz und den
individuellen Vollziehungsakt (Urteil, Bescheid)
eine Verordnung tritt, an diese die Anforderung
einer eindeutigen Umschreibung der als Elemente
eines strafbaren Tatbestandes in Betracht kommenden
Begriffe gestellt werden. Es darf nicht der
individuellen Vollziehung überlassen bleiben, eine
im Wortlaut eindeutige Strafnorm ergänzend oder
berichtigend auszulegen ("nulla poena sine lege";
vgl. zur Unzulässigkeit einer Auslegung zum Nachteil
eines Beschuldigten z.B. OGH 17. 9. 1975, 9 Os 83 -
85/75, ÖRZ 1976 S. 37; OGH 21. 4. 1977, 12 Os 9/77
vS, ÖRZ 1977, S. 131 ff.). Eine extensive Auslegung
eines Strafgesetzes in malam partem würde auch gegen
die der österreichischen Verfassungsordnung
angehörende Bestimmung des Art.7 EMRK verstoßen
(vgl. Europäische Kommission für Menschenrechte
Entscheidung 24. 9. 1963, Requete No. 1169/61, Slg.
des Europarates Band 13 S 39 f.; Entscheidung 22. 4.
1965, Application No. 1852/63, Slg. des Europarates
Band 16 S 38 f.).
Verwaltungsgerichtshof:
2010/02/0237 vom
26.11.2010; § 113 KFG - § 13a Abs.2 FSG-DV;
Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters;
den Anforderungen des § 1 Abs.1 VStG und Art. 7 EMRK
wird § 113 Abs. 2 KFG, der von der belangten Behörde
in der erstatteten Gegenschrift als Rechtsgrundlage
für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des
Beschwerdeführers im vorliegenden Beschwerdefall
angeführt wird, im Hinblick auf das Erfordernis der
Normierung einer besonderen
verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines
Fahrschulleiters nicht gerecht. Auch in Verbindung
mit § 113 Abs. 1 KFG ist eine solche
Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters nicht zu
erkennen.
2008/18/0469 vom 11.5.2009; eine Ausweisung
gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 fällt nicht
unter das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK, da
diese Bestimmung in sachlicher Hinsicht auf
Verurteilungen und die Verhängung von Strafen
beschränkt ist.
2007/21/0421 vom 23.10.2008;anders als § 38
Abs. 1 Z. 4 FrG 1997 sieht § 61 Z 4 des am 1. Jänner
2006 in Kraft getretenen FrPolG 2005 eine Ausnahme
hinsichtlich der Unzulässigkeit von
Aufenthaltsverboten gegen Fremde, die von klein auf
im Inland aufgewachsen und langjährig im
Bundesgebiet niedergelassen sind, (ua) für den Fall
vor, dass der Fremde wegen einer gerichtlich
strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer
unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt
wurde. Im Hinblick auf den erwähnten Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieser Bestimmung hat sie die Behörde
bei im Jahre 2006 erlassenen Bescheiden anzuwenden.
Eine ausdrückliche (Übergangs)Regelung, dass diese
Norm auf vor dem Inkrafttreten des FrPolG 2005
verwirklichte Sachverhalte nicht anzuwenden wäre,
ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies widerspricht
nicht dem - im Verfassungsrang stehenden - nur für
Strafen geltenden Rückwirkungsverbot des Art. 7 MRK,
sodass auch eine entsprechende verfassungskonforme
Auslegung nicht geboten erscheint. Abweisung der
Beschwerde.
2003/10/0018 vom 12.9.2005; Übertretung des §
58 Salzburger NaturschutzG; die Rechtsordnung muss
dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich dem Recht
gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines
Handelns oder Unterlassens eindeutig zu erkennen.
Strafbestimmungen müssen daher unzweideutig sein und
dürfen beim Normadressaten so wenig Zweifel wie
möglich entstehen lassen. Der Gesetzgeber hat die
Elemente eines strafbaren Tatbestandes genau zu
umschreiben und darf es nicht der individuellen
Vollziehung überlassen, eine Strafnorm ergänzend
auszulegen (vgl. die bei Walter/Thienel,
Verwaltungsverfahren II2, § 1 VStG, E 7 - 15
referierte Rechtsprechung; zu dem aus Art. 18 Abs. 1
B-VG und Art. 7 EMRK entwickelten "Klarheitsgebot"
vgl. grundlegend VfSlg. Nr. 11776/1988). Aufhebung
des Bescheides des UVS Salzburg.
2001/03/0238 vom 26.4.2005; der
Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass §
138 Abs. 2 lit. a Salzburger Jagdgesetz 1993 wegen
der darin enthaltenen demonstrativen Aufzählung von
Rechtsvorschriften den Art. 7 und 18 B-VG sowie dem
Art. 7 EMRK zuwiderlaufen würde.
VwGH vom 4.10.2006, 2006/18/0282; dem NAG
(Niederlassungs- und AufenthaltsG) 2005 ist weder
ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu
entnehmen, der zufolge auf vor dessen
In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte etwa die
Bestimmungen des § 14 Abs. 2 FrG 1997, des § 10 Abs.
