e m r k . a t

 

Artikel 6   Recht auf ein faires Verfahren

 

Abs.1  Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.

Abs.2  Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.

Abs.3 Jeder Angeklagte hat mindestens (englische Fassung) / insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:

a) in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;

b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;

c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;

d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;

e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.


vgl. auch Art. 19 Abs.4, 97, 101 und 103 GG der BRD

vgl. auch Art. 47 Grundrechte-Charta der EU (GRC)

            Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

vgl. auch Art. 48 Grundrechte-Charta der EU (GRC)

            Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte

vgl. Art. 10 AEMR und Art. 14 IpbpR

 

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

Art. 6 EMRK ist für die Spruchpraxis des EGMR das bedeutsamste Grundrecht.

Darin sind die wesentlichsten Garantien (der Mindeststandard) eines rechtsstaatlichen Verfahrens normiert, um die primären Ziele eines Rechtsstaates, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen.

Dieser Artikel findet Anwendung in Verfahren betreffend

  • Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen

  • Entscheidungen betreffend strafrechtliche Anklagen

 

a)     zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen :

 (civil rights and obligations / droits et obligations de caractère civil)

 

« Zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen » iSd Rechtsprechung des EGMR decken sich mit dem Verständnis der Mitgliedstaaten des Europarates (der EMRK) zu diesem Rechtsbereich nur zum Teil, was nicht selten zur Feststellung der Verletzung dieses Artikels führt, weil der EGMR einerseits keine allgemein gültige Definition dieser Begriffe zur Verfügung stellt und andererseits den überlieferten kontinentaleuropäischen Begriff des Zivilrechts teilweise erheblich ausdehnt. Dies macht z.B. die Abgrenzung des Zivilrechts vom Verwaltungsrecht oft schwierig.

Der VfGH bezeichnet dies als „offene Rechtsfortbildung“ und lehnt die Judikatur des EGMR unter Verweis auf das österreichische Staatsorganisationsrecht zum Teil kategorisch ab (z.B. VfSlg. 11.500 betreffend Baubewilligungsverfahren). Dies führt zu Verurteilungen Österreichs (zuletzt in mehreren Fällen im Mai 2007) wegen Verletzung des Art. 6 EMRK, wenn der VwGH über Beschwerden keine mündliche Verhandlung durchführt, soweit nicht nur rein rechtliche oder hochtechnische Fragen zu klären sind.

Das Recht, auf einem Grundstück zu bauen, wird dann als ein ziviles angesehen, wenn die Erteilung der Baubewilligung nach dem Flächenwidmungsplan, der Raumordnung zulässig ist (EGMR vom 16.1.2001 im Fall Ludescher – ÖJZ 2001, 439; EKMR vom 15.10.1991 – ÖJZ 1992, 385; EGMR vom 28.6.1990 im Fall Skätby; EGMR vom 25.10.1989 im Fall Allan Jacobsson – ÖJZ 1990, 246; EGMR vom 25.11.1994 im Fall Ortenberg gegen Österreich – ÖJZ 1995, 225; EGMR vom 23.9.1982 in den Fällen Sporrong und Lönnroth, EuGRZ 1983, 523).

Ein „ziviles Recht“ wird jedenfalls dann angenommen, wenn diesem Vermögenswert zukommt (EGMR vom 28.9.1995 im Fall Procola, ÖJZ 1996, 193).

In der Judikatur des EGMR haben sich drei Gruppen von Fällen herausgebildet, welche Zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen betreffen:

Bei Auswirkungen der Entscheidung auf auf das Eigentum, die Berufs- und Erwerbsfreiheit oder den Liegenschaftsverkehr.

Abwägung zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Aspekten, z.B. sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (Krankengeld, Rente, auch Beamtenpension).

Verfahren betreffend Vermögenswerte ungeachtet verwaltungsbehördlicher Zuständigkeiten (EGMR A-234-B im Fall Périscope).

Dagegen zählen das Strafrecht, Steuerverfahren, Wehrpflicht, Wahlrecht, Untersagung und Auflösung einer Versammlung, Asyl- und Aufenthaltsrecht, Staatsbürgerschaft nicht zu diesen Rechten.

 

Es kommt auf die Unterscheidung zwischen materiellen und formalen (prozessualen) Rechten an. Ein materiellrechtlicher Anspruch nach innerstaatlichem Recht ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 6, wobei der EGMR dazu einen großzügigen Maßstab anlegt. Parteistellung ist nicht maßgeblich (EGMR BeschwNr. 32.555/96 im Fall Roche). Der Anspruch muss jedoch real und ernsthaft, zumindest argumentierbar sein; dies ist der Fall, wenn irgend eine Rechtsgrundlage für den Anspruch im innerstaatlichen Recht besteht.

Es muss eine „Streitigkeit“ (franz.: contestation – nichts Vergleichbares in der englischen Fassung) vorliegen, weswegen Verfahren nicht berührt sind, die nicht der Streitentscheidung dienen, wobei aber die Art des Entscheidungsorgans und das anzuwendende Verfahrensrecht keinen Ausschlag geben.

Auf verwaltungsgerichtliche Verfahren ist Art. 6 auch dann anwendbar, wenn generelle Rechtsnormen wie Verordnungen oder Satzung betroffen sind, also auch im Bereich der Raumordnung.

Nach der neueren Rechtsprechung fallen auch Verfahren vor den Verfassungsgerichten unter Art. 6, wenn ihr Ausgang für zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen entscheidend ist (EGMR A-262, § 59 im Fall Ruiz-Mateos betreffend ein Enteignungsverfahren).  Auch betreffend Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz und Normenkontrollverfahren durch Gerichte (EGMR Urteil vom 29.5.1997 im Fall Probstmeier gegen die BRD, BeschwNr. 20.950/92 - Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK).

 

 

b)     strafrechtliche Anklage :

(criminal charge / accusation pénale)

 

Ob eine strafrechtliche Anklage vorliegt, beurteilt der VfGH nach Sinn und Zweck der EMRK danach, ob das Gesetz die Zuwiderhandlung systematisch dem Strafrecht zuordnet (VfSlg. 11.506 und 11.917; EGMR vom 23.10.1995 im Fall Gradinger u.a. gegen Österreich). Ist dies nicht der Fall ist weiter die Schwere der Sanktion von Bedeutung (ahndender bzw. abschreckender Charakter der Strafe).

Deshalb ist ein disziplinarrechtliches Berufsverbot eine Strafe (VfSlg. 11.506, 11.569, 11.776 und 15.543)

Das rechtsanwaltliche Disziplinarverfahren ist eine strafrechtliche Anklage (VfSlg. 16.268).

Mittlerweile unbestritten ist, dass das Verwaltungsstrafverfahren in den Anwendungsbereich der EMRK fällt (EGRM vom 20.12.2001 im Fall Baischer* gegen Österreich).

 

Da dieses Recht nicht in die Disposition der Gesetzgeber der Mitgliedstaaten gestellt werden darf, hat der EGMR eine von den nationalen Rechten autonome Auslegung vorgenommen (EGMR A-27, § 88 im Fall König, A-49 im Fall Adolf und A-35 im Fall Deweer).

