e m r k . a t

 

Artikel 7 EMRK:   keine Strafe ohne Gesetz


Abs.1: Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden.
Abs.2: Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war.



In Österreich: in der Fassung BGBl. III Nr. 30/1998
vgl. auch Art. 49 der EU-GC und Art. 103 Abs.2 GG der BRD
(am Schluss dieses Artikels abgedruckt)
entspricht in etwa dem Art. 11 Nr.2 AEMR und dem Art. 15 IPbpR
 


Daraus ergibt sich das Verbot rückwirkender Strafgesetze und das Analogieverbot
Grundsatz „nulla poena sine lege“ (vgl. u.a. § 1 StGB und § 1 Abs.1 VStG) – das Prinzip der Gesetzmäßigkeit strafrechtlicher Verurteilungen und das Rückwirkungsverbot.

Der VfGH leitet daraus das so genannte Klarheitsgebot ab (vgl. VfSlg. 11.776, 13.012, 13.233 und 14.606).
Damit wird das sich bereits aus Art. 18 Abs.1 B-VG ergebende Gebot ausreichender Bestimmtheit gesetzlicher Regelungen für das Strafrecht auch auf Art. 7 Abs.1 EMRK gestützt.
Nur ein hinreichend klar und bestimmt formuliertes Gesetz darf einen Straftatbestand bilden und eine Strafe androhen.
Richterliche Auslegung ist erlaubt, findet ihre Grenze aber im Wesen des Straftatbestandes und muss ausreichend vorhersehbar sein (EGMR vom 22.11.1995, A-335 im Fall S.W.).
Dabei kommt es auf das Rechtsgebiet und auf die Zahl und den Status der Normadressaten an. Auch Richtlinien des EU-Rechts müssen ausreichend bestimmt umgesetzt werden (EGMR vom 15.11.1996 im Fall Cantoni gegen Frankreich - §§ 32ff.).

Der Begriff der Strafe deckt sich mit jenem in Art. 6 EMRK.
Er umfasst das Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht (Ordnungswidrigkeitenrecht), aber auch das Disziplinarstrafrecht (VfSlg. 11.776 und 13.012), nicht etwa aber administrative (präventive) Maßnahmen wie die Entziehung einer Gewerbe- oder anderen Berechtigungen wie ein kurzfristiger, vorübergehender Führerscheinentzug oder eine Ausweisung, ein Aufenthaltsverbot, Eintragung in das Strafregister etc., ebenso wenig Freisprüche, verfahrensleitende Beschlüsse oder Entscheidungen im Strafvollzug.
(vgl. EGMR vom 1.7.1961, A-3, im Fall Lawless (Nr.3) gegen Irland – keine Verletzung; präventive Inhaftierung eines IRA-Mitglieds in einem Militärlager ohne Gerichtsverfahren).

Schwierig sind die Nebenfolgen einer Straftat einzureihen (Strafe oder Maßnahme).
Die Einziehung von Vermögen als Folge eines Suchtgiftdelikts wird als Strafe angesehen (EGMR vom 9.2.1995, A-307, im Fall Welch gegen UK – Verletzung des Art. 7 EMRK).

Die rückwirkende Anwendung eines Strafgesetzes zu Gunsten des Beschuldigten ist zulässig (EGMR vom 27.9.1995, ÖJZ 1996, 150 sowie VfSlg. 14.324).

Besondere Bedeutung hatte Art. 7 EMRK in den Strafverfahren gegen Funktionäre, Befehlshaber und Grenzsoldaten der ehemaligen DDR. Der EGMR geht davon aus, dass die damalige Grenzsicherungspolitik gegen höchstrangige Werte, Menschenrechte (offenbarer Widerspruch zu den Menschenrechten) verstieß, weswegen sich die dafür Verantwortlichen nicht mit Erfolg auf diese Bestimmung stützen können (EGMR vom 22.3.2001 in den Fällen Streletz, Kessler und Krenz).

E M R K

Art. 7

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RA Dr. Postlmayr


Der Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ geht auf Locke (1690: two treatises of Government) und Montesquieu (1748: vom Geist der Gesetze) zurück, dass Gesetze als Ausdruck der Vernunft Freiheit schaffen und die Sicherheit, sie gebrauchen zu können.
Beschränkungen der Freiheit der Bürger dürfen nicht weiter gehen als dies in den Gesetzen vorgesehen ist, Unrechtsfolgen müssen vorhersehbar sein (Beccaria 1766: Über Verbrechen und Strafen).
Der Ausdruck „nulla poena sine lege“ als Schranke stattlicher Willkür stammt von Anselm Feuerbach (1801: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts).
1776 kam dieser Grundsatz als Rückwirkungsverbot erstmals in eine Verfassung (Maryland) und so 1787 in amerikanische Bundesverfassung – ex post facto-law.
1789: Art.8 declaration des droits de l´homme et du citoyen.
1791 erstmals in der französischen Verfassung.

Zum „Recht“ iSd Art. 7 EMRK gehört nicht nur das von einem Parlament geschaffene Gesetz sondern auch der richterrechtlich entwickelte Straftatbestand des common law (EGMR vom 22.11.1995 im Fall S.W. gegen das Vereinigte Königreich, A-335-B, §§ 34ff. sowie C.R. gegen das Vereinigte Königreich, A-335-C, §§ 32ff.).
Art. 103 Abs.2 GG stellt sicher, dass der parlamentarische Gesetzgeber als Vertreter des Volkes, nicht jedoch die Rechtsprechung oder gar die Exekutive über die Strafbarkeit entscheidet (BVerfGE 47, 109 u.a.).

Völkerrecht reicht als Grundlage der Strafbarkeit aus (ratifizierte Konventionen; Völkergewohnheitsrecht ohne Rücksicht auf Inkorporation ins innerstaatliche Recht).

Art. 7 Abs.2 EMRK lässt es genügen, dass die Tat zum Begehungszeitpunkt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen strafbar war; diese Formel ist wörtlich dem Art. 38 Abs.1 lit.c IGH-Statut entnommen.
Darunter sind Rechtsgrundsätze zu verstehen, die sich im Wege der Rechtsvergleichung in allen Rechtskreisen auffinden lassen.

Art. 7 EMRK ist ein Recht des Einzelnen gegen den Staat (Gesetzgebung und Rechtsprechung). Privatrechtliche Sanktionen (etwa Vertragsstrafen oder Maßnahmen von Vereinen und Verbänden) sind nur erfasst, wenn sie dem Staat zuzurechnen sind (siehe die Rechtsprechung zu Art. 103 GG).

Der Vorbehalt der BRD zu Art. 7 EMRK stellt klar, dass völkerrechtliche Verträge und Völkergewohnheitsrecht allein keine Strafbarkeit begründen können.

Art. 7 EMRK verlangt die gesetzliche Bestimmtheit der Straftatbestände und der hiefür vorgesehenen, angedrohten Strafen (nulla poena sine lege certa).