4 FrG 1997 oder des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG 1997
anzuwenden wären. Auch handelt es sich bei dem
Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens betreffend
Versagung einer Niederlassungsbewilligung nicht um
eine Strafe iSd Art. 7 EMRK (VwGH vom 17.12.2001,
99/18/0432, zu § 114 FrG 1997).
VwGH vom 12.9.2005, 2003/10/0018; die
Rechtsordnung muss dem Einzelnen die Möglichkeit
geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten und den
Unrechtsgehalt seines Handelns oder Unterlassens
eindeutig zu erkennen. Strafbestimmungen müssen
daher eindeutig sein und dürfen beim Normadressaten
so wenig Zweifel wie möglich entstehen lassen. Der
Gesetzgeber hat die Elemente eines strafbaren
Tatbestandes genau zu umschreiben und darf es nicht
der individuellen Vollziehung überlassen, eine
Strafnorm ergänzend auszulegen (vgl. die bei
Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, § 1 VStG,
E. 7 – 15 referierte Rechtsprechung; zu dem aus Art.
18 Abs. 1 B-VG und Art. 7 EMRK entwickelten
"Klarheitsgebot" vgl. grundlegend VfSlg. Nr.
11.776).
VwGH vom 26.4.2005, 2001/03/0238; der
Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass §
138 Abs. 2 lit. a Salzburger JagdG 1993 wegen der
darin enthaltenen demonstrativen Aufzählung von
Rechtsvorschriften den Art. 7 und 18 B-VG sowie dem
Art. 7 EMRK zuwiderlaufen würde.
E M R K |
Art. 7 |
V w G H |
RA Dr. Postlmayr |
VwGH vom 25.1.2005, 2004/02/0284; das
Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt
für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des
Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue
gesetzliche Determinierung des unter Strafe
gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg. 13785).
Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des §
1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu
beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf,
wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe
bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das
strafbare Verhalten unmissverständlich und klar
erkennen lassen (VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066,
mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG
1967 nicht gerecht.
VwGH vom 16.12.2004, 2002/07/0140; gemäß § 1
Abs. 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder
Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor
ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach Art. 7
Abs. 1 erster Satz EMRK kann niemand wegen einer
Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die
zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder
internationalem Recht nicht strafbar war. Hier:
angelastete Übertretung des Oö. AWG.
Nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe
des öffentlichen Rechts verlangt das
Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG für
Strafbestimmungen aus dem Gesichtspunkt des
Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue
gesetzliche Determinierung des unter Strafe
gestellten Verhaltens. Ferner ist für
Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG
und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass
eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie
gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht
war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare
Verhalten unmissverständlich und klar erkennen
lassen (VwGH vom 23. Mai 2002, 99/03/0144, und vom
24. Februar 2004, 2003/05/0234, sowie das Erkenntnis
des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002,
G 177/02, u.a.). Eine Verbotsnorm muss daher einen
soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der
Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten
kann. Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
VwGH vom 26.3.2004, 2003/02/0202; das
Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt
für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des
Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue
gesetzliche Determinierung des unter Strafe
gestellten Verhaltens (vgl. VfSlg. 13.785). Ferner
ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs.
1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu
beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf,
wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe
bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das
strafbare Verhalten unmissverständlich und klar
erkennen lassen (VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066,
mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG
1967 nicht gerecht
VwGH vom 24.2.2004, 2003/05/0234 und 0235; §
3 Bgl. BauG; § 17 BauV; im Hinblick auf § 1 Abs. 1
VStG darf einer Strafbestimmung keine rückwirkende
Kraft beigelegt werden. Die Heranziehung einer
verletzten Verwaltungsvorschrift, die zum Zeitpunkt
der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch
nicht galt, würde auch gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK
verstoßen (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des
Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage,
Anm. 2 zu § 1 VStG, S. 1189).
VwGH vom 3.9.2003, 2001/03/0160; beim
Verwaltungsgerichtshof sind aus den Erwägungen in
seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, 2001/03/0194,
keine Bedenken dahin entstanden, dass § 23 Abs. 1 Z.
8 GütbefG als Blankettstrafnorm, die zudem eine
dynamische Verweisung beinhalte, wegen mangelnder
Bestimmtheit gegen das in Art. 18 Abs. 1 B-VG
normierte Legalitätsprinzip sowie gegen Art. 7 Abs.
1 EMRK verstoße.
VwGH vom
23.5.2002, 99/03/0144; § 108 Abs.2 KFG; § 1
Abs.1 VStG - Art. 7 EMRK; Erteilung von
Fahrschulunterricht ohne Berechtigung; keine
Strafbarkeit nach § 108 KFG
VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066; das in Art.
7 MRK normierte Grundrecht zählt zu den
Grundrechten, die der EuGH im Einklang mit den
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der
Mitgliedstaaten mit den völkerrechtlichen Verträgen,
an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt
waren oder denen sie beigetreten sind, zu wahren
hat, und die die Europäische Union nach Art. 6 Abs.
2 des EU-Vertrages achtet (Öhlinger/Potacs,
Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 2.
Auflage, Wien 2001, 92). Unter Bedachtnahme auf Art.