Es soll verhindert werden, dass die Staaten den Anwendungsbereich des Art. 6 (und 7) EMRK durch gesetzgeberische Maßnahmen umgehen (EGMR A-73 im Fall Öztürk gegen die BRD).

Ordnungsstrafen nach der ZPO fallen nicht darunter (Urteil vom 22.2.1996 im Fall Putz - Österreich).

Drei Kriterien haben sich in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen einer strafrechtlichen Anklage herausgebildet:

            Zuordnung der Rechtsvorschrift im nationalen Recht

            Natur des Vergehens

            Schwere der Sanktion

Das erste Kriterium spielt in der Praxis wenig Rolle, dazu gehört jedenfalls das Kriminalstrafrecht.

Beim zweiten Kriterium kommt es auf die angedrohte Sanktion (abschreckender, präventiver, repressiver Charakter der Norm) an.

Nicht das Verhalten sondern die Strafnorm selbst ist der Maßstab, auch Ordnungswidrigkeiten nach dem OWiG fallen darunter (EGMR A-73 im Fall Öztürk gegen die BRD). Vergleichend ist die Rechtslage der übrigen Vertragsstaaten zu berücksichtigen. Strafart und Strafhöhe sind dabei nur insoweit von Bedeutung, als sie einen Hinweis auf den strafrechtlichen Charakter einer Norm geben können (EGMR A-22, § 84 im Fall Engel gegen Österreich sowie EGMR A-80, § 71 im den Fällen Campbell und Fell).

Das dritte Kriterium steht im engen Zusammenhang mit dem zweiten; die Art der Sanktion umfasst die konkreten Auswirkungen auf den Beschuldigten, die von der Art der Strafe, der angedrohten Höchststrafe und der Art der Vollstreckung gekennzeichnet sind.

Es ist dabei aber nicht auf die konkrete Strafhöhe abzustellen sondern auf die mögliche Höchststrafe, den Strafrahmen. Nur in besonderen Ausnahmefällen wird der tatsächlich verhängten (sehr geringen) Strafe Beachtung geschenkt.

Auch disziplinarrechtliche Berufsverbote fallen darunter, wenn sie nicht bloß vorübergehend und kurzfristig sind (auch betreffend zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen relevant!).

 

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

 

Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK:

 

vgl. auch Art. 48 Abs.1 Grundrechte-Charta der EU (GRC)

Eine Strafe darf erst dann ausgesprochen werden, wenn in einem rechtsstaatlichen Verfahren Sachverhalt und Verschulden festgestellt wurde. Das innerstaatliche Recht ist dabei nicht alleiniger Maßstab der Beurteilung (EGMR vom 7.10.1988 im Fall Salabiaku – ÖJZ 1989, 347). Grundlegender Maßstab ist, dass die Mindestrecht nach Abs.3 gewahrt sind (VfSlg. 8483 und 8505).

Ein Zwang zur Selbstbeschuldigung ist mit diesem Recht unvereinbar.

Der Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG ist dabei ebenfalls von Bedeutung.

Eine Information der Öffentlichkeit durch die Ermittlungsbehörden ist zulässig, darf aber keine Schuldbehauptungen enthalten (EGMR vom 10.2.1995 im Fall Allent de Ribemont – ÖJZ 1995, 509; EGMR A-140 im Fall Schenk). Hier äußerst sich die doppelte Wirkung der Unschuldsvermutung: einerseits soll verhindert werden, dass die Öffentlichkeit vorzeitig von der Schuld des Angeklagten ausgeht, andererseits soll einer Vorwegnahme der gerichtlichen Beweiswürdigung entgegen gewirkt werden.

Die Beweislast für das Vorliegen einer Straftat liegt bei den Gerichten (Behörden), diese haben auf gesetzliche Art und Weise den Nachweis des schuldhaften, strafbaren Verhaltens nachzuweisen (ecolex 1996, 806). Zweifel haben sich zugunsten des Beschuldigten auszuwirken ((EGMR A-146 im Fall Berberà u.a.). Die Begründung der Schuld mit rechtswidrigen Beweisen ist nicht zulässig.

Rechts- und Tatsachenvermutungen sind zwar zulässig, müssen sich aber in vernünftigen Grenzen halten (ÖJZ 1994, 527 sowie EGMR vom 7.10.1988, A-141, § 28 im Fall Salabiaku – ÖJZ 1989, 347).

Die Vermutung des schuldhaften Verhaltens bei Verwaltungsübertretungen iSd § 5 Abs.1 VStG ist verfassungskonform (VfSlg. 13.790, VwGH vom 24.1.2000, 99/17/0399).

Art. 6 Abs.2 EMRK umfasst kein Recht auf Erstattung der Verfahrenskosten bei Freispruch (EGMR vom 26.3.1996 im Fall Leutscher gegen die Niederlande, BeschwNr. 17.314/90, Rz 29 samt Vorjudikat des EGMR vom 25.8.1987, A-123, Rz.59 – veröffentlicht etwa in ÖJZ 1996, 677 - keine Verletzung des Art.6 Abs.2 EMRK).

Die Berücksichtigung einer nicht rechtskräftigen Strafe als erschwerend bei der Strafbemessung verletzt Art. 6 Abs.2 EMRK (VfSlg. 8483 und 8505).

Keine Bedeutung hat die Unschuldsvermutung im Zivilprozess (§1489 ABGB – OGH vom 25.5.1993, 1 Ob 532/93).

Das Grundgesetz der BRD enthält die Unschuldsvermutung nicht explizit; das Bundesverfassungsgericht sieht diese als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 74, 358 (370) u.a.), die EMRK ist Auslegungshilfe und wichtiger Konkretisierungsmaßstab.

Neben Art. 6 gewährt auch Art. 5 EMRK der festgenommenen Person Verfahrensrechte.

Die Garantien des Art. 6 und jene des Art. 7 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) und des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK (Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbot) finden nebeneinander Anwendung; Art. 6 bezieht sich auf die Art und Weise der Urteilsfindung und die Rechte des Angeklagten im Strafprozess, Art. 7 die Rechtsgrundlagen des Urteils.

Ein besonderes Problem stellt das Verhältnis des Art. 6 EMRK zu Art. 13 (Recht auf eine wirksame Beschwerde) dar.

Während Art. 6 den Zugang zu einem Gericht sicher stellt, räumt Art. 13 EMRK das Recht auf die wirksame Geltendmachung der Konventionsrechte ein (EGMR A-52, § 88 in den Fällen Sporrong und Lönnroth, A-61, § 110 in den Fällen Silver u.a. sowie A-296-A, § 65 im Fall Hentrich).

Die Anforderungen, die an das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK zu stellen sind, sind geringer als jene nach Art. 6 (EGMR, A-61, § 110 in den Fällen Silver u.a.).

In der Praxis prüft der EGMR nach Feststellung der Verletzung des Art. 6 EMRK die Frage der Verletzung des Art. 13 EMRK unter besonderen Umständen nicht mehr.