Die gesetzlichen Vorschriften müssen erkennen lassen, welche konkreten Handlungen strafbar sind (EGMR Yearbook 17 (1974), 228, 290; EGMR vom 26.4.1979, A-30, im Fall Sunday Times (Nr.1) gegen UK sowie vom 24.3.1988, A-130, im Fall Olsson (Nr. 1) gegen Schweden sowie vom 13.7.1995, A-316, im Fall Miloslavsky gegen UK; EuGH Slg. 1990, § 9 im Fall Vandemoortele NV gegen die Kommission betreffend Bestimmtheit eines Kautionsverfalls).
Das Gesetz muss zugänglich sein und dem Adressaten eine klare Vorstellung darüber geben, welche Folgen mit seinem Tun verbunden sind.
Die Kriterien der Klarheit, Zugänglichkeit und Vorhersehbarkeit schließen aber die Verwendung von gesetzlichen Vermutungen und unbestimmter Rechtsbegriffe nicht aus, die überwiegende Mehrheit der Fälle muss aber eindeutig einer konkreten Bestimmung subsumierbar sein (EGMR (Große Kammer) vom 15.11.1996 im Fall Cantoni gegen Frankreich betreffend Apothekenmonopol - §§ 32ff.).

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Art. 7

E G M R

RA Dr. Postlmayr


Im Zweifel ist die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung oder die Erkundigung bei der zuständigen Stelle zumutbar (EGMR vom 28.3.1990, A-173 im Fall Groppera Radio gegen die Schweiz - § 68).

Bei Angehörigen bestimmter Berufsgruppen kann besondere Fachkenntnis angenommen werden, wenn diese notwendig ist, die an sie adressierten Vorschriften zu verstehen (X gegen Österreich (Lebensmittelhandel), G gegen Liechtenstein (Immobilienkauf), Willy Delande (Rechtsanwalt und Richter für Handelssachen im Nebenamt), Groppera Radio AG gegen die Schweiz (Betreiber eines Rundfunksenders und Telekommunikationsrecht), Klein Poelhuis (Landwirt), Cantoni gegen Frankreich (Arzneimittel); BVerfGE 48, 48 (57)).

Vom EGMR wird die Einhaltung des Art 7 EMRK danach beurteilt, ob die Gesetzesauslegung nachvollziehbar ist und die angeführten Gründe überzeugend sind (Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 27.2.1997 im Fall Sassmann gegen Österreich BeschwNr. 23.697/94 betreffend §§ 282 und 282 Abs.1 StGB – Aufforderung zu einer strafbaren Handlung; unzulässig).

Art. 7 EMRK erlaubt die Anwendung ausländischen Strafrechts nicht.
EG-Recht, welches von Strafbestimmungen aufgenommen und von den Gerichten angewendet wird, zählt zum innerstaatlichen Recht, nationales Recht kann daher eine Richtlinie der EU wörtlich übernehmen (EGMR vom 15.11.1996 im Fall Cantoni gegen Frankreich - §§ 32ff.).

Verbot extensiver Auslegung von Straftatbeständen und der Analogie zu Lasten des Beschuldigten (EGMR vom 7.2.2002 im Fall E.K. gegen die Türkei, BeschwNr. 28.496/95; Verletzung des Art. 7 EMRK).

Wenn dies im Gesetz vorgesehen ist, so ist es zulässig, wenn im Fall einer neuerlichen Straftat die Strafe aus der ersten Verurteilung verschärft wird.
Eine andere, strengere Bewertung der Rechtslage durch das Gericht nach Tatbegehung ist unzulässig (X gegen Österreich, EKMR Yearbook 13 (1970), 798).

Eine Pflicht zur Normierung der Verjährung gibt es nicht (Fall Francis Schertenleib gegen die Schweiz; EKMR vom 1.7.1992 – unzulässig; BeschwNr. 14.938/89).


Die österreichische Rechtsprechung zu Art. 7 EMRK:

Verfassungsgerichtshof:


B 776/09 vom 1.10.2009; Tabakgesetz – Nichtraucherschutz; Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (Punkt 3.2.) geht auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der angefochtene Bescheid gegen Art.7 EMRK verstoße, weil darin keine konkreten Rechtspflichten dargelegt würden, gegen die der Beschwerdeführer verstoßen hätte, und die von der belangten Behörde angeführten Obliegenheiten, Personal in geeigneter Weise zu informieren und anzuweisen, Raucherinnen und Rauchern das Rauchen zu verbieten, auf das Rauchverbot hinzuweisen und keine Aschenbecher auf Tischen aufzustellen, sich nicht im Gesetz fänden, ins Leere.

B 559/08 vom 2.7.2009; § 99 StVO - §§81, 88 + 94 StGB; Art 7 EMRK enthält das (historisch und systematisch) verwandte strafrechtliche Rückwirkungsverbot. Der Schutzbereich wird auch dort mit dem Begriff der "(criminal) offence" umschrieben. Auch ist auf andere internationale Dokumente des Menschenrechtsschutzes hinzuweisen, die Anhaltspunkte für die Auslegung liefern können, dies zumal dann, wenn ein Großteil der Mitgliedstaaten der EMRK auch Partei eines Vertrags mit vergleichbarem Wortlaut ist (vgl. nur die Bezugnahme des EGMR im Fall Pellegrin, EGMR 8.12.1999 [GK], Appl. 28.541/95, ÖJZ 2000, 695, Z37 ff., 66, auf Art39 EGV; oder im Fall Jersild, EGMR 23.9.1994 [GK], Z36/1993/431/510, ÖJZ 1995, 227, Z21 ff., 31 auf völkerrechtliche Instrumente im Rahmen der Vereinten Nationen gegen rassische Diskriminierung). Während die europäischen und universellen Menschenrechtsgarantien (Art14 Abs7 des UN-Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte, Art50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) den gleichlautenden Begriff "offence" aufweisen, findet sich in Art54 Schengener Durchführungsübereinkommen ("acts", "Taten"), in Art20 Abs1 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes ("crimes") und in Art8 Abs4 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ("cause") ein Wortlaut, der auf die "Straftaten" Bezug nimmt.
B 1381/07 vom 23.9.2008; §9 RAO; §§ 1+2 DSt; der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung des durch Art.7 EMRK gewährleisteten Klarheitsgebotes, weil er bestraft wurde, obwohl sich die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens weder aus gesetzlichen Regelungen noch aus verfestigten Standesauffassungen ergebe. Wie der Gerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung wegen Berufspflichtenverletzung und wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.
G 240/07 vom 27.6.2008; § 18 AusländerbeschäftigungsG; der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip ausgesprochen, dass der Gesetzgeber klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen hat, wo er strafen will, und dass die Rechtsordnung dem Einzelnen die Möglichkeit geben muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg. 12.947 mwN). Auch Art.7 EMRK schließt das Gebot in sich, Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass es dem Einzelnen möglich ist, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren (VfSlg. 11.776 mwH). Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ist ganz allgemein - und zwar auch im Zusammenhang mit Verwaltungsstraftatbeständen - davon auszugehen, dass Art18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (VfSlg. 13.785 und 16.993). Abweisung der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes.

VfSlg. 18.065; Disziplinarverfahren; Der Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den von der belangten Behörde festgelegten Kosten des Disziplinarverfahrens um keine Strafe iSd. Art.7 EMRK handelt.

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Art. 7

V f G H

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VfSlg. 18.002; Disziplinarverfahren; Eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes muss sich auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wofür Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen (VfSlg. 11.776). Dem aus Art.7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.

VfSlg. 17.449; Art. 249 EG; § 23 GüterbeförderungsG; der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0194 einen Verstoß der Blankettstrafnorm des §23 Abs1 Z8 (jetzt Z9) GütbefG, idF BGBl. I 17/1998 (eine Verwaltungsübertretung begeht, wer "unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist"), gegen Art18 Abs1 B-VG oder Art7 EMRK nicht angenommen: Den vorliegend maßgeblichen unmittelbar anwendbaren Verordnungsbestimmungen sei das vom Normunterworfenen geforderte Verhalten eindeutig zu entnehmen, sodass jeder berechtigte Zweifel des Normunterworfenen über den Inhalt seines pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen sei. Abweisung der Beschwerde.


VfSlg. 16.773; § 84 Abs.2 StVO – Gesetzesprüfungsantrag des UVS Oö.; Soweit der UVS aber - über die erwähnte Kritik an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinausgehend - auf den Inhalt der Verbotsnorm des § 84 Abs.2 StVO an sich Bezug nimmt, indem er vorbringt, die Vorschrift des § 84 Abs.2 StVO weise keinen - im Lichte der Erfordernisse des Art.18 B-VG (bzw. des Art.7 EMRK) - hinreichend bestimmten Inhalt auf, so ist ihm zu entgegnen, dass er sich mit diesem Vorbringen im Widerspruch zu seinen eigenen Behauptungen befindet, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Der Sache nach wird nämlich im Antrag selbst behauptet, dass die angefochtene Norm einen eindeutigen Inhalt aufweise; der UVS legt auch ausführlich dar, wie die Vorschrift zu verstehen sei. Diesem Auslegungsergebnis, das sich nach Ansicht des UVS bereits aus dem klaren Wortlaut ergebe, stehe lediglich die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, dessen Auslegung der UVS für nicht vertretbar erachtet. Abweisung des Antrages des UVS.

VfSlg. 12.947: die Bestimmung des § 320 Abs.1 Z.3 StGB ist nicht wegen ihres Charakters als Blankettstrafnorm und als dynamische Verweisung in einer dem Art.7 Abs.1 EMRK bzw. dem Art.18 Abs.1 B-VG widersprechenden Weise unbestimmt.

VfSlg. 12.652: der Umstand, dass der Kürzung der Bezüge der Charakter einer Strafe mangelt, entzieht dem Beschwerdevorwurf, dass §150 RDG idF Art. I Z. 5 BGBl 259/1990 dem in Art.7 EMRK festgelegten Verbot der Erlassung rückwirkender Strafgesetze und dem aus dieser Verfassungsnorm abzuleitenden Gebot ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit strafrechtlicher Regelungen zuwiderlaufe, von vornherein den Boden.

VfSlg. 11776; § 2 DSt (Disziplinarstatut der Rechtsanwälte; grundlegende Entscheidung des VfGH zu Art. 7 EMRK);
fehlt es - wie im angefochtenen Disziplinarerkenntnis – am entsprechend konkretisierten Vorwurf der Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes, so liegt mit Rücksicht auf die Bedeutung des Art7 MRK ein willkürliches Verhalten der Behörde vor. Dem sich aus Art.7 EMRK ergebenden Gebot entspricht die Behörde auch dann nicht, wenn sie - statt zu benennen, gegen welche konkrete Berufs- oder Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - sich mit Rechtsprechungshinweisen begnügt. Missachtung des Gebots des Art.7 EMRK durch mangelnde Konkretisierung des Vorwurfs der Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes.
Zur Zulässigkeit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch den Gesetzgeber. Das in Art.7 EMRK enthaltene Klarheitsgebot hat zum Ziel, dem einzelnen Orientierung seines Verhaltens am Gesetz zu ermöglichen

VfSlg. 11.352; § 5 RL-BA 1977 wurde keineswegs rückwirkend in Kraft gesetzt. Diese Standesvorschrift trifft vielmehr lediglich eine Anordnung, die schon vorher aus dem Gesetz unmittelbar abzuleiten war. Auch von einer Verletzung "des Verbotes rückwirkender Pönalisierung" kann daher keine Rede sein.

VfSlg. 11.212: auch bei diesem Inhalt des Gesetzes bestehen - unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles - gegen § 31 Abs.3 VStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken; insbesondere erblickt der Verfassungsgerichtshof nicht den vom Beschwerdeführer angenommenen - Widerspruch zu Art.7 Abs.1 EMRK; diese – in Verfassungsrang stehende - Bestimmung bezieht sich auf das Verbot rückwirkender Strafbestimmungen und rückwirkender Strafverschärfungen, nicht aber auf Vorschriften über Verjährungsfristen. Art.7 Abs.1 EMRK stellt für den Bereich des Verwaltungsstrafrechtes die explizite verfassungsrechtliche Garantie dessen dar, was einfachgesetzlich in § 1 VStG enthalten ist (Ermacora/Nowak/ Tretter, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Wien 1983, S. 368, 4.1.).

E M R K

Art. 7

V f G H

RA Dr. Postlmayr


VfSlg. 10.237; Salzburger Seenschutzverordnung 1971; Verstoß gegen §3 Abs1 Z1 durch Abstellen eines PKW in der geschützten Uferzone; keine Bedenken gegen § 3 Abs.1 Z.1; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch eine denkunmögliche oder willkürliche Vorgangsweise sowie durch gravierende Verfahrensmängel; kein Verstoß gegen Art.5, 6 und 7 MRK

VfSlg. 8903; wenn es auch verfassungsrechtlich zulässig ist, die Normierung von Elementen strafbarer Tatbestände durch Verordnung vorzunehmen, sofern eine dem Art.18 B-VG entsprechende Grundlage in einem Gesetz gegeben ist (vgl. hiezu VfSlg. 6842), so muss doch in jedem Fall, in dem zwischen das Gesetz und den individuellen Vollziehungsakt (Urteil, Bescheid) eine Verordnung tritt, an diese die Anforderung einer eindeutigen Umschreibung der als Elemente eines strafbaren Tatbestandes in Betracht kommenden Begriffe gestellt werden. Es darf nicht der individuellen Vollziehung überlassen bleiben, eine im Wortlaut eindeutige Strafnorm ergänzend oder berichtigend auszulegen ("nulla poena sine lege"; vgl. zur Unzulässigkeit einer Auslegung zum Nachteil eines Beschuldigten z.B. OGH 17. 9. 1975, 9 Os 83 - 85/75, ÖRZ 1976 S. 37; OGH 21. 4. 1977, 12 Os 9/77 vS, ÖRZ 1977, S. 131 ff.). Eine extensive Auslegung eines Strafgesetzes in malam partem würde auch gegen die der österreichischen Verfassungsordnung angehörende Bestimmung des Art.7 EMRK verstoßen (vgl. Europäische Kommission für Menschenrechte Entscheidung 24. 9. 1963, Requete No. 1169/61, Slg. des Europarates Band 13 S 39 f.; Entscheidung 22. 4. 1965, Application No. 1852/63, Slg. des Europarates Band 16 S 38 f.).


Verwaltungsgerichtshof:
 

2010/02/0237 vom 26.11.2010; § 113 KFG - § 13a Abs.2 FSG-DV; Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters; den Anforderungen des § 1 Abs.1 VStG und Art. 7 EMRK wird § 113 Abs. 2 KFG, der von der belangten Behörde in der erstatteten Gegenschrift als Rechtsgrundlage für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers im vorliegenden Beschwerdefall angeführt wird, im Hinblick auf das Erfordernis der Normierung einer besonderen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters nicht gerecht. Auch in Verbindung mit § 113 Abs. 1 KFG ist eine solche Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters nicht zu erkennen.

2008/18/0469 vom 11.5.2009; eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 fällt nicht unter das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK, da diese Bestimmung in sachlicher Hinsicht auf Verurteilungen und die Verhängung von Strafen beschränkt ist.


2007/21/0421 vom 23.10.2008;anders als § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG 1997 sieht § 61 Z 4 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen FrPolG 2005 eine Ausnahme hinsichtlich der Unzulässigkeit von Aufenthaltsverboten gegen Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig im Bundesgebiet niedergelassen sind, (ua) für den Fall vor, dass der Fremde wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Im Hinblick auf den erwähnten Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung hat sie die Behörde bei im Jahre 2006 erlassenen Bescheiden anzuwenden. Eine ausdrückliche (Übergangs)Regelung, dass diese Norm auf vor dem Inkrafttreten des FrPolG 2005 verwirklichte Sachverhalte nicht anzuwenden wäre, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies widerspricht nicht dem - im Verfassungsrang stehenden - nur für Strafen geltenden Rückwirkungsverbot des Art. 7 MRK, sodass auch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung nicht geboten erscheint. Abweisung der Beschwerde.


2003/10/0018 vom 12.9.2005; Übertretung des § 58 Salzburger NaturschutzG; die Rechtsordnung muss dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns oder Unterlassens eindeutig zu erkennen. Strafbestimmungen müssen daher unzweideutig sein und dürfen beim Normadressaten so wenig Zweifel wie möglich entstehen lassen. Der Gesetzgeber hat die Elemente eines strafbaren Tatbestandes genau zu umschreiben und darf es nicht der individuellen Vollziehung überlassen, eine Strafnorm ergänzend auszulegen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, § 1 VStG, E 7 - 15 referierte Rechtsprechung; zu dem aus Art. 18 Abs. 1 B-VG und Art. 7 EMRK entwickelten "Klarheitsgebot" vgl. grundlegend VfSlg. Nr. 11776/1988). Aufhebung des Bescheides des UVS Salzburg.


2001/03/0238 vom 26.4.2005; der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass § 138 Abs. 2 lit. a Salzburger Jagdgesetz 1993 wegen der darin enthaltenen demonstrativen Aufzählung von Rechtsvorschriften den Art. 7 und 18 B-VG sowie dem Art. 7 EMRK zuwiderlaufen würde.


VwGH vom 4.10.2006, 2006/18/0282; dem NAG (Niederlassungs- und AufenthaltsG) 2005 ist weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte etwa die Bestimmungen des § 14 Abs. 2 FrG 1997, des § 10 Abs. 4 FrG 1997 oder des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG 1997 anzuwenden wären. Auch handelt es sich bei dem Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung nicht um eine Strafe iSd Art. 7 EMRK (VwGH vom 17.12.2001, 99/18/0432, zu § 114 FrG 1997).

VwGH vom 12.9.2005, 2003/10/0018; die Rechtsordnung muss dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns oder Unterlassens eindeutig zu erkennen. Strafbestimmungen müssen daher eindeutig sein und dürfen beim Normadressaten so wenig Zweifel wie möglich entstehen lassen. Der Gesetzgeber hat die Elemente eines strafbaren Tatbestandes genau zu umschreiben und darf es nicht der individuellen Vollziehung überlassen, eine Strafnorm ergänzend auszulegen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, § 1 VStG, E. 7 – 15 referierte Rechtsprechung; zu dem aus Art. 18 Abs. 1 B-VG und Art. 7 EMRK entwickelten "Klarheitsgebot" vgl. grundlegend VfSlg. Nr. 11.776).

VwGH vom 26.4.2005, 2001/03/0238; der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass § 138 Abs. 2 lit. a Salzburger JagdG 1993 wegen der darin enthaltenen demonstrativen Aufzählung von Rechtsvorschriften den Art. 7 und 18 B-VG sowie dem Art. 7 EMRK zuwiderlaufen würde.
 

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Art. 7

V w G H

RA Dr. Postlmayr


VwGH vom 25.1.2005, 2004/02/0284; das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg. 13785). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066, mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG 1967 nicht gerecht.


VwGH vom 16.12.2004, 2002/07/0140; gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach Art. 7 Abs. 1 erster Satz EMRK kann niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Hier: angelastete Übertretung des Oö. AWG.
Nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts verlangt das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG für Strafbestimmungen aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens. Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (VwGH vom 23. Mai 2002, 99/03/0144, und vom 24. Februar 2004, 2003/05/0234, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 177/02, u.a.). Eine Verbotsnorm muss daher einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann. Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

VwGH vom 26.3.2004, 2003/02/0202; das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. VfSlg. 13.785). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066, mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG 1967 nicht gerecht

VwGH vom 24.2.2004, 2003/05/0234 und 0235; § 3 Bgl. BauG; § 17 BauV; im Hinblick auf § 1 Abs. 1 VStG darf einer Strafbestimmung keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. Die Heranziehung einer verletzten Verwaltungsvorschrift, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch nicht galt, würde auch gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK verstoßen (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anm. 2 zu § 1 VStG, S. 1189).

VwGH vom 3.9.2003, 2001/03/0160; beim Verwaltungsgerichtshof sind aus den Erwägungen in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, 2001/03/0194, keine Bedenken dahin entstanden, dass § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG als Blankettstrafnorm, die zudem eine dynamische Verweisung beinhalte, wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip sowie gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK verstoße.

 

VwGH vom 23.5.2002, 99/03/0144; § 108 Abs.2 KFG; § 1 Abs.1 VStG - Art. 7 EMRK; Erteilung von Fahrschulunterricht ohne Berechtigung; keine Strafbarkeit nach § 108 KFG

VwGH vom 29.4.2002, 2000/03/0066; das in Art. 7 MRK normierte Grundrecht zählt zu den Grundrechten, die der EuGH im Einklang mit den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten mit den völkerrechtlichen Verträgen, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, zu wahren hat, und die die Europäische Union nach Art. 6 Abs. 2 des EU-Vertrages achtet (Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 2. Auflage, Wien 2001, 92). Unter Bedachtnahme auf Art. 7 MRK wird demnach die richtlinienkonforme Auslegung von Strafvorschriften auch durch das Rückwirkungs- und Analogieverbot sowie das Verbot einer exzessiven Interpretation begrenzt, eine richtlinienkonforme Auslegung von Strafvorschriften findet ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teile des Gemeinschaftsrechts sind, insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot; vgl. EuGH Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969, Rz. 13; EuGH Rs. C-168/95 (Arcaro), Slg. 1996, I-4705, Rz. 42.