7 MRK wird demnach die richtlinienkonforme Auslegung
von Strafvorschriften auch durch das Rückwirkungs-
und Analogieverbot sowie das Verbot einer exzessiven
Interpretation begrenzt, eine richtlinienkonforme
Auslegung von Strafvorschriften findet ihre Grenzen
in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teile des
Gemeinschaftsrechts sind, insbesondere in dem
Grundsatz der Rechtssicherheit und im
Rückwirkungsverbot; vgl. EuGH Rs. 80/86 (Kolpinghuis
Nijmegen), Slg. 1987, 3969, Rz. 13; EuGH Rs.
C-168/95 (Arcaro), Slg. 1996, I-4705, Rz. 42.
VwGH vom 20.4.2001, 2000/02/0281; eine
"Blankettstrafnorm" ist eine Norm, die dadurch
gekennzeichnet ist, dass sie selbst keine Tatbilder
enthält, sondern auf andere Vorschriften verweist,
die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes
werden (VwGH vom 22.4.1997, 94/11/0303 bis 0313).
Eine derartige Verweisung liegt im Falle des § 105
Abs. 7 ADNSchV jedoch nicht vor; zu interpretieren
ist allein der Begriff der "ähnlichen
Betriebsstätte".
E M R K |
Art. 7 |
V w G H |
RA Dr. Postlmayr |
VwGH vom 21.6.2000, 99/09/0028; auch im
Disziplinarverfahren gilt der (strafrechtliche)
Grundsatz, dass nur wegen einer Tat bestraft werden
darf, die im Zeitpunkt der Tat strafbar war. Ändert
sich zwischen der Tat und der Verfolgung die
Rechtslage, so gilt im Falle der Strafbarkeit nach
beiden Rechtslagen das Günstigkeitsprinzip, das
heißt, dass jene Normen zur Anwendung gelangen, die
in ihrer Gesamtschau für den Beschuldigten günstiger
sind. Dabei sind die alte und die neue Rechtslage
einander gegenüberzustellen (hier betreffend die Wr.
DO 1966 und die Wr. DO 1974).
VwGH vom 16.12.1997, 96/09/0149; für jene
Tathandlungen, die vor der Ernennung zum Beamten als
Vertragsbediensteter gesetzt wurden und
abgeschlossen waren, kommt eine Bestrafung nach dem
BDG 1979 nicht in Frage. Denn eine (straf)rechtliche
Sanktion (Strafe oder vorbeugende Maßnahme) darf nur
wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine
ausdrücklich gesetzliche Strafdrohung fällt und
schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war
(§ 1 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 VStG, vgl. auch Art 7 Z
1 MRK). Ausdruck des Prinzips nullum crimen sine
lege ist daher vor allem das Analogieverbot, jener
des Prinzips nulla poena sine lege das
Rückwirkungsverbot. Eine Verhaltensweise, die zur
Zeit ihrer Setzung nicht ausdrücklich unter eine
gesetzliche Strafsanktion fiel, darf daher weder
eine Strafe noch eine vorbeugende Maßnahme zur Folge
haben. Das VBG enthält jedoch keine dem § 91 BDG
1979 vergleichbare Bestimmung noch eine mit einem
der Tatbestände des § 92 BDG 1979 vergleichbare.
VwGH vom 19.3.1996, 94/11/0223; wenn - wie im
Falle des § 28 Abs. 1 AZG vor der Novelle 1994 - auf
Vorschriften eines Gesetzes oder einer Verordnung
verwiesen wird, kommen als Übertretungsnormen nur
solche in Betracht, die dem Normadressaten ein
ausreichend genau umschriebenes Verhalten verbieten
oder gebieten (vgl. zur Blankettstrafnorm des § 30
KJBG, VwGH vom 4.2.1993, 91/19/0093). Dies ist bei §
9 AZG und § 12 Abs. 1 AZG unzweifelhaft der Fall.
Dass andere Vorschriften des AZG, etwa § 10 AZG über
die Überstundenentlohnung, allenfalls nicht als
Übertretungsnorm in Betracht kommen (zur
vergleichbaren Bestimmung des § 14 KJBG, VwGH vom
4.2.1993), macht die Blankettstrafnorm des § 28 Abs.
1 AZG nicht schlechthin unanwendbar (zur
verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit dieser
Bestimmung Hinweis E VfGH 17.6.1995, B 2343/94 und B
2713/94).
VwGH vom 20.6.1999, 89/02/0120; ein
allgemeines, die Verjährungsbestimmungen erfassendes
Günstigkeitsprinzip, lässt sich auch aus Art 7 Abs.
1 EMRK nicht ableiten (VwGH vS vom 5.11.1987,
86/02/0171, VwSlg. 12570/A; VfGH 26.2.1987, B
295/86, VfSlg. 11.212).
VwGH vom 16.12.1987, 87/02/0073; § 31 Abs. 3
VStG ist auch auf Straftaten anzuwenden, die vor dem
1.8.1984 (Inkrafttreten dieser Bestimmung) begangen
worden sind, vorausgesetzt, dass in diesem Zeitpunkt
die Tat (nach der früher bestehenden Rechtslage)
noch nicht verjährt und das verwaltungsgerichtliche
Verfahren (zumindest teilweise) nach diesem
Zeitpunkt anhängig war. § 1 Abs. 2 VStG steht einer
solchen Auslegung nicht entgegen. Ein allgemeines
(die Verjährungsbestimmungen erfassendes)
Günstigkeitsprinzip lässt sich auch aus Art 7 Abs. 1
EMRK nicht ableiten (VwGH vom 3.5.1985, 85/02/0163).