 

Die Anforderungen des Art. 6 EMRK an ein „Gericht“:

 

Diese Bestimmung verlangt die Entscheidung durch ein unabhängiges, unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht.

Dazu zählen alle Gerichte der Mitgliedstaaten, welche der ordentlichen Gerichtsbarkeit angehören.

Darüber hinaus aber auch alle Spruchkörper, die die Kompetenz haben, aufgrund eines geregelten und mit entsprechenden Garantien ausgestatteten Verfahrens nach rechtlichen Maßstäben zu entscheiden (EGMR A-132, § 64 im Fall Belilos; EGMR A-84, § 36 im Fall Sramek gegen Österreich; EGMR A-13, §95 im Fall Ringeisen gegen Österreich). Das Organ muss ein die Parteien bindende Entscheidung treffen können und den wesentlichen Sachverhalt selbst ermitteln. Die Entscheidung darf nicht durch ein außergerichtliches Organ zum Nachteil einer Partei außer Kraft gesetzt werden können. Die Einräumung von Ermessen ist zulässig; alleinige kassatorische Befugnis reicht aus (EGMR A-268-A, § 31 im Fall Zumtobel gegen Österreich).

Das Gericht kann zusätzlich zu den Berufsrichtern mit Laienrichtern besetzt sein (EGMR A-84, § 39 im Fall Sramek gegen Österreich).

Spezial- und Sondergerichte sind dann mit Art. 6 EMRK vereinbar, wenn die Verfahrensgarantien ausreichend sicher gestellt sind.

Auch Schiedsgerichte mit Zwangszuständigkeit sind Gerichte iSd Art. 6.Wenn die Parteien in der Schiedsvereinbarung (auch konkludent) auf die Garantien des Art. 6 EMRK verzichtet haben, sind an die Schiedsgerichte nicht die Anforderungen des Art. 6 zu stellen.

Das Gericht muss unabhängig sein; dabei ist die Art und Weise der Bestellung der Richter von Bedeutung, deren Amtsdauer, Garantien gegen äußere Beeinflussung sowie der äußere Anschein von Bedeutung. Die Richter müssen unabsetzbar und weisungsfrei sein. Ein Amtsdauer von zumindest drei Jahren ist ausreichend (EGMR A-84, § 39 im Fall Sramek gegen Österreich).  Eine besonders enge Verbindung des gerichtlichen mit dem verwaltungsbehördlichen Verfahren ist nicht zulässig (EGMR A-97, § 41 im Fall Benthem).

Das Gericht muss unparteiisch sein; dies betrifft die Objektivität des richterlichen Verhaltens. Die Prüfung der Unparteilichkeit wird nach einem objektiven (interne Organisation des Gerichts und Funktion des Richters im Verfahren) und einem subjektiven (Voreingenommenheit oder Befangenheit) Ansatz vorgenommen.

Der Richter darf nicht bereits im Vorfeld mit dieser Angelegenheit befasst gewesen sein.

Nach Aufhebung der Entscheidung muss die Sache nicht an ein anderes Gericht oder an einem anderen Richter abgegeben werden (EGMR A-13, § 97 im Fall Ringeisen gegen Österreich; A-325-A, § 37 im Fall Diennet).

§ 68 Abs.2 der österreichischen StPO geht demnach über die Garantien des Art. 6 EMRK hinaus.

 

Das Recht auf Zugang zu einem Gericht ist das Zentrum des Art. 6 EMRK.

Dieses Recht ist aber kein absolutes. Einschränkungen dieses Rechts sind zulässig, sofern diese ein legitimes Ziel verfolgen und verhältnismäßig sind.

Bedingungen für die Zulässigkeit von Klagen und Rechtsmitteln, Fristen, Formvorschriften, Anwaltszwang, Genehmigung der Klagsführung, Sicherheiten für die Kosten des Prozeßgegners sind zulässig.

Eine Klagserhebungsgebühr in der Höhe eines Jahreseinkommens des Klägers ist ein Verstoß gegen Art. 6; einen Anspruch auf Prozesskosten(Verfahrens)hilfe gewährt diese Bestimmung nicht.

Eine nur fünftägige Rechtsmittelfrist ist zu kurz (EGMR im Fall Tricard gegen Frankreich, BeschwNr. 40.472/98).

Übertriebener Formalismus verletzt das Recht auf Zugang zu einem Gericht.

Es reicht aus, wenn in einem einzigen Verfahrensgang, in einer einzigen Instanz ein Gericht entscheidet. Art. 6 enthält kein Recht auf einen Instanzenzug.

Eröffnet das innerstaatliche Recht aber einen Instanzenzug, so muss sichergestellt sein, dass in allen Instanzen die Garantien des Art. 6 EMRK gewahrt sind (EGMR A-11, § 25 im Fall Delcourt).

 

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

 

Der Grundsatz des fairen Verfahrens:

 

Das “fair hearing“ ist das zentrale Recht des Art. 6, welches auch dessen Titel bestimmt.

 

Der Betroffene muss seine Rechte effektiv vertreten können (VfSlg. 10.291), der Beschuldigte darf nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern, er hat das Recht zu schweigen (EGMR vom 25.2.1993 im Fall Funke gegen Frankreich, vom 8.2.1996 im Fall Murray gegen England; vom 17.12.1996 im Fall Saunders gegen England).

Das gesamte Beweismaterial muss offen gelegt werden (EGMR vom 16.12.1992 im Fall Edwards – ÖJZ 1993, 391), die Parteien müssen zu Beweisaufnahmen über strittige Tatsachen Stellung nehmen können (EGMR vom 19.12.1991 im Fall Kamasinski – ÖJZ 1990, 412), das Parteienvorbringen muss sorgfältig geprüft werden (EGMR vom 19.4.1993 im Fall Kraska – ÖJZ 1993, 818).

Der Grundsatz der „Waffengleichheit“ ist zu beachten (EGMR vom 23.6.1993 im Fall Ruiz-Mateos – ÖJZ 1994, 105; vom 22.2.1996 im Fall Bulut – ÖJZ 1996, 430; vom 23.10.1996 im Fall Ankerl – ÖJZ  1997, 475; VfSlg. 13.702 und 15.840)

 

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer:

Gebot des effizienten gerichtlichen Rechtsschutzes.

Im Strafprozess muss die Dauer der Ungewissheit über den Verfahrensausgang so gering wie möglich gehalten werden.

Diese wird nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt.