VwGH vom 20.4.2001, 2000/02/0281; eine "Blankettstrafnorm" ist eine Norm, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie selbst keine Tatbilder enthält, sondern auf andere Vorschriften verweist, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden (VwGH vom 22.4.1997, 94/11/0303 bis 0313). Eine derartige Verweisung liegt im Falle des § 105 Abs. 7 ADNSchV jedoch nicht vor; zu interpretieren ist allein der Begriff der "ähnlichen Betriebsstätte".
 

E M R K

Art. 7

V w G H

RA Dr. Postlmayr


VwGH vom 21.6.2000, 99/09/0028; auch im Disziplinarverfahren gilt der (strafrechtliche) Grundsatz, dass nur wegen einer Tat bestraft werden darf, die im Zeitpunkt der Tat strafbar war. Ändert sich zwischen der Tat und der Verfolgung die Rechtslage, so gilt im Falle der Strafbarkeit nach beiden Rechtslagen das Günstigkeitsprinzip, das heißt, dass jene Normen zur Anwendung gelangen, die in ihrer Gesamtschau für den Beschuldigten günstiger sind. Dabei sind die alte und die neue Rechtslage einander gegenüberzustellen (hier betreffend die Wr. DO 1966 und die Wr. DO 1974).

VwGH vom 16.12.1997, 96/09/0149; für jene Tathandlungen, die vor der Ernennung zum Beamten als Vertragsbediensteter gesetzt wurden und abgeschlossen waren, kommt eine Bestrafung nach dem BDG 1979 nicht in Frage. Denn eine (straf)rechtliche Sanktion (Strafe oder vorbeugende Maßnahme) darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrücklich gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (§ 1 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 VStG, vgl. auch Art 7 Z 1 MRK). Ausdruck des Prinzips nullum crimen sine lege ist daher vor allem das Analogieverbot, jener des Prinzips nulla poena sine lege das Rückwirkungsverbot. Eine Verhaltensweise, die zur Zeit ihrer Setzung nicht ausdrücklich unter eine gesetzliche Strafsanktion fiel, darf daher weder eine Strafe noch eine vorbeugende Maßnahme zur Folge haben. Das VBG enthält jedoch keine dem § 91 BDG 1979 vergleichbare Bestimmung noch eine mit einem der Tatbestände des § 92 BDG 1979 vergleichbare.

VwGH vom 19.3.1996, 94/11/0223; wenn - wie im Falle des § 28 Abs. 1 AZG vor der Novelle 1994 - auf Vorschriften eines Gesetzes oder einer Verordnung verwiesen wird, kommen als Übertretungsnormen nur solche in Betracht, die dem Normadressaten ein ausreichend genau umschriebenes Verhalten verbieten oder gebieten (vgl. zur Blankettstrafnorm des § 30 KJBG, VwGH vom 4.2.1993, 91/19/0093). Dies ist bei § 9 AZG und § 12 Abs. 1 AZG unzweifelhaft der Fall. Dass andere Vorschriften des AZG, etwa § 10 AZG über die Überstundenentlohnung, allenfalls nicht als Übertretungsnorm in Betracht kommen (zur vergleichbaren Bestimmung des § 14 KJBG, VwGH vom 4.2.1993), macht die Blankettstrafnorm des § 28 Abs. 1 AZG nicht schlechthin unanwendbar (zur verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmung Hinweis E VfGH 17.6.1995, B 2343/94 und B 2713/94).

VwGH vom 20.6.1999, 89/02/0120; ein allgemeines, die Verjährungsbestimmungen erfassendes Günstigkeitsprinzip, lässt sich auch aus Art 7 Abs. 1 EMRK nicht ableiten (VwGH vS vom 5.11.1987, 86/02/0171, VwSlg. 12570/A; VfGH 26.2.1987, B 295/86, VfSlg. 11.212).

VwGH vom 16.12.1987, 87/02/0073; § 31 Abs. 3 VStG ist auch auf Straftaten anzuwenden, die vor dem 1.8.1984 (Inkrafttreten dieser Bestimmung) begangen worden sind, vorausgesetzt, dass in diesem Zeitpunkt die Tat (nach der früher bestehenden Rechtslage) noch nicht verjährt und das verwaltungsgerichtliche Verfahren (zumindest teilweise) nach diesem Zeitpunkt anhängig war. § 1 Abs. 2 VStG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Ein allgemeines (die Verjährungsbestimmungen erfassendes) Günstigkeitsprinzip lässt sich auch aus Art 7 Abs. 1 EMRK nicht ableiten (VwGH vom 3.5.1985, 85/02/0163).

E M R K

Art. 7

V w G H

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Die  Judikatur des  E G M R  zu Art. 7 EMRK:
 

Lawless – Irland; Urteil vom 1.7.1961, A-3

Beschwerde-Nr. 332/57; keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Weiters keine Verletzung der Art. 5, 6 und 15 EMRK

 

De Wilde, Ooms + Versyp – Belgien (vagrancy cases); Urteil vom 18.6.1971

A-12; Beschwerde-Nr. 2832/66, 2835/66 und 2899/66

Verletzung des Art. 5 Abs.4 EMRK; Entscheidung nach Art. 50 EMRK (gerechte Entschädigung vorbehalten); keine Verletzung der Art. 3, 4, 5 Abs.1 und 8 EMRK

Art. 7 EMRK auf diesen Fall nicht anwendbar.

 

Moustaquim – Belgien; Urteil vom 18.2.1991, A-193

Beschwerde-Nr. 12.313/86; Verletzung des Art. 8 EMRK

Art. 7 EMRK wird daher nicht mehr geprüft.

 

Kokkinakis – Griechenland; Urteil vom 25.5.1993, A-260-A

Beschwerde-Nr. 14.377/88 – keine Verletzung des Art. 7 EMRK

nulla poena sine lege

Verletzung des Art. 8 EMRK, weswegen Art. 9, 10 und 14 nicht mehr geprüft werden.

 

Welch – United Kingdom; Urteil vom 9.2.1995, A-307-A

Beschwerde-Nr. 17.440/90 – Verletzung des Art. 7 Abs.1 EMRK – Rückwirkung

 

Jamil – Frankreich; Urteil vom 8.6.1995, A-320

Beschwerde-Nr. 15.917/89 – Verletzung des Art. 7 EMRK

nulla poena sine lege – Rückwirkung von Strafgesetzen

 

E M R K

Art. 7

E  G  M  R

RA Dr. Postlmayr

G. – Frankreich; Urteil vom 27.9.1995, A-325-B

Beschwerde-Nr. 15.312/89; nulla poena sine lege

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

 

C.R. – United Kingdom; Urteil vom 22.11.1995, A-335-C

Beschwerde-Nr. 20.190/92 – keine Verletzung des Art. 7 EMRK

nulla poena sine lege

 

S.W. – United Kingdom; Urteil vom 22.11.1995; A-335-B

Beschwerde-Nr. 20.166/92 – keine Verletzung des Art. 7 EMRK

nulla poena sine lege

 

Cantoni – Frankreich; Urteil vom 15.11.1996; Beschwerde-Nr. 17.862/91

keine Verletzung des Art. 7 EMRK - nulla poena sine lege

 

Grigoriades – Griechenland; Urteil vom 25.11.1997, Beschwerde-Nr. 24.348/94

keine Verletzung des Art. 7 EMRK - nulla crimen sine lege

Verletzung des Art. 10 EMRK

 

Larissis – Griechenland; Urteil vom 24.2.1998; Beschwerde-Nr. 23.372/94 u.a.

keine Verletzung des Art. 7 EMRK, aber des Art. 9, Art. 10 wird daher nicht mehr geprüft.

 

Baskaya + Okcuoglu – Türkei; Urteil vom 8.7.1999

Beschwerde-Nr. 23.536/94 + 24.408/94

keine Verletzung des Art. 7 EMRK betreffend Erstbeschwerdeführer

Verletzung des Art. 7 EMRK betreffend Zweitbeschwerdeführer

Weiters Verletzung der Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK, weswegen Art. 6 Abs.2  und art. 14 EMRK nicht mehr geprüft wird.

 

Erdogdu + Ince – Türkei; Urteil vom 8.7.1999

Beschwerde-Nr. 25.067/94 + 25.068/94

keine Verletzung des Art. 7 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK

 

Coeme u.a. – Belgien; Urteil vom 22.6.2000; Beschwerde-Nr. 32.492/96 u.a.

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK, weswegen Art. 6 Abs.2+3, 13 und a4 nicht mehr geprüft werden.

 

E.K. – Türkei; Urteil vom 22.6.2000; Beschwerde-Nr. 28.496/95

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Ebenso Verletzung der Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK

 

E M R K

Art. 7

E G M R

RA Dr. Postlmayr

Ecer + Zeyrek – Türkei; Urteil vom 27.2.2001

Beschwerde-Nr. 29.295/95 u.a.

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

 

K-H. W. – BRD; Urteil vom 22.3.2001

Beschwerde-Nr. 37.201/97

keine Verletzung des Art. 7 sowie des Art. 14 (iVm Art. 7) EMRK

 

Streletz, Kessler + Krenz – BRD; Urteil vom 22.3.2001

Beschwerde-Nr. 34.044/96 u.a.

keine Verletzung des Art. 7 sowie des Art. 14 (iVm Art. 7) EMRK

 

Sadak u.a. – Türkei; Urteil vom 11.6.2002; Beschwerde-Nr. 25.144/94 u.a.

Verletzung des Art. 3 des 1. ZP zur EMRK

Es ist daher nicht mehr nötig, die Frage der Verletzung des Art. 7 (auch der Art. 9, 10, 11, 14 und 6 Abs.1) zu prüfen.

 

Veeber (Nr.2) – Estland; Urteil vom 21.1.2003; Beschwerde-Nr. 45.771/99

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen

 

Gökceli – Türkei; Urteil vom 4.3.2003; Beschwerde-Nr. 27.215/95

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Verletzung des Art. 10 EMRK, keine Verletzung des Art. 6 Abs.2 EMRK

 

Grava – Italien; Urteil vom 10.7.2003; Beschwerde-Nr. 43.522/98

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Verletzung des Art. 5 Abs.1 EMRK

Nicht nötig, auch Art. 13 EMRK zu prüfen.

 

Gabarri Moreno – Spanien; Urteil vom 22.7.2003;

Beschwerde-Nr. 68.066/01 – Verletzung des Art. 7 EMRK

nulla poena sine lege; Grundsatz der Rechtssicherheit

Auch die Oberstaatsanwaltschaft hatte eine geringere Strafe beantragt, welche dem Gesetz entsprochen hätte

 

Yurtseven u.a. – Türkei; Urteil vom 18.12.2003; Beschwerde-Nr. 31.730/96

Streichung aus der Liste nach Vergleich

 

Puhk – Estland; Urteil vom 10.2.2004; Beschwerde-Nr. 55.103/00

Verletzung des Art. 7 EMRK - nulla poena sine lege

€ 3.000,-- Ersatz für immateriellen Schaden 

 

Radio France – Frankreich; Urteil vom 30.3.2004; Beschwerde-Nr. 53.984/00

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Auch keine Verletzung der Art. 6 Abs.2 und Art. 10 EMRK

 

Kalin – Türkei; Urteil vom 10.11.2004; Beschwerde-Nr. 31.236/96

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Verletzung der Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK

Nicht nötig, bei diesem Ergebnis auch Art. 14 EMRK zu prüfen.

 

E M R K

Art. 7

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RA Dr. Postlmayr

 

K.A. + A.D. – Belgien; Urteil vom 17.2.2005; Beschwerde-Nr. 45.558/99

keine Verletzung der Art. 6 Abs.1, 7 und 8 EMRK

Waffengleichheit und nulla crimen sine lege

 

Kolu – Türkei; Urteil vom 2.8.2005; Beschwerde-Nr. 35.811/97

Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3: fair, Recht auf Verteidiger und Zeugeneinvernahme, nulla poena sine lege

Nicht nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen

 

Öztürk – Türkei; Urteil vom 4.10.2005; Beschwerde-Nr. 29.365/95

Verletzung des Art. 7 EMRK; die Bestrafung eines Buchverlegers konnte sich nicht ausreichend auf das Gesetz stützen.

Ebenfalls Verletzung des Art. 10 EMRK, nicht mehr nötig, auch Art. 1 des 1. ZP zur EMRK zu prüfen.

 

Dogan u.a. – Türkei; Urteil vom 10.1.2006; Beschwerde-Nr. 50.693/99

Verletzung der Art. 10 und 13 (effektives Rechtsmittel) EMRK

Nicht nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen

 

Achour – Frankreich; Urteil der Großen Kammer vom 29.3.2006, Beschwerde-Nr. 67.335/01

§ 139 Abs.2 StGB; der Angeklagte hätte genau wissen müssen, welche Folgen seine Taten nach sich ziehen werden

Keine Verletzung des Art. 7 EMRK (16:1 Stimmen); die Bestrafung war ausreichend vorhersehbar.

Die Kammer hatte im Urteil vom 10.11.2004 eine Verletzung dieser Bestimmung (4:3 Stimmen) festgestellt.

 

Pessino – Frankreich; Urteil vom 10.10.2006; Beschwerde-Nr. 40.403/02

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Der Beschwerdeführer konnte zum Tatzeitpunkt die Änderung der Rechtsprechung des OGH nicht absehen.

 

Custers, Deveaux + Turk – Dänemark; Urteil vom 3.5.2007

Beschwerde-Nr. 11.843/03 u.a. – keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Diese Tat war im dänischen Gesetz ausreichend klar normiert und die Bestrafung daher vorhersehbar.

 

Dragotoniu + Militaru-Pidhorni – Rumänien; Urteil vom 24.5.2007

Beschwerde-Nr. 77.193/01 und 77.196/01

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Das angeklagte Delikte konnte nur von Beamten und nicht von Bankangestellten begangen werde. € 3.000,-- Ersatz für immateriellen Schaden 

 

Jorgic – BRD; Urteil vom 12.7.2002; Beschwerde-Nr. 74.613/01

Keine Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Auch keine Verletzung der Art. 5 Abs.1, 6 Abs.1 EMRK

 

Balcik u.a. – Türkei; Urteil vom 29.11.2007; Beschwerde-Nr. 25/02

Verletzung der Art. 3 und 11 EMRK

Nicht nötig, auch die Frage der Verletzung der Art. 7, 17 und 18 EMRK zu prüfen

 

Birdal – Türkei; Urteil vom 13.12.2007; Beschwerde-Nr. 47.520/99

Keine Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Verletzung der Art. 6 Abs.1 und 10 EMRK

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Art. 7

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Kafkaris - Zypern; Urteil der Großen Kammer vom 12.2.2008, BeschwNr. 21.906/04

Zum Zeitpunkt der Tatbegehung waren die einschlägigen Rechtsvorschriften nicht hinreichend präzise formuliert, um dem Verurteilten die Reichweite der lebenslangen Freiheitsstrafe im Verhältnis zu deren tatsächlichem Vollzug ausreichend ersichtlich zu machen.

Verletzung des Art. 7 EMRK

 

Kuolelis, Bartokevicius + Burokevicius – Litauen; Urteil vom 19.2.2008

Beschwerde-Nr. 74.357/01

Keine Verletzung der Art. 6 Abs.1, 7, 9, 10, 11 + 14 EMRK

 

Kononov – Lettland; Urteil vom 24.7.2008; Beschwerde-Nr. 36.376/04

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Der Beschwerdeführer konnte diese Bestrafung im Jahr 1944 nicht vorhersehen

(vgl. das in diesem Fall ergangene Urteil der GrK vom 17.5.2010 !)

 

Korbely – Ungarn; Urteil vom 19.9.2008; Beschwerde-Nr. 9.174/02

Verletzung des Art. 7 EMRK
Diese Konventionsbestimmung verbietet nicht nur die rückwirkende Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten sondern enthält au den Grundsatz, dass nur das Gesetz eine Straftat definieren und eine Strafe vorschreiben darf.

Zur Vorhersehbarkeit ist auf den Gesetzeswortlaut abzustellen und wenn nötig auf die gerichtliche Auslegung

Tötung von Aufständischen durch einen Offizier beim Ungarn-Aufstand 1956

Es war nicht vorhersehbar, dass die Tathandlungen nach dem Völkerrecht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen

Nicht mehr nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK zu prüfen.

 

Moiseyev – Russland; Urteil vom 9.10.2008; Beschwerde-Nr. 62.936/00

Keine Verletzung des Art. 7 EMRK

Verletzung der Art. 3, 5 Abs. 3+4, Art. 6 Abs.1 + Abs.3 lit. b+c EMRK

 

Salihoglu – Türkei; Urteil vom 21.10.2008; Beschwerde-Nr. 1.606/03

Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Art. 10 EMRK

Nicht mehr nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen.

 

Sud Fondi s.r.l. u.a. – Italien; Urteil vom 20.1.2009; Beschwerde-Nr. 75.909/01

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Durch die widerrechtliche Beschlagnahme von Eigentum der Beschwerdeführerin wurde auch Art. 1 des 1. ZP zur EMRK verletzt.

 

Protopapa – Türkei; Urteil vom 24.2.2009; Beschwerde-Nr. 16.084/90

Keine Verletzung der Art. 3, 5, 6, 7, 11, 13 + 14 EMRK

 

Ely Ould Dah - Frankreich; Zulässigkeitsentscheidung vom 17.3.2009, BeschwNr. 13.113/03

Unzulässigkeit der Beschwerde zu Art. 7 EMRK

Der Straftatbestand war ausreichend zugänglich und die Strafe vorhersehbar (Folter - Anmestie im Heimatland)

 

Glor - Schweiz; Urteil vom 30.4.2009, BeschwNr. 13.444/04

Unzulässigkeit der Beschwerde zu Art. 7 EMRK ratione materiae, weil eine Steuer für Untauglichkeit zum Militärdienst keine Strafe ist.

 

Liivik – Estland; Urteil vom 25.6.2009; Beschwerde-Nr. 12.157/05

Verletzung des Art. 7 EMRK – nulla poena sine lege

Verstoß der Tathandlung laut Gerichten gegen allgemeines Rechtsempfinden, welche den staatlichen Interessen einen erheblichen moralischen Schaden zugefügt hat

"erheblicher Schaden" war Tatbestandsmerkmal des Amtsmissbrauchs;

Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung aufgrund weiter Begriffe und vager Kriterien; keine entsprechende Klarheit und Vorhersehbarkeit

Die Bestrafung war für den Beschwerdeführer nicht vorhersehbar

Bei diesem Ergebnis nicht nötig, auch die Frage der Verletzung der Art. 6 Abs.1, 13 und 17 EMRK zu prüfen.

 

Scoppola (Nr.2)  – Italien; Urteil der Großen Kammer vom 17.9.2009

Beschwerde-Nr.  10.249/03 – nulla poena sine lege

§ 442 StPO; die Gerichte hätten das für den Angeklagten günstigere Recht (30jährige statt lebenslanger Freiheitsstrafe) anwenden müssen.

tw. Zulässigerklärung der Beschwerde am 13.5.2008

Am 2.9.2008 hat die zuständige Kammer beschlossen, die Entscheidung der Großen Kammer zu überlassen.

§ 442 StPO: mindestens 30jährige Freiheitsstrafe, wenn das Gesetz für die Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht.

Verletzung des Art. 7 EMRK (11 : 6); Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig) - Verstoß gegen die Rechtssicherheit

Art. 46 EMRK: die lebenslange Freiheitsstrafe muss durch eine Strafe ersetzt werden, welche den Entscheidungsgründen in diesem Urteil entspricht.

 

Pasko – Russland; Urteil vom 22.10.2009; Beschwerde-Nr. 69.519/01

Keine Verletzung des Art. 10 EMRK

Nicht nötig, auch die Frage der Verletzung des Art. 7 EMRK zu prüfen.

 

Olymbiou – Türkei; Urteil vom 27.10.2009; Beschwerde-Nr. 16.091/90

Verletzung des Art. 8 EMRK

Keine Verletzung der Art. 3, 5, 6, 7 (nulla poena sine lege), 11, 13, 14 EMRK sowie des 1. ZP zur EMRK

Ausspruch zu Art. 41 EMRK (gerechte Entschädigung) noch nicht entscheidungsreif.

 

M - BRD; Urteil vom 17.12.2009; BeschwNr. 19.359/04

Verletzung der Art. 5 Abs.1 und Art. 7 Abs.1 EMRK

Bundesverfassungsgericht: § 67d Abs.3 StGB ist mit dem GG vereinbar

Verbot der rückwirkenden Anwendung strengerer Strafbestimmungen - § 67d Abs.3 StGB

Nachträgliche Verlängerung der Sicherheitsverwahrung über die zur Tatzeit geltende Zehnjahresfrist hinaus ist nicht gerechtfertigt

Diese betrifft nicht nur den Strafvollzug sondern stellt eine zusätzliche, rückwirkend verhängte Strafe dar und zwar aufgrund eines nach Tatbegehung geänderten Gesetzes

 

Kafkaris - Zypern; Urteil der Großen Kammer vom 12.2.2008, BeschwNr. 21.906/04

Verletzung des Art.7 EMRK betreffend die Anwendung des Gesetzes auf den Tatzeitpunkt

Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen waren zum Tatbegehungszeitpunkt nicht hinreichend präzise formuliert, um dem Angeklagten die Reichweite der Strafe in einem vernünftigen Ausmaß ersichtlich zu machen.

 

Kononov - Lettland; Urteil der GrK vom 17.5.2010, BeschwNr. 36.376/04

grundsätzliche Ausführungen des Gerichtshofes zu den Prinzipien des Art. 7 EMRK

Im Gegensatz zum Urteil der Kammer kommt die Große Kammer des EGMR zum Ergebnis, dass keine Verletzung des Art. 7 EMRK stattgefunden hat

Rechtsgrundlage und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben, keine Verjährung

 

In diesem Sinne hat der UVS des Landes Oberösterreich in einem Erkenntnis vom 3.12.2009 in verfassungskonformer

Interpretation des § 1 Abs.2 VStG entschieden (Lkw-Fahrverbot auf der B1 im Bereich Frankenmarkt, welches während Anhängigkeit

des Berufungsverfahrens betreffend den Ziel- und Quellverkehr für die Gemeinde Neumarkt/Wallersee aufgehoben worden ist).

 

Polednová - Tschechien; Zulässigkeitsentscheidung vom 21.6.2011, BeschwNr. 2.615/10

Unzulässigkeit der Beschwerde u.a. zu Art. 7 EMRK

Die Grundsätze der Gesetzlichkeit von Straftatbeständen und Strafe wurden eingehalten

Die Strafbarkeit der Tat war dem Beschwerdeführer zum Begehungszeitpunkt ausreichend zugänglich und vorhersehbar.

 

Soros - Frankreich; Urteil vom 6.10.2011, BeschwNr. 50.425/06

keine Verletzung des Art. 7 EMRK

das zum Tatzeitpunkt anwendbare Recht war ausreichend vorhersehbar, um dem Beschuldigten erkennbar zu machen, dass sein Verhalten strafbar ist

 

O.H. - BRD; Urteil vom 24.11.2011, BeschwNr. 4.646/08

willkürliche Anhaltung für einen bestimmten Zeitraum

Sicherungsverwahrung; Verletzung des Art.5 Abs.1 Abs.4 wird daher nicht mehr geprüft), unzulässig zu Art. 7 EMRK
 

Del Rio Prada - Spanien; Urteil vom 10.7.2012, BeschwNr. 42.750/09

Die Haftverlängerung konnte vom Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht vorhergesehen werden, weil diese nur durch Änderung der Rechtsprechung möglich wurde

Verletzung des Art. 7 EMRK  (vgl. auch das in diesem Fall ergangene Urteil der GrK vom 21.10.2013)

Anordnung nach Art. 46 EMRK: der Beschwerdeführer ist binnen kürzester Frist freizulassen

 

Camilleri - Malta; Urteil vom 22.1.2013, BeschwNr. 42.931/10

Allein das Gesetz darf eine Straftat definieren und eine Strafe dafür bestimmen

Der Gesetzestext muss ausreichend verständlich und zugänglich sein und Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen bieten

Es darf nicht allein der Generalstaatsanwaltschaft obliegen, zu entscheiden, welcher Strafrahmen zur Anwendung kommt

Verletzung des Art. 7 EMRK

 

Martirosyan - Armenien; Urteil vom 5.2.2013, BeschwNr. 23.341/06

Vorhersehbarkeit der Bestrafung, notwendige Bestimmtheit des Gesetzes

Keine Verletzung des Art. 7 EMRK

 

Del Rio Prada - Spanien; Urteil der Großen Kammer vom 21.10.2013, BeschwerdeNr. 42.750/09

Die rückwirkende Verlängerung der Strafhaft aufgrund geänderter Auslegung strafgesetzlicher Bestimmungen verletzt Art.7 EMRK

Dies stellt überdies eine unrechtmäßige Freiheitsentziehung nach Art.5 Abs.1 EMRK dar.

 

Glien - BRD; Urteil vom 28.11.2013, BeschwerdeNr. 7.345/12

nachträgliche Sicherungsverwahrung im Gefängnis stellt eine Konventionsverletzung nach Art.7 Abs.1 EMRK dar, weiters einen Verstoß gegen Art.5 Abs.1 EMRK

 

Rohlena - Tschechien; Urteil der Großen Kammer vom 27.1.2015, BeschwerdeNr. 59.552/08

Die rückwirkende Anwendung eines neuen Straftatbestandes hat hier zu keiner strengeren Strafe geführt, weswegen Art.7 EMRK nicht verletzt ist.

hier: Dauerdelikt des Missbrauchs einer im selben Hauhalt lebenden Person nach § 215a StGB

 

Vasiliauskas - Litauen; Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2015, BeschwerdeNr. 35.343/05

Delikt des Völkermordes wurde rückwirkend auf einen Mitarbeiter des Geheimdienstes angewendet. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und zum Ersatz

an Angehörige der Getöteten des immateriellen Schadens in der Höhe von umgerechnet € 14.500,--

Diese Verurteilung stellt einen Konventionsverstoß nach Art.7 EMRK (9 : 8 Stimmen !) dar, weil diese auch nicht durch Art.7 Abs.2 EMRK gerechtfertigt werden kann.

 

Gouarré Patte - Andorra; Urteil vom 12.1.2016, BeschwerdeNr. 33.427/10

Fünf Jahre Freiheitsstrafe und Berufsverbot für einen Arzt wegen Sexualdelikten

Die Gerichte hätten die für den Angeklagten mildere Bestimmung des § 7 Abs.3 des neuen StGB anwenden müssen - Konventionsverletzung nach Art.7 EMRK

Ebenso Verletzung des Art.13 iVm Art.7 EMRK, weil der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, diese EMRK-Verletzung innerstaatlich geltend zu machen.

Unzulässigkeit der Beschwerde zur Fairness nach Art.6 Abs.1 EMRK


Koprivnikar - Slowenien;  Urteil vom 24.1.2017, BeschwerdeNr. 67.503/13,
Straftäter wurde für drei verschiedene Delikte zu insgesamt 30 Jahren Haft verurteilt, obwohl das StGB für kombinierte Strafen maximal 20 Jahre Haft vorsah.

Die Gerichte begründen dies mit einem Versehen des Gesetzgebers, da es nicht sein könne, dass der Bf bereits für eines der drei Delikte allein 30 Jahre Haft

bekommen hätte, nun aber günstiger davon kommen sollte, wenn er daneben wegen weiterer Delikte belangt wurde: Verletzung von Art.7 EMRK
 

 


vgl. auch: Art. 49 GRC (Grundrechte-Charta der EU)
Artikel 49 - Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
Abs.1: Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist diese zu verhängen.
Abs.2: Dieser Artikel schließt nicht aus, dass eine Person wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach den allgemeinen, von der Gesamtheit der Nationen anerkannten Grundsätzen strafbar war.
Abs.3: Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.

vgl. auch: Art. 103 Abs.2 GG (Grundgesetz) der BRD:
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

E M R K

Art. 7

dr.postlmayr@aon.at

RA Dr. Postlmayr

 

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