E M R K |
Art. 7 |
V w G H |
RA Dr. Postlmayr |
Die Judikatur des E G M R zu Art. 7 EMRK:
Lawless – Irland;
Urteil vom 1.7.1961, A-3
Beschwerde-Nr.
332/57; keine Verletzung des Art. 7 EMRK
Weiters keine
Verletzung der Art. 5, 6 und 15 EMRK
De Wilde, Ooms +
Versyp – Belgien
(vagrancy cases); Urteil vom 18.6.1971
A-12; Beschwerde-Nr.
2832/66, 2835/66 und 2899/66
Verletzung des Art.
5 Abs.4 EMRK; Entscheidung nach Art. 50 EMRK
(gerechte Entschädigung vorbehalten); keine
Verletzung der Art. 3, 4, 5 Abs.1 und 8 EMRK
Art. 7 EMRK auf
diesen Fall nicht anwendbar.
Moustaquim –
Belgien;
Urteil vom 18.2.1991, A-193
Beschwerde-Nr.
12.313/86; Verletzung des Art. 8 EMRK
Art. 7 EMRK wird
daher nicht mehr geprüft.
Kokkinakis –
Griechenland;
Urteil vom 25.5.1993, A-260-A
Beschwerde-Nr.
14.377/88 – keine Verletzung des Art. 7 EMRK
nulla poena sine
lege
Verletzung des Art.
8 EMRK, weswegen Art. 9, 10 und 14 nicht mehr
geprüft werden.
Welch – United Kingdom;
Urteil vom 9.2.1995, A-307-A
Beschwerde-Nr.
17.440/90 – Verletzung des Art. 7 Abs.1 EMRK –
Rückwirkung
Jamil –
Frankreich;
Urteil vom 8.6.1995, A-320
Beschwerde-Nr.
15.917/89 – Verletzung des Art. 7 EMRK
nulla poena sine
lege – Rückwirkung von Strafgesetzen
E M R K |
Art. 7 |
E G M R |
RA Dr. Postlmayr |
G. – Frankreich;
Urteil vom 27.9.1995, A-325-B
Beschwerde-Nr.
15.312/89; nulla poena sine lege
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
C.R. – United Kingdom;
Urteil vom 22.11.1995, A-335-C
Beschwerde-Nr.
20.190/92 – keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
nulla poena sine lege
S.W. – United Kingdom;
Urteil vom 22.11.1995; A-335-B
Beschwerde-Nr. 20.166/92 – keine Verletzung des Art.
7 EMRK
nulla poena sine
lege
Cantoni – Frankreich;
Urteil vom 15.11.1996; Beschwerde-Nr. 17.862/91
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK - nulla poena sine lege
Grigoriades –
Griechenland;
Urteil vom 25.11.1997, Beschwerde-Nr. 24.348/94
keine Verletzung des Art. 7 EMRK
- nulla crimen sine
lege
Verletzung des Art.
10 EMRK
Larissis –
Griechenland;
Urteil vom 24.2.1998; Beschwerde-Nr. 23.372/94 u.a.
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK, aber des Art. 9, Art. 10 wird daher
nicht mehr geprüft.
Baskaya +
Okcuoglu – Türkei;
Urteil vom 8.7.1999
Beschwerde-Nr.
23.536/94 + 24.408/94
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK betreffend Erstbeschwerdeführer
Verletzung des Art.
7 EMRK betreffend Zweitbeschwerdeführer
Weiters Verletzung
der Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK, weswegen Art. 6
Abs.2 und art. 14 EMRK nicht mehr geprüft wird.
Erdogdu + Ince –
Türkei;
Urteil vom 8.7.1999
Beschwerde-Nr.
25.067/94 + 25.068/94
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK
Coeme u.a. –
Belgien;
Urteil vom 22.6.2000; Beschwerde-Nr. 32.492/96 u.a.
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Verletzung des Art.
6 Abs.1 EMRK, weswegen Art. 6 Abs.2+3, 13 und a4
nicht mehr geprüft werden.
E.K. – Türkei;
Urteil vom 22.6.2000; Beschwerde-Nr. 28.496/95
Verletzung des Art.
7 EMRK – nulla poena sine lege
Ebenso Verletzung
der Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK
E M R K |
Art. 7 |
E G M R |
RA Dr. Postlmayr |
Ecer + Zeyrek –
Türkei;
Urteil vom 27.2.2001
Beschwerde-Nr.
29.295/95 u.a.
Verletzung des Art.
7 EMRK – nulla poena sine lege
K-H. W. – BRD;
Urteil vom 22.3.2001
Beschwerde-Nr.
37.201/97
keine Verletzung des Art. 7 sowie des Art. 14 (iVm Art. 7) EMRK
Streletz, Kessler
+ Krenz – BRD;
Urteil vom 22.3.2001
Beschwerde-Nr.
34.044/96 u.a.
keine Verletzung des
Art. 7 sowie des Art. 14 (iVm Art. 7) EMRK
Sadak u.a. –
Türkei;
Urteil vom 11.6.2002; Beschwerde-Nr. 25.144/94 u.a.