Die Judikatur des EGRM hat zur Lösung dieser Frage folgende Kriterien herausgebildet:

            Komplexität (Schwierigkeit) des Falles

            Verhalten der Behörden (Gerichte)

            Verhalten des Betroffenen

            Besondere Phasen der Inaktivität von Behörden und Gerichten

Was für den Betroffenen in diesem Verfahren auf dem Spiel stand (Bedeutung der Angelegenheit für die Verfahrenspartei)

 

Es besteht eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre Gerichtsorganisation so auszugestalten und auszustatten, dass überlange Verfahrensdauer hintan gehalten werden. Eine Überlastung eines Gerichtes rechtfertigt daher eine Verfahrensverzögerung nicht (EGMR vom 23.9.2004 im Fall Hermann Mitterbauer* gegen Österreich, BeschwNr. 14.205/02 sowie vom 24.2.2004 in den Fällen Zuckerstätter und Reschenhofer* gegen Österreich; EGMR BeschwNr. 26.297/95, § 33 im Fall G.S. gegen Österreich). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es nicht nur auf die Gesamtverfahrensdauer an sondern auch darauf, ob das Verfahren längere Phasen der behördlichen oder gerichtlichen Inaktivität aufgewiesen hat (vgl. EGMR vom 26.7.2007 in den Fällen Vitzthum*, Schutte* und Stempfer* gegen Österreich).

 

Öffentliche und mündliche Verhandlung:

Die Öffentlichkeitsgarantie umfasst zwei Verfahrensabschnitte, die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Urteilsverkündung.

Ermittlungen (Erhebungen) vor dem Prozess sind von dieser Garantie nicht umfasst.

Auch die Medienberichterstattung ist von diesem Grundrecht erfasst.

Von der Zulassung der Medien ist die Frage zu trennen, ob von der Verhandlung Bild- und Tonaufzeichnungen gemacht werden dürfen.

Das Gebot der mündlichen Verhandlung gilt nicht uneingeschränkt.

Im Gegensatz zu den Art. 8 bis 11 EMRK müssen Gesetze nicht regeln, um die Zulässigkeit der Beschränkung der Öffentlichkeit durch die nationalen Gerichte zu begründen.

Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann seinen Grund in der Person des Beschuldigten haben, aber auch im Verfahrensgegenstand.

Die Öffentlichkeit muss vor dem Gericht gewahrt sein, welches über die Tat- und Rechtsfragen entscheidet (EGMR vom 22.5.1990 im Fall Weber – ÖJZ 1990,713); in höherer Instanz kann die mündliche Verhandlung unter Umständen entfallen, wen diese in erster Instanz durchgeführt wurde (EGMR vom 29.10.1991 im Fall Helmers – ÖJZ 1992, 304). Wenn die Tat- und Rechtsfragen völlig klar sind, kann die mündliche Verhandlung überhaupt unterbleiben, wenn hierauf kein Antrag vorliegt (EGMR vom 29.10.1991 im Fall Andersson – ÖJZ 1992, 307; EGMR vom 29.10.1991 im Fall Fejde – ÖJZ 1992, 308).

Entgegen dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 EMRK sieht es der EGMR als zulässig an, dass das Urteil nicht öffentlich verkündet sondern nur der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (EGMR vom 8.12.1983 in den Fällen Axen und Pretto sowie vom 22.2.1984 im Fall Sutter).

Da der UVS des Landes Oberösterreich alle Entscheidungen im Internet veröffentlicht, ist deren mündliche Verkündung nicht notwendig (EGMR vom ........ im Fall Robert Faugel* gegen Österreich).

 

E M R K Art. 6
dr.postlmayr@aon.at RA Dr. Postlmayr

 

 

Die besonderen Verfahrensgarantien des Art 6 Abs.3 EMRK:

 

Diese stellen den strafprozessualen Mindeststandard dar.

Das Gesetz enthält nur eine demonstrative Aufzählung der Rechte des Angeklagten.

Während Abs.1 für Zivil- und Strafverfahren gilt, bezieht sich Abs.3 nur auf Strafverfahren.

Diese sind besondere Ausprägungen des Rechts auf ein faires Verfahren.

 

lit. a gibt dem Beschuldigten Gelegenheit, sich ausreichend auf seine Verteidigung vorzubereiten; auch die Rechtsgrundlagen, auf welche die Anschuldigung gestützt wird, sind mitzuteilen (EGMR vom 19.12.1989 im Fall Kamasinski – ÖJZ 1990, 412 sowie vom 12.10.1992 im Fall T – ÖJZ 1993, 312).

Eine juristisch andere Qualifikation des Sachverhalts ist nur dann unbedenklich, wenn der Beschuldigter diese voraussehen konnte (EGMR vom 20.4.2006 im Fall I.H. gegen Österreich BeschwNr. 42.780/98 – betreffend Verurteilung nach einem Qualifikationstatbestand ohne Änderung der Anklage).

 

lit. b gibt das Recht auf Kontakt mit dem Verteidiger und auf Akteneinsicht. Und steht im direkten Zusammenhang mit der Waffengleichheit; die Dauer der Vorbereitungszeit hängt von der Schwierigkeit (Komplexität) des Falles ab.

Das Zeitmoment ist hier besonders von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Hier geht es im wesentlichen um die Vorbereitung der Hauptverhandlung erster Instanz, aber auch die Einbringung von Rechtsmitteln und das Rechtsmittelverfahren ist gemeint. Dies unabhängig davon, ob der betreffende Mitgliedstaat Art. 2 des 7. ZP zur EMRK ratifiziert hat, welcher eine zweite Instanz im Strafprozess garantiert.

Die starre Monatsfrist für Revisionsanträge nach § 345 Abs.1 StPO (der BRD) ist daher mit diesem Recht unvereinbar (NJW 2002, 109) sowie VfSlg. 15.768 betreffend die (damit aufgehobene) Vier-Wochen-Frist nach § 285 Abs.1 StPO für die Nichtigkeitsbeschwerde.

 

lit. c gewährt drei Rechte: a) das Recht, sich selbst zu verteidigen oder b) einen Verteidiger beizuziehen sowie c) das Recht auf Verfahrenshilfe.

Das Recht, sich selbst zu verteidigen bedeutet im besonderen die Garantie der  persönlichen Teilnahme des Beschuldigten an der Hauptverhandlung. Dies bedeutet wiederum, dass es unter Umständen notwendig ist, dass das Gericht aktive Schritte unternimmt, damit dem Beschuldigten die Teilnahme an der Verhandlung möglich ist.

Ein Verzicht darauf ist zwar möglich und zulässig, dieser muss jedoch in eindeutiger Form vorliegen EGRM A-277-A, § 31 im Fall Poitrimol sowie A-208-B, § 35 im Fall F.C.B. gegen Italien).

Wenn für den Beschuldigten gravierende Rechtsfolgen zu befürchten sind, ist eine Verteidigerbestellung auch gegen den Willen des Beschuldigten und auf dessen Kosten zulässig (EGMR vom 25.9.1992 im Fall Croissant – ÖJZ 1993, 211).

Der Staat hat die Pflicht, auf eine wirksame Vereidigung zu achten (EGMR vom 24.11.1993 im Fall Imbriosica – ÖJZ 1994, 517 und vom 27.1.1999 im Fall Van Geyseghem – ÖJZ 1999, 737).

 

lit. d („Waffengleichheit und Zeugen- sowie Sachverständigenbeweis“) wird vom EGMR dahin ausgelegt, ob das Strafverfahren insgesamt fair war (EGMR vom 26.3.1996 im Fall Doorson  – ÖJZ 1996, 715).

Es ist zwischen dem Recht auf Befragung von Zeugen und dem Ladungsrecht zu unterscheiden. Die Anklage hat grundsätzlich alle in ihrem Besitz befindilichen Beweise offen zu legen. Wenn Beweise unter Verletzung eines anderen Konventionsrechts erlangt wurden, muss es dem Beschuldigten möglich sein, diese in allen Verfahrensstadien in Frage zu stellen.

Nur derjenige ist Belastungszeuge, dessen Aussage die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat beweisen kann und vom Gericht auch als Bewies herangezogen wird.

Das Recht, die Ladung der Entlastungszeugen zu verlangen, ist kein absolutes, diese leitet sich aus dem Grundsatz der „Waffengleichheit“ ab (EGMR vom 22.4.1992 im Fall Vidal – ÖJZ 1992, 801).

War das Verfahren insgesamt fair, nimmt der EGMR in der Regel keine Konventionsverletzung bei Verweigerung der Einvernahme eines Zeugen an.

 

lit. e (Recht auf einen Dolmetscher) bezieht sich nicht nur auf die Hauptverhandlung sondern auch auf die Übersetzung der aktenkundigen Schriftstücke, des gesamten Beweismaterials, wenngleich nicht auf den gesamten Akteninhalt (EGRM A-168, § 74 im Fall Kamasinski). Dieses setzt voraus, dass der Beschuldigte der Verhandlungssprache des Gerichts nicht mächtig ist.

 

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

Die neueste Rechtsprechung des EGMR zum Recht auf ein faires Verfahren:

 

Rada gegen Rumänien; Urteil vom 8.11.2007; BeschwNr. 38.840/03

Absetzung vom Posten des Verkaufsdirektors in der PETROM S.A. Rechtskräftiges stattgebendes Urteil, dass er diesen Posten wieder bekommt. Aufgrund eines Antrages des Generalstaatsanwalts hat der OGH dieses rechtskräftige Urteil umgedreht. Der EGMR hält fest, dass eines der fundamentalen Grundsätze der Rechtslehre das Prinzip der Rechtssicherheit ist. Danach darf eine rechtskräftige Entscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden. Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig) Es ist daher nicht nötig, die Frage der Verletzung des Art. 13 EMRK zu prüfen. Zuspruch nach Art. 41 EMRK: € 3.000,-- für immateriellen Schaden.

 

Skugor gegen Deutschland; Urteil vom 10.5.2007;

BeschwNr. 76.680/01; Art. 6 Abs.1 EMRK – Dauer eines Obsorgeverfahrens

Unangemessene Dauer eines Obsorge- und Besuchsrechtsverfahrens

Zurückweisung des Einwandes der Regierung betreffend Nichtausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs, weil eine Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer kein effektives Rechtsmittel ist (Sürmeli gegen die BRD).

Das nicht besonders komplexe Verfahren betreffend Besuchsrecht dauerte drei Jahre und zehn Monate. Auch wenn keine gravierenden Perioden der gerichtlichen Inaktivität festzustellen sind, wurden auch keine speziellen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung gesetzt. Das Verstreichen der Zeit konnte unabsehbare Auswirkungen auf die Vater-Kind-Beziehung haben, weswegen die Gesamtdauer des Verfahrens nicht mehr angemessen ist.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.

Anders ist der Fall betreffend des Antrags der Kindesmutter auf Entzug des Besuchsrechts zu werten; die Gerichte durften den Ausgang des Besuchsrechtsverfahrens abwarten, auch wenn eine Phase der Inaktivität von mehr als einem Jahr ernste Fragen betreffend Art. 6 Abs.1 EMRK aufwirft. Dieses Verfahren hatte für den Beschwerdeführer nicht einen solchen dringenden Charakter wie jenes betreffend das Besuchsrecht des Beschwerdeführers. Keine Verletzung.

 

Sultani gegen Frankreich; Urteil vom 20.9.2007; BeschwNr. 45.223/05

Art. 6 EMRK findet auf Verfahren betreffend Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Fremden keine Anwendung.

Unzulässigkeit der Beschwerde.

 

VgT (Verein gegen Tierfabriken) gegen die Schweiz; Urteil vom 4.10.2007; BeschwNr. 32.772/02

Art. 6 EMRK ist auf Anträge auf Aufhebung eines straf- oder zivilrechtlichen Urteils aufgrund eines EGMR-Urteils nicht anwendbar.

Unzulässigkeit der Beschwerde nach Art. 35 Abs.3+4 EMRK.

 

Asnar gegen Frankreich; Urteil vom 18.10.2007; BeschwNr. 12.316/04

Keine Gelegenheit eines Lehrers im Ruhestand, sich im Verfahren betreffend seine Pensionsansprüche zur Stellungnahme des Finanzministeriums zu äußern. Verstoß gegen Art. 6 Abs.1 EMRK (Waffengleichheit).

 

Ommer (Nr.1+2) – BRD; Urteil vom 13.11.2008; Beschwerde-Nrn. 10.597/03 und 26.073/03;

Jeweils Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK; mehr als 12 bzw. 15 Jahre dauernde Strafprozesse;

Art. 34 EMRK: Weiterbestehen der Opfereigenschaft, weil dafür keine Entschädigung zugesprochen wurde.

 

W.S. gegen Polen; Urteil vom 19.6.2007; BeschwNr.  21.508/02

Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs ohne Einvernahme des Opfers

Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.

Es wäre z.B. eine Videobefragung möglich gewesen oder die Einvernahme des mj. Opfers in Gegenwart der Mutter oder einer Psychologin bzw. der Verteidigung ermöglicht worden wäre, schriftliche Fragen zu stellen. Die Verteidigungsrecht wurden in diesem Fall in einer Art und Weise beschränkt, welche die Verletzung dieser Rechte nach sich zieht. Zuspruch nach Art. 41 EMRK: €  1.800,-- an immateriellem Schaden.

 

Vasilev u.a. gegen Bulgarien; Urteil vom 8.11.2007; BeschwNr. 61.257/00

Es ist zu prüfen, ob weiterhin die Opfereigenschaft der vier Beschwerdeführer vorliegt, weil nach § 239a StPO, welcher im Jahr 2003 zur Beendigung von überlangen Untersuchungen eingeführt wurde, das Verfahren zwar eingestellt worden ist, dies ist aber in den vorliegenden Fällen, in welchen die Untersuchungen 6 Jahre und 9 Monate bzw. 7 Jahre und 4 Monate anhängig waren, kein effizienter Ausgleich. Die Opfereigenschaft der Beschwerdeführer liegt somit immer noch vor. Zuspruch an gerechter Entschädigung an jeden Beschwerdeführer von € 6.000,--

 

O´Halloran und Francis gegen UK; Urteil der Großen Kammer vom 29.6.2007;

Verpflichtung zur Lenkerauskunft nach § 172 der englischen StVO bedeutet keine Verletzung des Ar. 6 Abs.1+2 EMRK:

Verurteilung des Beschwerdeführers O`Halloran wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nach verpflichtend zu erteilender Lenkerauskunft.