Verletzung des Art.
3 des 1. ZP zur EMRK
Es ist daher nicht
mehr nötig, die Frage der Verletzung des Art. 7
(auch der Art. 9, 10, 11, 14 und 6 Abs.1) zu prüfen.
Veeber
(Nr.2) –
Estland;
Urteil vom 21.1.2003; Beschwerde-Nr. 45.771/99
Verletzung des Art.
7 EMRK – nulla poena sine lege
Rückwirkungsverbot
von Strafgesetzen
Gökceli – Türkei;
Urteil vom 4.3.2003; Beschwerde-Nr. 27.215/95
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Verletzung des Art.
10 EMRK, keine Verletzung des Art. 6 Abs.2 EMRK
Grava – Italien;
Urteil vom 10.7.2003; Beschwerde-Nr. 43.522/98
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Verletzung des Art.
5 Abs.1 EMRK
Nicht nötig, auch
Art. 13 EMRK zu prüfen.
Gabarri Moreno –
Spanien;
Urteil vom 22.7.2003;
Beschwerde-Nr.
68.066/01 – Verletzung des Art.
7 EMRK
nulla poena sine
lege; Grundsatz der Rechtssicherheit
Auch die
Oberstaatsanwaltschaft hatte eine geringere Strafe
beantragt, welche dem Gesetz entsprochen hätte
Yurtseven u.a. –
Türkei;
Urteil vom 18.12.2003; Beschwerde-Nr. 31.730/96
Streichung aus der
Liste nach Vergleich
Puhk – Estland;
Urteil vom 10.2.2004; Beschwerde-Nr. 55.103/00
Verletzung des Art.
7 EMRK - nulla poena sine lege
€ 3.000,-- Ersatz
für immateriellen Schaden
Radio France –
Frankreich;
Urteil vom 30.3.2004; Beschwerde-Nr. 53.984/00
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Auch keine
Verletzung der Art. 6 Abs.2 und Art. 10 EMRK
Kalin – Türkei;
Urteil vom 10.11.2004; Beschwerde-Nr. 31.236/96
keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Verletzung der Art.
6 Abs.1 und Art. 10 EMRK
Nicht nötig, bei
diesem Ergebnis auch Art. 14 EMRK zu prüfen.
E M R K |
Art. 7 |
E G M R |
RA Dr. Postlmayr |
K.A. + A.D. –
Belgien;
Urteil vom 17.2.2005; Beschwerde-Nr. 45.558/99
keine Verletzung der
Art. 6 Abs.1, 7 und 8 EMRK
Waffengleichheit und
nulla crimen sine lege
Kolu – Türkei;
Urteil vom 2.8.2005; Beschwerde-Nr. 35.811/97
Verletzung des Art.
6 Abs.1 und Abs.3: fair, Recht auf Verteidiger und
Zeugeneinvernahme, nulla poena sine lege
Nicht nötig, auch
die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen
Öztürk – Türkei;
Urteil vom 4.10.2005; Beschwerde-Nr. 29.365/95
Verletzung des Art.
7 EMRK; die Bestrafung eines Buchverlegers konnte
sich nicht ausreichend auf das Gesetz stützen.
Ebenfalls Verletzung
des Art. 10 EMRK, nicht mehr nötig, auch Art. 1 des
1. ZP zur EMRK zu prüfen.
Dogan u.a. –
Türkei;
Urteil vom 10.1.2006; Beschwerde-Nr. 50.693/99
Verletzung der Art.
10 und 13 (effektives Rechtsmittel) EMRK
Nicht nötig, auch
die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen
Achour –
Frankreich;
Urteil der Großen Kammer vom 29.3.2006, Beschwerde-Nr.
67.335/01
§ 139 Abs.2 StGB;
der Angeklagte hätte genau wissen müssen, welche
Folgen seine Taten nach sich ziehen werden
Keine Verletzung des Art. 7 EMRK
(16:1 Stimmen); die
Bestrafung war ausreichend vorhersehbar.
Die Kammer hatte im
Urteil vom 10.11.2004 eine Verletzung dieser
Bestimmung (4:3 Stimmen) festgestellt.
Pessino –
Frankreich;
Urteil vom 10.10.2006; Beschwerde-Nr. 40.403/02
Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege
Der Beschwerdeführer
konnte zum Tatzeitpunkt die Änderung der
Rechtsprechung des OGH nicht absehen.
Custers, Deveaux
+ Turk – Dänemark;
Urteil vom 3.5.2007
Beschwerde-Nr.
11.843/03 u.a. – keine Verletzung des Art. 7 EMRK
Diese Tat war im
dänischen Gesetz ausreichend klar normiert und die
Bestrafung daher vorhersehbar.
Dragotoniu +
Militaru-Pidhorni – Rumänien;
Urteil vom 24.5.2007
Beschwerde-Nr.
77.193/01 und 77.196/01
Verletzung des Art.
7 EMRK – nulla poena sine lege
Das angeklagte
Delikte konnte nur von Beamten und nicht von
Bankangestellten begangen werde. € 3.000,-- Ersatz
für immateriellen Schaden
Jorgic – BRD;
Urteil vom 12.7.2002; Beschwerde-Nr. 74.613/01
Keine Verletzung des
Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege
Auch keine
Verletzung der Art. 5 Abs.1, 6 Abs.1 EMRK
Balcik u.a. –
Türkei;
Urteil vom 29.11.2007; Beschwerde-Nr. 25/02
Verletzung der Art.
3 und 11 EMRK
Nicht nötig, auch
die Frage der Verletzung der Art. 7, 17 und 18 EMRK
zu prüfen
Birdal – Türkei;
Urteil vom 13.12.2007; Beschwerde-Nr. 47.520/99
Keine
Verletzung des Art. 7 EMRK
– nulla poena sine
lege
Verletzung der Art.
6 Abs.1 und 10 EMRK
E M R K |
Art. 7 |
E G M R |
RA Dr. Postlmayr |
Kafkaris - Zypern; Urteil
der Großen Kammer vom 12.2.2008, BeschwNr. 21.906/04
Zum Zeitpunkt der Tatbegehung
waren die einschlägigen Rechtsvorschriften nicht
hinreichend präzise formuliert, um dem Verurteilten
die Reichweite der lebenslangen Freiheitsstrafe im
Verhältnis zu deren tatsächlichem Vollzug
ausreichend ersichtlich zu machen.
Verletzung des Art. 7 EMRK
Kuolelis,
Bartokevicius + Burokevicius – Litauen;
Urteil vom 19.2.2008
Beschwerde-Nr.
74.357/01
Keine Verletzung der
Art. 6 Abs.1, 7, 9, 10, 11 + 14 EMRK
Kononov –
Lettland;
Urteil vom 24.7.2008; Beschwerde-Nr. 36.376/04
Verletzung des Art.
7 EMRK –
nulla poena sine lege
Der Beschwerdeführer
konnte diese Bestrafung im Jahr 1944 nicht vorhersehen
(vgl. das in diesem
Fall ergangene Urteil der GrK vom 17.5.2010 !)
Korbely – Ungarn;
Urteil vom 19.9.2008; Beschwerde-Nr. 9.174/02
Verletzung des Art.
7 EMRK
Diese Konventionsbestimmung verbietet nicht nur die
rückwirkende Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen
zum Nachteil des Angeklagten sondern enthält au den
Grundsatz, dass nur das Gesetz eine Straftat
definieren und eine Strafe vorschreiben darf.
Zur
Vorhersehbarkeit ist auf den Gesetzeswortlaut
abzustellen und wenn nötig auf die gerichtliche
Auslegung
Tötung von
Aufständischen durch einen Offizier beim
Ungarn-Aufstand 1956
Es war nicht
vorhersehbar, dass die Tathandlungen nach dem
Völkerrecht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
darstellen
Nicht mehr nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK zu
prüfen.
Moiseyev –
Russland;
Urteil vom 9.10.2008; Beschwerde-Nr. 62.936/00
Keine Verletzung des
Art. 7 EMRK
Verletzung der Art.
3, 5 Abs. 3+4, Art. 6 Abs.1 + Abs.3 lit. b+c EMRK
Salihoglu –
Türkei;
Urteil vom 21.10.2008; Beschwerde-Nr. 1.606/03
Verletzung des Art.
6 Abs.1 und Art. 10 EMRK
Nicht mehr nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu
prüfen.
Sud Fondi s.r.l.
u.a. – Italien;
Urteil vom 20.1.2009; Beschwerde-Nr. 75.909/01
Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege
Durch die
widerrechtliche Beschlagnahme von Eigentum der
Beschwerdeführerin wurde auch Art. 1 des 1. ZP zur
EMRK verletzt.
Protopapa –
Türkei;
Urteil vom 24.2.2009; Beschwerde-Nr. 16.084/90
Keine Verletzung der
Art. 3, 5, 6, 7, 11, 13 + 14 EMRK
Ely Ould Dah - Frankreich;
Zulässigkeitsentscheidung vom 17.3.2009, BeschwNr.
13.113/03
Unzulässigkeit der Beschwerde zu
Art. 7 EMRK
Der Straftatbestand war
ausreichend zugänglich und die Strafe vorhersehbar
(Folter - Anmestie im Heimatland)
Glor - Schweiz; Urteil vom
30.4.2009, BeschwNr. 13.444/04
Unzulässigkeit der Beschwerde zu
Art. 7 EMRK ratione materiae, weil eine Steuer für
Untauglichkeit zum Militärdienst keine Strafe ist.
Liivik – Estland;
Urteil vom 25.6.2009; Beschwerde-Nr. 12.157/05
Verletzung des Art.
7 EMRK – nulla poena sine lege
Verstoß der
Tathandlung laut Gerichten gegen allgemeines
Rechtsempfinden, welche den staatlichen Interessen
einen erheblichen moralischen Schaden zugefügt hat
"erheblicher
Schaden" war Tatbestandsmerkmal des Amtsmissbrauchs;
Auslegung und
Anwendung dieser Bestimmung aufgrund weiter Begriffe
und vager Kriterien; keine entsprechende Klarheit
und Vorhersehbarkeit
Die Bestrafung war
für den Beschwerdeführer nicht vorhersehbar
Bei diesem Ergebnis
nicht nötig, auch die Frage der Verletzung der Art.