Verurteilung des Beschwerdeführers Francis wegen Verweigerung der Lenkerauskunft (betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung).

Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten ist kein absolutes.

Die bloße Verpflichtung des Zulassungsbesitzers eines Fahrzeuges zur Benennung dessen Lenkers ist für sich gesehen noch keine Selbstbezichtigung. Die Strafmöglichkeit wegen Verweigerung der Lenkerauskunft  ist moderat und sieht eine Haft nicht vor. Es ist dem Beschuldigten unbenommen, zu seiner Entlastung Beweise vorzulegen und Zeugen zu benennen. Wenn der Zulassungsbesitzer beweisen kann, dass er nicht weiß und nicht wissen kann, wer sein Fahrzeug gelenkt hat, kann er nicht bestraft werden, ein Erfolgsdelikt liegt somit nicht vor. Sehr eingeschränkte Möglichkeit der Polizei zur Befragung (nur betreffend ganz klar definierter Delikte). (15:2 Stimmen).

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

Ülger gegen die Türkei; Urteil vom 26.6.2007; BeschwNr.  25.321/02

Zugang zu einem Gericht nach Art. 6 Abs.1 EMRK – keine Urteilsvollstreckung, weil der im Prozess unterlegene Gegner die Gerichtskosten nicht bezahlt hat – Verletzung.

 

Larco gegen Rumänien; Urteil vom 11.10.2007; BeschwNr. 30.200/03

Zurückweisung einer Schadenersatzklage, weil der Kläger finanziell nicht zur Bezahlung der Gerichtsgebühren in der Lage war.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK - Zugang zu einem Gericht.

 

Kijewska gegen Polen; Urteil vom 6.9.2007; BeschwNr. 73.002/01

Zurückweisung eines Antrages auf Berichtigung einer Grundbuchseintragung, weil die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, die Gerichtsgebühren zu bezahlen (Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK - Zugang zu einem Gericht).

 

Zagorodnikov gegen Russland; Urteil vom 7.6.2007; BeschwNr.  66.941/01

190.000 Gläubiger einer insolventen Bank – Beschränkung des Zutritts zur Verhandlung betreffend deren Ansprüche.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – öffentliche Verhandlung.

 

Malahov gegen Moldawien; Urteil vom 7.6.2007; BeschwNr.  32.268/02

Verweigerung der Annahme einer Klage wegen Nichtbezahlung sehr hoher Gerichtsgebühren.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem Gericht

 

Ortner gegen Österreich; Urteil vom 31.5.2007; BeschwNr.  2.884/04

Dauer eines Grundzusammenlegungsverfahrens: 12 Jahre.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK

 

Stadukhin gegen Russland; Urteil vom 18.10.2007; BeschwNr. 6.857/02

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (faires Verfahren), weil die Rechtsmittelverhandlung in Abwesenheit und ohne Verständigung des Verurteilten erfolgt ist.

 

Paul gegen die BRD; Zulässigkeitsentscheidung vom 29.5.2007;

BeschwNr.  35.556/03

Keine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers im Schadenersatzprozess wegen Immissionen aus einer Kläranlage.

Unzulässigkeit der Beschwerde – faires Verfahren.

 

Kania gegen Polen; Urteil vom 10.5.2007; BeschwNr.  59.444/00

Wegen nicht bezahlbarer Gerichtsgebühren hat der Beschwerdeführer auf ein Rechtsmittel im Verfahren betreffend Invaliditätspension verzichtet.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem Gericht.

 

Macko und Kozubal gegen die Slowakei; Urteil vom 19.6.2007;

BeschwNr.  64.054 und 64.071/00;

Verweigerung der Zeugenaussage wegen Befürchtung, sich selbst zu belasten.

Keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK

 

Pititto gegen Italien; Urteil vom 12.6.2007; BeschwNr.  19.321/03

Abwesenheitsurteil und Verweigerung der Wiederaufnahme des Strafprozesses nach Auslieferung des Beschwerdeführers nach Italien – Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Verteidigungsrechte.

 

Botmeh und Alami gegen UK; Urteil vom 7.6.2007;

BeschwNr. 15.187/03 – keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK durch Verwendung von Informationen aus Geheimdienstquellen im Strafprozess wegen Terrorismus.

 

Tuma gegen Österreich; Urteil vom 24.5.2007; BeschwNr.  32.942/03

Möglichkeit, die Gutachtenserstattung in einem Strafprozess zu beschleunigen ( Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG) – Unzulässigkeit der Beschwerde.

 

Da Luz Domingues Ferreira gegen Belgien; Urteil vom 24.5.2007;

BeschwNr. 50.049/99 – Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK wegen Verweigerung der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens nach Fällung eines Abwesenheitsurteils, welches während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland gefällt wurde.

 

A.H. gegen Finnland; Urteil vom 10.5.2007; BeschwNr. 46.602/99

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Verteidigungsrechte

Der Beschwerdeführer konnte im Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen in keinen Stadium des Verfahren Fragen an das Opfer stellen.

 

Kampanellis gegen Griechenland; Urteil vom 21.6.2007; BeschwNr. 9.029/05

Äußerung einer Schuldvermutung bei einer Entscheidung betreffend Entlassung gegen Kaution in einem anhängigen Strafverfahren.

Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK.

 

Patera gegen Tschechien; Urteil vom 26.4.2007

BeschwNr. 25.326/03 – Verletzung des Art. 6 Abs.1 (und Art. 8) EMRK

Sorgerechtsverfahren – Dauer: über 15 Jahre und mangelnde Durchsetzung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher dem Beschwerdeführer das Besuchsrecht zugestanden wurde.

 

Nuutinen gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007; BeschwNr. 45.830/99

Verurteilung wegen Delikten, welche nicht mit der Anklage übereinstimmen – Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit. a+b EMRK.

 

B. gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007; BeschwNr. 17.122/02

Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger aufgrund der Aussagen der Opfer im Vorverfahren, in welchem der Beschwerdeführer darauf verzichtet hatte, an diese Fragen zu stellen oder stellen zu lassen – keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.

 

Matyjek gegen Polen; Urteil vom 24.4.2007

BeschwNr. 38.184/03 – Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 EMRK – fairness

Verfahren nach dem sog. LustrationsG zur Feststellung der Richtigkeit der Erklärung eines Abgeordneten, dass er nicht mit dem kommunistischen Geheimdienst zusammen gearbeitet hat.

 

W. gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007; BeschwNr.  14.151/02

Der wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger Angeklagte hatte keine Möglichkeit, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.

 

Laudon gegen Deutschland; Urteil vom 26.4.2007; BeschwNr. 14.635/03

12 Jahre dauerndes Zivilverfahren betreffend Schadenersatz wegen eines ärztlichen Kunstfehlers – Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.

 

Prischl gegen Österreich; Urteil vom 26.4.2007; BeschwNr. 2.881/04

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – überlange Verfahrensdauer

Fast 8 Jahre dauerndes agrarrechtliches Grundzusammenlegungsverfahren.

 

Demirel und Ates gegen die Türkei; Urteil vom 12.4.2007;

BeschwNr. 10.037/03 und 14.813/03 – Verletzung des Art. 6 (und 10) EMRK

Strafrechtliche Verurteilung des Eigentümers und Herausgebers einer Zeitung.

Keine Möglichkeit, sich zur Stellungnahme der Generalprokuratur vor dem Kassationsgerichtshof zu äußern.

 

Collmann gegen Deutschland; Zulässigkeitsentscheidung vom 3.4.2007

BeschwNr. 29.453/02 – Unzulässigkeit der Beschwerde – Unschuldsvermutung

Keine Entschädigung für Auslieferungs- und U-Haft nach Verfahrenseinstellung.

 

Tunc gegen die Türkei; Urteil vom 27.3.2007; BeschwNr. 32.432/96

Bestätigung der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Berufungsgericht nach Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers. Verletzung des Art. 6 Abs.3 lit.c EMRK.

 

Matzinger gegen Österreich; Streichung aus der Liste am 15.3.2007

(friendly settlement) - BeschwNr. 27.832/05

Dauer eines Verfahren betreffend die Ausstellung eines Taxilenkerausweises – Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK – gütliche Einigung.

 

Grimm gegen Deutschland; Streichung aus der Liste am 13.3.2007

(friendly settlement) – BeschwNr. 27.696/05

Scheidungsverfahren hat mehr als 8 Jahre gedauert.

 

Danila gegen Rumänien; Urteil vom 8.3.2007; BeschwNr. 53.897/00

Der Beschwerdeführer hatte als Angeklagter eine Gelegenheit, vor Gericht zu den Anklagepunkten Stellung zu nehmen und Fragen an die Belastungszeugen zu richten – Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

Geerings gegen die Niederlande; Urteil vom 1.3.2007

BeschwNr.  30.810/03 – Unschuldsvermutung

Einziehung von Gegenständen, die durch Delikte erworben wurden, von deren Begehung der Beschwerdeführer rechtskräftig frei gesprochen worden ist.

Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK

 

Aigner gegen Österreich; Zulässigkeitsentscheidung vom 15.2.2007;

BeschwNr. 28.328/03 - Zulässigkeit der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund von Aussagen des Opfers im Vorverfahren verurteilt, welche in der Hv verlesen wurden.

 

John gegen Deutschland; Zulässigkeitsentscheidung vom 13.2.2007

BeschwNr. 15.073/03 – Unzulässigkeit der Beschwerde.

Weigerung des OLG, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Eskelinen gegen Finnland; Urteil der Großen Kammer vom 19.4.2007;

BeschwNr. 63.235/00 – Anwendung des Art. 6 EMRK im öffentlichen Dienst.

Zusage des Einkommensverlustes infolge Schließung eines Polizeiposten, wodurch sich der Weg zur Arbeit um 50 km verlängerte durch das zuständige Polizeikommando. Das Finanzministerium hat dann aber den Antrag des Innenministeriums abgelehnt. Gegen die Ablehnung dieses Antrages haben die Beschwerdeführer Berufung an das Provinzgericht erhoben, welche ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgewiesen wurde. Das Oberste Verwaltungsgericht hat das dagegen erhobene Rechtsmittel wiederum ohne die beantragte mündliche Verhandlung abgewiesen. Die Versprechungen des Polizeikommandos hätten keine rechtliche Relevanz, weswegen auch kein mündliche Verhandlung notwendig sei. Dieser Fall macht es notwendig die im Urteil Pellegrin gegen Frankreich aufgestellten Grundsätze weiter zu entwickeln. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit sich der belangte Staat vor dem GH auf die Stellung des Beschwerdeführers als öffentlich Bediensteter berufen kann, um den Schutz des Art.  EMRK auszuschließen. Einerseits muss das innerstaatliche Recht den Zugang zu einem Gericht ausdrücklich ausschließen. Andererseits muss dieser Ausschluss durch objektive Gründe im Interesse des Staates gerechtfertigt sein. Der Gegenstand der Streitigkeit muss im Zusammenhang mit der Ausübung staatlicher Gewalt durch den Betroffenen stehen; im Ergebnis gilt daher die Vermutung, dass Art. 6 EMRK anwendbar ist, was auch für Streitigkeiten betreffend Bezüge, Zuschüsse oder anderer Ansprüche gilt. Hier hatten alle Beschwerdeführer nach den innerstaatlichen Vorschriften Zugang zu einem Gericht, weswegen Art. 6 EMRK anwendbar ist (12:5 Stimmen). Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK wegen unangemessen langer Verfahrensdauer (7 Jahre – kein komplexes Verfahren). 14:3 Stimmen.

Eine mündliche Verhandlung musste unter diesen Umständen nicht durchgeführt werden – keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig).

Verletzung des Art. 13 EMRK, weil die Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatten, sich effektiv gegen die unangemessen Dauer des Verfahrens zu beschweren (15:2 Stimmen).

Keine Verletzung des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK (allein oder auch iVm Art. 14 EMRK, weil die Konvention kein Recht auf ein Gehalt in einer bestimmten Höhe vorsieht (einstimmig).

Zuspruch nach Art. 41 EMRK: €  2.500,-- für jeden Beschwerdeführer an immateriellem Schaden, €  9.622,-- für Kosten und Auslagen.

 

Gousis gegen Griechenland; Urteil vom 29.3.2007; BeschwNr.  8.863/03

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem Gericht.

Einstellung eines Strafprozesses wegen Verjährung und keine Möglichkeit für den Beschwerdeführer seine Privatbeteiligungsansprüche (Schadenersatz) durchzusetzen.

 

Staroszczyk gegen Polen; Urteil vom 22.3.2007; BeschwNr. 59.519/00

Das polnische Verfahrenshilfesystem  widerspricht dem Art. 6 Abs.1 EMRK (4:3 Stimmen). Der Verfahrenshilfeanwalt des Beschwerdeführer war nach polnischem Recht nicht verpflichtet, eine schriftliche Erklärung abzugeben, warum er eine Beschwerde an das Höchstgericht nicht für aussichtsreich hält und er diese daher nicht eingebracht hat. Der Beschwerdeführer hatte daher keinen effektiven und konkreten Zugang zu den Gerichten, was ihre rechtliche Vertretung nach dem polnischen Verfahrenshilfesystem anbelangt. Zuspruch von €  4.000,-- an immateriellem Schaden und €  3.500,-- für Kosten und Auslagen.

 

Sialkowska gegen Polen; Urteil vom 22.3.2007; BeschwNr. 8.932/05

Der Verfahrenshilfeanwalt hat sich geweigert, ein Rechtsmittel an das Höchstgericht zu erheben – unzureichende Vertretung des Beschwerdeführers – Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem Gericht.

 

F. und M. gegen Finnland; Urteil vom 21.6.2007; BeschwNr. 22.508/02

Keine Möglichkeit des Beschuldigten, der wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter verurteilt wurde, im Strafprozess Fragen an das angebliche Opfer zu stellen. Verletzung des Art. 6 ABs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.

 

Tudor-Comert - Moldawien; Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 27.888/04

Berufung im Amtshaftungsverfahren abgelehnt, weil der Rechtsmittelwerber nicht in der Lage war, die Gerichtsgebühren zu bezahlen.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.

 

Dinu - Rumänien und Frankreich; Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 6.152/02

Kein entsprechendes Engagement der rumänischen und französischen Gerichte zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Sohnes des Bf gegen den in Frankreich lebenden Vater - Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (Zugang zu einem Gericht).

 

Adam - BRD; Urteil vom 4.12.2008; BeschwNr. 44.036/02

Zwei Besuchsrechtsverfahren - unangemessene Dauer - jeweils Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK

 

Richter; Urteil vom 18.12.2008; BeschwNr. 4.490/06; Dauer und Fairness eines Administrativverfahrens betreffend Einwendungen

gegen den Bau einer Tiefgarage unter Missachtung der gesetzlichen Abstandsbestimmungen von seinem Grundstück.

zweifache Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK

 

Bota - Rumänien; Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 16.382/03

Rechtskräftiger Freispruch in einem Finanzstrafverfahren. Rechtskräftiges Urteil: Zuspruch von Haftentschädigung.

Aufgrund eines Antrages der Generalprokuratur wurde dieses Urteil aufgehoben.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK - fair trial - Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

Zuspruch von € 14.000,-- für materiellen und € 2.000,-- für immateriellen Schaden.

 

Aslan - Türkei; Urteil vom 2.12.2008; BeschwNr. 25.060/02 und 1.705/03

Verletzung der Art. 3, 6 Abs.1, Abs.3 lit.c und Art. 5 Abs.3+4 EMRK.

Verwertung eines unter Folter abgelegten Geständnisses bei der Verurteilung.

 

J. M.  - Österreich; Urteil vom 1.6.2017, BeschwNr. 61.503/14

Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue; Verkauf von Anteilen der Kärntner Landes- und Hypothekenbank.

Der für das Hauptverfahren vom Gericht bestellte Sachverständige hatte bereits für die Staatsanwaltschaft  in den Voruntersuchungen das Gutachten erstattet.

Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit (Art.6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK).  Der Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen

ist unter den gegebenen Umständen nicht berechtigt.

 

Haupt - Österreich; Zulässigkeitsentscheidung vom 2.5.2017, BeschwNr. 55.537/10

Antrag des Bf auf Entschädigung nach § 6 MedienG und § 115 StGB gegen ATV wegen des Ausdruck "braune Ratten"

Nach Einbringung der Beschwerde beim EGMR und deren Zustellung an Österreich hat die GenProk an den OGH einen Antrag auf

außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 StPO gestellt, der in Stattgabe dieses Antrages die Angelegenheit an das Straflandesgericht Wien zurückverwiesen hat.

In der Folge kam es zu Abweisung des Entschädigungsantrags. Die Dauer des Verfahrens von knapp zwei Jahren vor drei Instanzen ist nicht unangemessen.

Unzulässigkeit der Beschwerde.

 

Schmidtkunz - BRD; Zulässigkeitsentscheidung vom 28.3.2017, BeschwNr. 19.600/15

Disziplinarverfahren gegen einen Bundeswehrsoldaten auf Grundlage seines Geständnisses vor einer "Vertrauensperson"

Ein solches Verfahren fällt unter den zivilrechtlichen Aspekt des Art.6 EMRK - das Verfahren war insgesamt gesehen fair.

Es gab keinen Zwang, keine Täuschung; die Zulässigkeit der Aussage der Vertrauensperson konnte überprüft werden und konnte der Zeuge vor

dem Bundesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer befragt werden. Diese Aussage war nicht das einzige und ausschlaggebende Beweismittel.

 

Simeonovi - Bulgarien; Urteil der Großen Kammer vom 12.5.2017, BeschwNr. 21.980/04

Das Fehlen des rechtlichen Beistands während der ersten vier Tage des Polizeigewahrsams hat die Fairness des Strafprozess

unten den gegebenen Umständen nicht unwiderruflich beeinträchtigt. Die Verurteilung stützt sich nicht nur auf das anfängliche Geständnis sondern

auf eine ganze Reihe von schlüssigen Beweisen, Zeugen und Gutachten, physische und dokumentarische Beweise.

Keine Verletzung des Art.6 Abs.1 und Abs.3 lit.c EMRK (12:5 Stimmen).

 

Die EGMR-Rechtsprechung zum Recht des Angeklagten auf Ladung und kontradiktorische Befragung von Zeugen iSd Art. 6 Abs.3 lit.d EMRK:

 

Unterpertinger - Österreich vom 24.11.1986, A-110

 

Barbera, Messegue und Jabardo - Spanien vom 6.12.1998, A-146, Rz. 78

 

Artner - Österreich vom 28.8.1992, A-242-A

 

Van Mechelen u.a. - Niederlande vom 23.4.1997

 

Luca - Italien vom 27.2.2001, BeschwNr. 33.354/96, Rz. 39

 

Solakov - Mazedonien vom 31.10.2001, BeschwNr. 47.023/99

 

S.N. - Schweden vom 2.7.2002, BeschwNr. 34.209/96, Rz. 47

 

Craxi - Italien vom 5.12.2002, BeschwNr. 34.896/97

 

Rachdad - Frankreich vom 13.11.2013, BeschwNr. 71.846/01, Rz. 24   (u.a. Pflicht, Zeugen ausfindig zu machen)

 

Yavuz - Österreich vom 27.5.2004, BeschwNr. 46.549/99; § 51f Abs.2 VStG - Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS

 

Donner - Österreich vom 22.2.2007, BeschwNr. 32.407/04

 

W.S. - Polen vom 19.6.2007, BeschwNr. 21.508/02

 

Jorgic - BRD vom 12.7.2007, BeschwNr. 74.613/01

 

Ramanauskas - Litauen vom 5.2.2008, BeschwNr. 74.420/01

 

Petrov - Bulgarien vom 23.6.2011, BeschwNr. 20.024/04, Rz. 35

 

Al-Khawaja und Tahery - UK vom 15.12.2011, 26.766/05 und 22.228/06, Rz. 118

 

Aigner - Österreich vom 10.5.2012, BeschwNr. 28.328/03

 

Hümmer - BRD vom 12.7.2012, BeschwNr. 26.171/07

 

Sievert - BRD vom12.7.2012, BeschwNr. 29.881/07

 

Stefancic - Slowenien vom 25.10.2012, BeschwNr. 18.027/05, Rz. 37

 

Tseber - Tschechien vom 22.11.2012, BeschwNr. 46.203/08, Rz. 47+48

 

C.B. - Österreich vom 4.4.2013, BeschwNr. 30.465/06

 

Rudnichenko - Ukraine vom 11.7.2013, BeschwNr. 2.775/07, Rz. 104

 

Vronchenko - Estland vom 18.7.2013, BeschwNr. 59.632/09, Rz. 58

 

Lucic - Kroatien vom 27.2.2014, BeschwNr. 5.699/11

 

 

E M R K Art. 6
fair trial RA Dr. Postlmayr

 

zurück