6 Abs.1, 13 und 17 EMRK zu prüfen.
Scoppola
(Nr.2) –
Italien;
Urteil der Großen Kammer vom 17.9.2009
Beschwerde-Nr.
10.249/03 – nulla poena sine lege
§ 442 StPO; die
Gerichte hätten das für den Angeklagten günstigere
Recht (30jährige statt lebenslanger Freiheitsstrafe)
anwenden müssen.
tw.
Zulässigerklärung der Beschwerde am 13.5.2008
Am
2.9.2008 hat die zuständige Kammer beschlossen, die
Entscheidung der Großen Kammer zu überlassen.
§ 442
StPO: mindestens 30jährige Freiheitsstrafe, wenn das
Gesetz für die Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe
vorsieht.
Verletzung des Art. 7 EMRK (11 : 6); Verletzung des
Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig) - Verstoß gegen die
Rechtssicherheit
Art.
46 EMRK: die lebenslange Freiheitsstrafe muss durch
eine Strafe ersetzt werden, welche den
Entscheidungsgründen in diesem Urteil entspricht.
Pasko – Russland;
Urteil vom 22.10.2009; Beschwerde-Nr. 69.519/01
Keine Verletzung des
Art. 10 EMRK
Nicht nötig, auch
die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen.
Olymbiou – Türkei;
Urteil vom 27.10.2009; Beschwerde-Nr. 16.091/90
Verletzung des Art.
8 EMRK
Keine Verletzung der
Art. 3, 5, 6, 7 (nulla poena sine lege), 11, 13, 14
EMRK sowie des 1. ZP zur EMRK
Ausspruch zu Art. 41
EMRK (gerechte Entschädigung) noch nicht
entscheidungsreif.
M - BRD;
Urteil vom 17.12.2009; BeschwNr.
19.359/04
Verletzung der Art. 5
Abs.1 und Art. 7 Abs.1 EMRK
Bundesverfassungsgericht: § 67d Abs.3
StGB ist mit dem GG vereinbar
Verbot der
rückwirkenden Anwendung strengerer
Strafbestimmungen - § 67d Abs.3 StGB
Nachträgliche
Verlängerung der Sicherheitsverwahrung
über die zur Tatzeit geltende
Zehnjahresfrist hinaus ist nicht
gerechtfertigt
Diese betrifft nicht
nur den Strafvollzug sondern stellt eine
zusätzliche, rückwirkend verhängte
Strafe dar und zwar aufgrund eines nach
Tatbegehung geänderten Gesetzes
Kafkaris -
Zypern; Urteil der Großen Kammer vom 12.2.2008,
BeschwNr. 21.906/04
Verletzung des
Art.7 EMRK betreffend die Anwendung des Gesetzes auf
den Tatzeitpunkt
Die einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen waren zum
Tatbegehungszeitpunkt nicht hinreichend präzise
formuliert, um dem Angeklagten die Reichweite der
Strafe in einem vernünftigen Ausmaß ersichtlich zu
machen.
Kononov - Lettland; Urteil
der GrK vom 17.5.2010, BeschwNr. 36.376/04
grundsätzliche Ausführungen des
Gerichtshofes zu den Prinzipien des Art. 7 EMRK
Im Gegensatz zum Urteil der
Kammer kommt die Große Kammer des EGMR zum Ergebnis,
dass keine Verletzung des Art. 7 EMRK stattgefunden
hat
Rechtsgrundlage und individuelle
strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben, keine
Verjährung
In diesem Sinne hat
der UVS des Landes Oberösterreich in einem
Erkenntnis vom 3.12.2009 in verfassungskonformer
Interpretation des
§ 1 Abs.2 VStG entschieden (Lkw-Fahrverbot auf der
B1 im Bereich Frankenmarkt, welches während
Anhängigkeit
des
Berufungsverfahrens betreffend den Ziel- und
Quellverkehr für die Gemeinde Neumarkt/Wallersee
aufgehoben worden ist).
Polednová - Tschechien;
Zulässigkeitsentscheidung vom 21.6.2011, BeschwNr.
2.615/10
Unzulässigkeit der Beschwerde
u.a. zu Art. 7 EMRK
Die Grundsätze der Gesetzlichkeit
von Straftatbeständen und Strafe wurden eingehalten
Die Strafbarkeit der Tat war dem
Beschwerdeführer zum Begehungszeitpunkt ausreichend
zugänglich und vorhersehbar.
Soros - Frankreich; Urteil
vom 6.10.2011, BeschwNr. 50.425/06
keine Verletzung des Art. 7 EMRK
das zum Tatzeitpunkt anwendbare
Recht war ausreichend vorhersehbar, um dem
Beschuldigten erkennbar zu machen, dass sein
Verhalten strafbar ist
O.H. - BRD;
Urteil vom 24.11.2011, BeschwNr. 4.646/08
willkürliche
Anhaltung für einen bestimmten Zeitraum
Sicherungsverwahrung; Verletzung des Art.5 Abs.1
Abs.4 wird daher nicht mehr geprüft),
unzulässig zu Art. 7 EMRK
Del Rio Prada -
Spanien; Urteil vom 10.7.2012, BeschwNr.
42.750/09
Die
Haftverlängerung konnte vom Beschwerdeführer zum
Tatzeitpunkt nicht vorhergesehen werden, weil diese
nur durch Änderung der Rechtsprechung möglich wurde
Verletzung des Art.
7 EMRK (vgl. auch das in diesem Fall ergangene
Urteil der GrK vom 21.10.2013)
Anordnung nach Art.
46 EMRK: der Beschwerdeführer ist binnen kürzester
Frist freizulassen
Camilleri - Malta; Urteil
vom 22.1.2013, BeschwNr. 42.931/10
Allein das Gesetz darf eine
Straftat definieren und eine Strafe dafür bestimmen
Der Gesetzestext muss ausreichend
verständlich und zugänglich sein und
Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen bieten
Es darf nicht allein der
Generalstaatsanwaltschaft obliegen, zu entscheiden,
welcher Strafrahmen zur Anwendung kommt
Verletzung des Art. 7 EMRK
Martirosyan -
Armenien; Urteil vom 5.2.2013, BeschwNr.
23.341/06
Vorhersehbarkeit
der Bestrafung, notwendige Bestimmtheit des Gesetzes
Keine Verletzung
des Art. 7 EMRK
Del Rio Prada - Spanien;
Urteil der Großen Kammer vom 21.10.2013,
BeschwerdeNr. 42.750/09
Die rückwirkende Verlängerung der
Strafhaft aufgrund geänderter Auslegung
strafgesetzlicher Bestimmungen verletzt Art.7 EMRK
Dies stellt überdies eine
unrechtmäßige Freiheitsentziehung nach Art.5 Abs.1
EMRK dar.
Glien - BRD; Urteil vom
28.11.2013, BeschwerdeNr. 7.345/12
nachträgliche
Sicherungsverwahrung im Gefängnis stellt eine
Konventionsverletzung nach Art.7 Abs.1 EMRK dar,
weiters einen Verstoß gegen Art.5 Abs.1 EMRK
Rohlena - Tschechien;
Urteil der Großen Kammer vom 27.1.2015,
BeschwerdeNr. 59.552/08
Die rückwirkende Anwendung eines
neuen Straftatbestandes hat hier zu keiner
strengeren Strafe geführt, weswegen Art.7 EMRK nicht
verletzt ist.
hier: Dauerdelikt des Missbrauchs
einer im selben Hauhalt lebenden Person nach § 215a
StGB
Vasiliauskas - Litauen;
Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2015,
BeschwerdeNr. 35.343/05
Delikt des Völkermordes wurde
rückwirkend auf einen Mitarbeiter des Geheimdienstes
angewendet. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
von 6 Jahren und zum Ersatz
an Angehörige der Getöteten des
immateriellen Schadens in der Höhe von umgerechnet €
14.500,--
Diese Verurteilung stellt einen
Konventionsverstoß nach Art.7 EMRK (9 : 8 Stimmen !)
dar, weil diese auch nicht durch Art.7 Abs.2 EMRK
gerechtfertigt werden kann.
Gouarré Patte - Andorra;
Urteil vom 12.1.2016, BeschwerdeNr. 33.427/10
Fünf Jahre Freiheitsstrafe und
Berufsverbot für einen Arzt wegen Sexualdelikten
Die Gerichte hätten die für den
Angeklagten mildere Bestimmung des § 7 Abs.3 des
neuen StGB anwenden müssen - Konventionsverletzung
nach Art.7 EMRK
Ebenso Verletzung des Art.13 iVm
Art.7 EMRK, weil der Beschwerdeführer keine
Möglichkeit hatte, diese EMRK-Verletzung
innerstaatlich geltend zu machen.
Unzulässigkeit der Beschwerde zur
Fairness nach Art.6 Abs.1 EMRK
Koprivnikar - Slowenien; Urteil vom
24.1.2017, BeschwerdeNr. 67.503/13,
Straftäter wurde für drei verschiedene Delikte zu
insgesamt 30 Jahren Haft verurteilt, obwohl das StGB
für kombinierte Strafen maximal 20 Jahre Haft
vorsah.
Die Gerichte begründen dies mit
einem Versehen des Gesetzgebers, da es nicht sein
könne, dass der Bf bereits für eines der drei
Delikte allein 30 Jahre Haft
bekommen hätte, nun aber
günstiger davon kommen sollte, wenn er daneben wegen
weiterer Delikte belangt wurde: Verletzung von Art.7
EMRK
vgl. auch: Art. 49 GRC
(Grundrechte-Charta der EU)
Artikel 49 - Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der
Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten
und Strafen
Abs.1: Niemand darf wegen einer Handlung oder
Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer
Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem
Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine
schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung
angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach
Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere
Strafe eingeführt, so ist diese zu verhängen.
Abs.2: Dieser Artikel schließt nicht aus, dass eine
Person wegen einer Handlung oder Unterlassung
verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer
Begehung nach den allgemeinen, von der Gesamtheit
der Nationen anerkannten Grundsätzen strafbar war.
Abs.3: Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat
nicht unverhältnismäßig sein.
vgl. auch: Art. 103 Abs.2
GG (Grundgesetz) der BRD:
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die
Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat
begangen wurde.
E M R K |
Art. 7 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |