Artikel 6 Recht auf ein faires Verfahren
Abs.1
Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in
billiger Weise öffentlich und innerhalb einer
angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem
unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen oder über die
Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen
strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das
Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann
die Presse und die Öffentlichkeit während der
gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im
Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung
oder der nationalen Sicherheit in einem
demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder
wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz
des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen
oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die
öffentliche Verhandlung die Interessen der
Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall
jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts
erforderlichen Umfang.
Abs.2
Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird
vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung
Angeklagte unschuldig ist.
Abs.3
Jeder Angeklagte hat mindestens (englische Fassung)
/ insbesondere (französischer Text) die folgenden
Rechte:
a)
in möglichst kurzer Frist in einer für ihn
verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über
die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen
Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b)
über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur
Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;
c)
sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines
Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er
nicht über die Mittel zur Bezahlung eines
Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand
eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im
Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d)
Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder
stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der
Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie
die der Belastungszeugen zu erwirken;
e)
die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu
verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des
Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin
ausdrücken kann.
vgl. auch Art. 19 Abs.4, 97, 101 und 103 GG der BRD
vgl. auch Art. 47 Grundrechte-Charta der EU (GRC)
Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf
und ein unparteiisches Gericht
vgl. auch Art. 48 Grundrechte-Charta der EU (GRC)
Unschuldsvermutung und
Verteidigungsrechte
vgl. Art. 10
AEMR und Art. 14 IpbpR
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Art. 6
EMRK ist für die Spruchpraxis des EGMR das
bedeutsamste Grundrecht.
Darin
sind die wesentlichsten Garantien (der
Mindeststandard) eines rechtsstaatlichen Verfahrens
normiert, um die primären Ziele eines Rechtsstaates,
Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen.
Dieser
Artikel findet Anwendung in Verfahren betreffend
a)
zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen :
(civil
rights and obligations / droits et obligations de
caractère civil)
« Zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen »
iSd Rechtsprechung des EGMR decken sich mit dem
Verständnis der Mitgliedstaaten des Europarates (der
EMRK) zu diesem Rechtsbereich nur zum Teil, was
nicht selten zur Feststellung der Verletzung dieses
Artikels führt, weil der EGMR einerseits keine
allgemein gültige Definition dieser Begriffe zur
Verfügung stellt und andererseits den überlieferten
kontinentaleuropäischen Begriff des Zivilrechts
teilweise erheblich ausdehnt. Dies macht z.B. die
Abgrenzung des Zivilrechts vom Verwaltungsrecht oft
schwierig.
Der VfGH
bezeichnet dies als „offene Rechtsfortbildung“ und
lehnt die Judikatur des EGMR unter Verweis auf das
österreichische Staatsorganisationsrecht zum Teil
kategorisch ab (z.B. VfSlg. 11.500 betreffend
Baubewilligungsverfahren). Dies führt zu
Verurteilungen Österreichs (zuletzt in mehreren
Fällen im Mai 2007) wegen Verletzung des Art. 6
EMRK, wenn der VwGH über Beschwerden keine mündliche
Verhandlung durchführt, soweit nicht nur rein
rechtliche oder hochtechnische Fragen zu klären
sind.
Das
Recht, auf einem Grundstück zu bauen, wird dann als
ein ziviles angesehen, wenn die Erteilung der
Baubewilligung nach dem Flächenwidmungsplan, der
Raumordnung zulässig ist (EGMR vom 16.1.2001 im Fall
Ludescher – ÖJZ 2001, 439; EKMR vom 15.10.1991 – ÖJZ
1992, 385; EGMR vom 28.6.1990 im Fall Skätby; EGMR
vom 25.10.1989 im Fall Allan Jacobsson – ÖJZ 1990,
246; EGMR vom 25.11.1994 im Fall Ortenberg gegen
Österreich – ÖJZ 1995, 225; EGMR vom 23.9.1982 in
den Fällen Sporrong und Lönnroth, EuGRZ 1983, 523).
Ein
„ziviles Recht“ wird jedenfalls dann angenommen,
wenn diesem Vermögenswert zukommt (EGMR vom
28.9.1995 im Fall Procola, ÖJZ 1996, 193).
In der
Judikatur des EGMR haben sich drei Gruppen von
Fällen herausgebildet, welche Zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen betreffen:
Bei
Auswirkungen der Entscheidung auf auf das Eigentum,
die Berufs- und Erwerbsfreiheit oder den
Liegenschaftsverkehr.
Abwägung
zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen
Aspekten, z.B. sozialversicherungsrechtliche
Ansprüche (Krankengeld, Rente, auch Beamtenpension).
Verfahren
betreffend Vermögenswerte ungeachtet
verwaltungsbehördlicher Zuständigkeiten (EGMR
A-234-B im Fall Périscope).
Dagegen
zählen das Strafrecht, Steuerverfahren, Wehrpflicht,
Wahlrecht, Untersagung und Auflösung einer
Versammlung, Asyl- und Aufenthaltsrecht,
Staatsbürgerschaft nicht zu diesen Rechten.
Es kommt
auf die Unterscheidung zwischen materiellen und
formalen (prozessualen) Rechten an. Ein
materiellrechtlicher Anspruch nach innerstaatlichem
Recht ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des
Art. 6, wobei der EGMR dazu einen großzügigen
Maßstab anlegt. Parteistellung ist nicht maßgeblich
(EGMR BeschwNr. 32.555/96 im Fall Roche). Der
Anspruch muss jedoch real und ernsthaft, zumindest
argumentierbar sein; dies ist der Fall, wenn irgend
eine Rechtsgrundlage für den Anspruch im
innerstaatlichen Recht besteht.
Es muss
eine „Streitigkeit“ (franz.: contestation – nichts
Vergleichbares in der englischen Fassung) vorliegen,
weswegen Verfahren nicht berührt sind, die nicht der
Streitentscheidung dienen, wobei aber die Art des
Entscheidungsorgans und das anzuwendende
Verfahrensrecht keinen Ausschlag geben.
Auf
verwaltungsgerichtliche Verfahren ist Art. 6 auch
dann anwendbar, wenn generelle Rechtsnormen wie
Verordnungen oder Satzung betroffen sind, also auch
im Bereich der Raumordnung.
Nach der
neueren Rechtsprechung fallen auch Verfahren vor den
Verfassungsgerichten unter Art. 6, wenn ihr Ausgang
für zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen
entscheidend ist (EGMR A-262, § 59 im Fall
Ruiz-Mateos betreffend ein Enteignungsverfahren).
Auch betreffend Verfassungsbeschwerde gegen ein
Gesetz und Normenkontrollverfahren durch Gerichte
(EGMR Urteil vom 29.5.1997 im Fall Probstmeier gegen
die BRD, BeschwNr. 20.950/92 - Verletzung des Art.6
Abs.1 EMRK).
b)
strafrechtliche Anklage :
(criminal
charge / accusation pénale)
Ob eine
strafrechtliche Anklage vorliegt, beurteilt der VfGH
nach Sinn und Zweck der EMRK danach, ob das Gesetz
die Zuwiderhandlung systematisch dem Strafrecht
zuordnet (VfSlg. 11.506 und 11.917; EGMR vom
23.10.1995 im Fall Gradinger u.a. gegen Österreich).
Ist dies nicht der Fall ist weiter die Schwere der
Sanktion von Bedeutung (ahndender bzw.
abschreckender Charakter der Strafe).
Deshalb
ist ein disziplinarrechtliches Berufsverbot eine
Strafe (VfSlg. 11.506, 11.569, 11.776 und 15.543)
Das
rechtsanwaltliche Disziplinarverfahren ist eine
strafrechtliche Anklage (VfSlg. 16.268).
Mittlerweile unbestritten ist, dass das
Verwaltungsstrafverfahren in den Anwendungsbereich
der EMRK fällt (EGRM vom 20.12.2001 im Fall
Baischer* gegen Österreich).
Da dieses
Recht nicht in die Disposition der Gesetzgeber der
Mitgliedstaaten gestellt werden darf, hat der EGMR
eine von den nationalen Rechten autonome Auslegung
vorgenommen (EGMR A-27, § 88 im Fall König, A-49 im
Fall Adolf und A-35 im Fall Deweer).
Es soll
verhindert werden, dass die Staaten den
Anwendungsbereich des Art. 6 (und 7) EMRK durch
gesetzgeberische Maßnahmen umgehen (EGMR A-73 im
Fall Öztürk gegen die BRD).
Ordnungsstrafen
nach der ZPO fallen nicht darunter (Urteil vom
22.2.1996 im Fall Putz - Österreich).
Drei
Kriterien haben sich in der Rechtsprechung des EGMR
für das Vorliegen einer strafrechtlichen Anklage
herausgebildet:
Zuordnung der Rechtsvorschrift im
nationalen Recht
Natur des Vergehens
Schwere der Sanktion
Das erste
Kriterium spielt in der Praxis wenig Rolle, dazu
gehört jedenfalls das Kriminalstrafrecht.
Beim
zweiten Kriterium kommt es auf die angedrohte
Sanktion (abschreckender, präventiver, repressiver
Charakter der Norm) an.
Nicht das
Verhalten sondern die Strafnorm selbst ist der
Maßstab, auch Ordnungswidrigkeiten nach dem OWiG
fallen darunter (EGMR A-73 im Fall Öztürk gegen die
BRD). Vergleichend ist die Rechtslage der übrigen
Vertragsstaaten zu berücksichtigen. Strafart und
Strafhöhe sind dabei nur insoweit von Bedeutung, als
sie einen Hinweis auf den strafrechtlichen Charakter
einer Norm geben können (EGMR A-22, § 84 im Fall
Engel gegen Österreich sowie EGMR A-80, § 71 im den
Fällen Campbell und Fell).
Das
dritte Kriterium steht im engen Zusammenhang mit dem
zweiten; die Art der Sanktion umfasst die konkreten
Auswirkungen auf den Beschuldigten, die von der Art
der Strafe, der angedrohten Höchststrafe und der Art
der Vollstreckung gekennzeichnet sind.
Es ist
dabei aber nicht auf die konkrete Strafhöhe
abzustellen sondern auf die mögliche Höchststrafe,
den Strafrahmen. Nur in besonderen Ausnahmefällen
wird der tatsächlich verhängten (sehr geringen)
Strafe Beachtung geschenkt.
Auch
disziplinarrechtliche Berufsverbote fallen darunter,
wenn sie nicht bloß vorübergehend und kurzfristig
sind (auch betreffend zivilrechtliche Ansprüche und
Verpflichtungen relevant!).
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Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK:
vgl. auch
Art. 48 Abs.1 Grundrechte-Charta der EU (GRC)
Eine
Strafe darf erst dann ausgesprochen werden, wenn in
einem rechtsstaatlichen Verfahren Sachverhalt und
Verschulden festgestellt wurde. Das innerstaatliche
Recht ist dabei nicht alleiniger Maßstab der
Beurteilung (EGMR vom 7.10.1988 im Fall Salabiaku –
ÖJZ 1989, 347). Grundlegender Maßstab ist, dass die
Mindestrecht nach Abs.3 gewahrt sind (VfSlg. 8483
und 8505).
Ein Zwang
zur Selbstbeschuldigung ist mit diesem Recht
unvereinbar.
Der
Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG ist dabei
ebenfalls von Bedeutung.
Eine
Information der Öffentlichkeit durch die
Ermittlungsbehörden ist zulässig, darf aber keine
Schuldbehauptungen enthalten (EGMR vom 10.2.1995 im
Fall Allent de Ribemont – ÖJZ 1995, 509; EGMR A-140
im Fall Schenk). Hier äußerst sich die doppelte
Wirkung der Unschuldsvermutung: einerseits soll
verhindert werden, dass die Öffentlichkeit vorzeitig
von der Schuld des Angeklagten ausgeht, andererseits
soll einer Vorwegnahme der gerichtlichen
Beweiswürdigung entgegen gewirkt werden.
Die
Beweislast für das Vorliegen einer Straftat liegt
bei den Gerichten (Behörden), diese haben auf
gesetzliche Art und Weise den Nachweis des
schuldhaften, strafbaren Verhaltens nachzuweisen
(ecolex 1996, 806). Zweifel haben sich zugunsten des
Beschuldigten auszuwirken ((EGMR A-146 im Fall
Berberà u.a.). Die Begründung der Schuld mit
rechtswidrigen Beweisen ist nicht zulässig.
Rechts-
und Tatsachenvermutungen sind zwar zulässig, müssen
sich aber in vernünftigen Grenzen halten (ÖJZ 1994,
527 sowie EGMR vom 7.10.1988, A-141, § 28 im Fall
Salabiaku – ÖJZ 1989, 347).
Die
Vermutung des schuldhaften Verhaltens bei
Verwaltungsübertretungen iSd § 5 Abs.1 VStG ist
verfassungskonform (VfSlg. 13.790, VwGH vom
24.1.2000, 99/17/0399).
Art. 6
Abs.2 EMRK umfasst kein Recht auf Erstattung der
Verfahrenskosten bei Freispruch (EGMR vom 26.3.1996
im Fall Leutscher gegen die Niederlande, BeschwNr.
17.314/90, Rz 29 samt Vorjudikat des EGMR vom
25.8.1987, A-123, Rz.59 – veröffentlicht etwa in ÖJZ 1996, 677
- keine Verletzung des Art.6 Abs.2 EMRK).
Die
Berücksichtigung einer nicht rechtskräftigen Strafe
als erschwerend bei der Strafbemessung verletzt Art.
6 Abs.2 EMRK (VfSlg. 8483 und 8505).
Keine
Bedeutung hat die Unschuldsvermutung im Zivilprozess
(§1489 ABGB – OGH vom 25.5.1993, 1 Ob 532/93).
Das
Grundgesetz der BRD enthält die Unschuldsvermutung
nicht explizit; das Bundesverfassungsgericht sieht
diese als besondere Ausprägung des
Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 74, 358 (370) u.a.),
die EMRK ist Auslegungshilfe und wichtiger
Konkretisierungsmaßstab.
Neben
Art. 6 gewährt auch Art. 5 EMRK der festgenommenen
Person Verfahrensrechte.
Die
Garantien des Art. 6 und jene des Art. 7 EMRK (Keine
Strafe ohne Gesetz) und des Art. 4 des 7. ZP zur
EMRK (Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbot)
finden nebeneinander Anwendung; Art. 6 bezieht sich
auf die Art und Weise der Urteilsfindung und die
Rechte des Angeklagten im Strafprozess, Art. 7 die
Rechtsgrundlagen des Urteils.
Ein
besonderes Problem stellt das Verhältnis des Art. 6
EMRK zu Art. 13 (Recht auf eine wirksame Beschwerde)
dar.
Während
Art. 6 den Zugang zu einem Gericht sicher stellt,
räumt Art. 13 EMRK das Recht auf die wirksame
Geltendmachung der Konventionsrechte ein (EGMR A-52,
§ 88 in den Fällen Sporrong und Lönnroth, A-61, §
110 in den Fällen Silver u.a. sowie A-296-A, § 65 im
Fall Hentrich).
Die
Anforderungen, die an das Recht auf eine wirksame
Beschwerde nach Art. 13 EMRK zu stellen sind, sind
geringer als jene nach Art. 6 (EGMR, A-61, § 110 in
den Fällen Silver u.a.).
In der
Praxis prüft der EGMR nach Feststellung der
Verletzung des Art. 6 EMRK die Frage der Verletzung
des Art. 13 EMRK unter besonderen Umständen nicht
mehr.
Die Anforderungen des Art. 6 EMRK an ein
„Gericht“:
Diese
Bestimmung verlangt die Entscheidung durch ein
unabhängiges, unparteiisches, auf Gesetz beruhendes
Gericht.
Dazu
zählen alle Gerichte der Mitgliedstaaten, welche der
ordentlichen Gerichtsbarkeit angehören.
Darüber
hinaus aber auch alle Spruchkörper, die die
Kompetenz haben, aufgrund eines geregelten und mit
entsprechenden Garantien ausgestatteten Verfahrens
nach rechtlichen Maßstäben zu entscheiden (EGMR
A-132, § 64 im Fall Belilos; EGMR A-84, § 36 im Fall
Sramek gegen Österreich; EGMR A-13, §95 im Fall
Ringeisen gegen Österreich). Das Organ muss ein die
Parteien bindende Entscheidung treffen können und
den wesentlichen Sachverhalt selbst ermitteln. Die
Entscheidung darf nicht durch ein außergerichtliches
Organ zum Nachteil einer Partei außer Kraft gesetzt
werden können. Die Einräumung von Ermessen ist
zulässig; alleinige kassatorische Befugnis reicht
aus (EGMR A-268-A, § 31 im Fall Zumtobel gegen
Österreich).
Das
Gericht kann zusätzlich zu den Berufsrichtern mit
Laienrichtern besetzt sein (EGMR A-84, § 39 im Fall
Sramek gegen Österreich).
Spezial-
und Sondergerichte sind dann mit Art. 6 EMRK
vereinbar, wenn die Verfahrensgarantien ausreichend
sicher gestellt sind.
Auch
Schiedsgerichte mit Zwangszuständigkeit sind
Gerichte iSd Art. 6.Wenn die Parteien in der
Schiedsvereinbarung (auch konkludent) auf die
Garantien des Art. 6 EMRK verzichtet haben, sind an
die Schiedsgerichte nicht die Anforderungen des Art.
6 zu stellen.
Das
Gericht muss
unabhängig
sein; dabei ist die Art und Weise der Bestellung der
Richter von Bedeutung, deren Amtsdauer, Garantien
gegen äußere Beeinflussung sowie der äußere Anschein
von Bedeutung. Die Richter müssen unabsetzbar und
weisungsfrei sein. Ein Amtsdauer von zumindest drei
Jahren ist ausreichend (EGMR A-84, § 39 im Fall
Sramek gegen Österreich). Eine
besonders enge Verbindung des gerichtlichen mit dem
verwaltungsbehördlichen Verfahren ist nicht zulässig
(EGMR A-97, § 41 im Fall Benthem).
Das
Gericht muss unparteiisch sein; dies betrifft die
Objektivität des richterlichen Verhaltens. Die
Prüfung der Unparteilichkeit wird nach einem
objektiven (interne Organisation des Gerichts und
Funktion des Richters im Verfahren) und einem
subjektiven (Voreingenommenheit oder Befangenheit)
Ansatz vorgenommen.
Der
Richter darf nicht bereits im Vorfeld mit dieser
Angelegenheit befasst gewesen sein.
Nach
Aufhebung der Entscheidung muss die Sache nicht an
ein anderes Gericht oder an einem anderen Richter
abgegeben werden (EGMR A-13, § 97 im Fall Ringeisen
gegen Österreich; A-325-A, § 37 im Fall Diennet).
§ 68
Abs.2 der österreichischen StPO geht demnach über
die Garantien des Art. 6 EMRK hinaus.
Das Recht
auf Zugang zu einem Gericht ist das Zentrum des Art.
6 EMRK.
Dieses
Recht ist aber kein absolutes. Einschränkungen
dieses Rechts sind zulässig, sofern diese ein
legitimes Ziel verfolgen und verhältnismäßig sind.
Bedingungen für die Zulässigkeit von Klagen und
Rechtsmitteln, Fristen, Formvorschriften,
Anwaltszwang, Genehmigung der Klagsführung,
Sicherheiten für die Kosten des Prozeßgegners sind
zulässig.
Eine
Klagserhebungsgebühr in der Höhe eines
Jahreseinkommens des Klägers ist ein Verstoß gegen
Art. 6; einen Anspruch auf
Prozesskosten(Verfahrens)hilfe gewährt diese
Bestimmung nicht.
Eine nur
fünftägige Rechtsmittelfrist ist zu kurz (EGMR im
Fall Tricard gegen Frankreich, BeschwNr. 40.472/98).
Übertriebener Formalismus verletzt das Recht auf
Zugang zu einem Gericht.
Es reicht
aus, wenn in einem einzigen Verfahrensgang, in einer
einzigen Instanz ein Gericht entscheidet. Art. 6
enthält kein Recht auf einen Instanzenzug.
Eröffnet
das innerstaatliche Recht aber einen Instanzenzug,
so muss sichergestellt sein, dass in allen Instanzen
die Garantien des Art. 6 EMRK gewahrt sind (EGMR
A-11, § 25 im Fall Delcourt).
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Der Grundsatz des fairen Verfahrens:
Das “fair
hearing“ ist das zentrale Recht des Art. 6, welches
auch dessen Titel bestimmt.
Der
Betroffene muss seine Rechte effektiv vertreten
können (VfSlg. 10.291), der Beschuldigte darf nicht
gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu
liefern, er hat das Recht zu schweigen (EGMR vom
25.2.1993 im Fall Funke gegen Frankreich, vom
8.2.1996 im Fall Murray gegen England; vom
17.12.1996 im Fall Saunders gegen England).
Das
gesamte Beweismaterial muss offen gelegt werden
(EGMR vom 16.12.1992 im Fall Edwards – ÖJZ 1993,
391), die Parteien müssen zu Beweisaufnahmen über
strittige Tatsachen Stellung nehmen können (EGMR vom
19.12.1991 im Fall Kamasinski – ÖJZ 1990, 412), das
Parteienvorbringen muss sorgfältig geprüft werden
(EGMR vom 19.4.1993 im Fall Kraska – ÖJZ 1993, 818).
Der
Grundsatz der „Waffengleichheit“ ist zu beachten
(EGMR vom 23.6.1993 im Fall Ruiz-Mateos – ÖJZ 1994,
105; vom 22.2.1996 im Fall Bulut – ÖJZ 1996, 430;
vom 23.10.1996 im Fall Ankerl – ÖJZ 1997, 475;
VfSlg. 13.702 und 15.840)
Die
Angemessenheit der Verfahrensdauer:
Gebot des
effizienten gerichtlichen Rechtsschutzes.
Im Strafprozess
muss die Dauer der Ungewissheit über den
Verfahrensausgang so gering wie möglich gehalten
werden.
Diese wird nach
den Umständen des Einzelfalls beurteilt.
Die Judikatur des EGRM hat zur
Lösung dieser Frage folgende Kriterien
herausgebildet:
Komplexität (Schwierigkeit) des Falles
Verhalten der Behörden (Gerichte)
Verhalten des Betroffenen
Besondere Phasen der Inaktivität von
Behörden und Gerichten
Was für
den Betroffenen in diesem Verfahren auf dem Spiel
stand (Bedeutung der Angelegenheit für die
Verfahrenspartei)
Es
besteht eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre
Gerichtsorganisation so auszugestalten und
auszustatten, dass überlange Verfahrensdauer hintan
gehalten werden. Eine Überlastung eines Gerichtes
rechtfertigt daher eine Verfahrensverzögerung nicht
(EGMR vom 23.9.2004 im Fall Hermann Mitterbauer*
gegen Österreich, BeschwNr. 14.205/02 sowie vom
24.2.2004 in den Fällen Zuckerstätter und
Reschenhofer* gegen Österreich; EGMR BeschwNr.
26.297/95, § 33 im Fall G.S. gegen Österreich). Bei
der Beurteilung der Angemessenheit der
Verfahrensdauer kommt es nicht nur auf die
Gesamtverfahrensdauer an sondern auch darauf, ob das
Verfahren längere Phasen der behördlichen oder
gerichtlichen Inaktivität aufgewiesen hat (vgl. EGMR
vom 26.7.2007 in den Fällen Vitzthum*, Schutte* und
Stempfer* gegen Österreich).
Öffentliche und mündliche Verhandlung:
Die
Öffentlichkeitsgarantie umfasst zwei
Verfahrensabschnitte, die Durchführung der
mündlichen Verhandlung und die Urteilsverkündung.
Ermittlungen (Erhebungen) vor dem Prozess sind von
dieser Garantie nicht umfasst.
Auch die
Medienberichterstattung ist von diesem Grundrecht
erfasst.
Von der
Zulassung der Medien ist die Frage zu trennen, ob
von der Verhandlung Bild- und Tonaufzeichnungen
gemacht werden dürfen.
Das Gebot
der mündlichen Verhandlung gilt nicht
uneingeschränkt.
Im
Gegensatz zu den Art. 8 bis 11 EMRK müssen Gesetze
nicht regeln, um die Zulässigkeit der Beschränkung
der Öffentlichkeit durch die nationalen Gerichte zu
begründen.
Der
Ausschluss der Öffentlichkeit kann seinen Grund in
der Person des Beschuldigten haben, aber auch im
Verfahrensgegenstand.
Die
Öffentlichkeit muss vor dem Gericht gewahrt sein,
welches über die Tat- und Rechtsfragen
entscheidet (EGMR vom 22.5.1990 im Fall Weber – ÖJZ
1990,713); in höherer Instanz kann die mündliche
Verhandlung unter Umständen entfallen, wen diese in
erster Instanz durchgeführt wurde (EGMR vom
29.10.1991 im Fall Helmers – ÖJZ 1992, 304). Wenn
die Tat- und Rechtsfragen völlig klar sind, kann die
mündliche Verhandlung überhaupt unterbleiben, wenn
hierauf kein Antrag vorliegt (EGMR vom 29.10.1991 im
Fall Andersson – ÖJZ 1992, 307; EGMR vom 29.10.1991
im Fall Fejde – ÖJZ 1992, 308).
Entgegen
dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 EMRK sieht es der
EGMR als zulässig an, dass das Urteil nicht
öffentlich verkündet sondern nur der interessierten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (EGMR vom
8.12.1983 in den Fällen Axen und Pretto sowie vom
22.2.1984 im Fall Sutter).
Da der
UVS des Landes Oberösterreich alle Entscheidungen im
Internet veröffentlicht, ist deren mündliche
Verkündung nicht notwendig (EGMR vom ........ im
Fall Robert Faugel* gegen Österreich).
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Die
besonderen Verfahrensgarantien des Art 6 Abs.3 EMRK:
Diese stellen den
strafprozessualen Mindeststandard dar.
Das Gesetz
enthält nur eine demonstrative Aufzählung der Rechte
des Angeklagten.
Während Abs.1 für
Zivil- und Strafverfahren gilt, bezieht sich Abs.3
nur auf Strafverfahren.
Diese sind
besondere Ausprägungen des Rechts auf ein faires
Verfahren.
lit. a
gibt dem Beschuldigten Gelegenheit, sich ausreichend
auf seine Verteidigung vorzubereiten; auch die
Rechtsgrundlagen, auf welche die Anschuldigung
gestützt wird, sind mitzuteilen (EGMR vom 19.12.1989
im Fall Kamasinski – ÖJZ 1990, 412 sowie vom
12.10.1992 im Fall T – ÖJZ 1993, 312).
Eine juristisch
andere Qualifikation des Sachverhalts ist nur dann
unbedenklich, wenn der Beschuldigter diese
voraussehen konnte (EGMR vom 20.4.2006 im Fall I.H.
gegen Österreich BeschwNr. 42.780/98 – betreffend
Verurteilung nach einem Qualifikationstatbestand
ohne Änderung der Anklage).
lit. b
gibt das Recht auf Kontakt mit dem Verteidiger und
auf Akteneinsicht. Und steht im direkten
Zusammenhang mit der Waffengleichheit; die Dauer der
Vorbereitungszeit hängt von der Schwierigkeit
(Komplexität) des Falles ab.
Das Zeitmoment
ist hier besonders von den Umständen des Einzelfalls
abhängig.
Hier geht es im
wesentlichen um die Vorbereitung der
Hauptverhandlung erster Instanz, aber auch die
Einbringung von Rechtsmitteln und das
Rechtsmittelverfahren ist gemeint. Dies unabhängig
davon, ob der betreffende Mitgliedstaat Art. 2 des
7. ZP zur EMRK ratifiziert hat, welcher eine zweite
Instanz im Strafprozess garantiert.
Die starre
Monatsfrist für Revisionsanträge nach § 345 Abs.1
StPO (der BRD) ist daher mit diesem Recht
unvereinbar (NJW 2002, 109) sowie VfSlg. 15.768
betreffend die (damit aufgehobene) Vier-Wochen-Frist
nach § 285 Abs.1 StPO für die
Nichtigkeitsbeschwerde.
lit. c
gewährt drei Rechte: a) das Recht, sich selbst zu
verteidigen oder b) einen Verteidiger beizuziehen
sowie c) das Recht auf Verfahrenshilfe.
Das Recht, sich
selbst zu verteidigen bedeutet im besonderen die
Garantie der persönlichen Teilnahme des
Beschuldigten an der Hauptverhandlung. Dies bedeutet
wiederum, dass es unter Umständen notwendig ist,
dass das Gericht aktive Schritte unternimmt, damit
dem Beschuldigten die Teilnahme an der Verhandlung
möglich ist.
Ein Verzicht
darauf ist zwar möglich und zulässig, dieser muss
jedoch in eindeutiger Form vorliegen EGRM A-277-A, §
31 im Fall Poitrimol sowie A-208-B, § 35 im Fall
F.C.B. gegen Italien).
Wenn für den
Beschuldigten gravierende Rechtsfolgen zu befürchten
sind, ist eine Verteidigerbestellung auch gegen den
Willen des Beschuldigten und auf dessen Kosten
zulässig (EGMR vom 25.9.1992 im Fall Croissant – ÖJZ
1993, 211).
Der Staat hat die
Pflicht, auf eine wirksame Vereidigung zu achten
(EGMR vom 24.11.1993 im Fall Imbriosica – ÖJZ 1994,
517 und vom 27.1.1999 im Fall Van Geyseghem – ÖJZ
1999, 737).
lit. d
(„Waffengleichheit und Zeugen- sowie
Sachverständigenbeweis“) wird vom EGMR dahin
ausgelegt, ob das Strafverfahren insgesamt fair war
(EGMR vom 26.3.1996 im Fall Doorson – ÖJZ 1996,
715).
Es ist zwischen
dem Recht auf Befragung von Zeugen und dem
Ladungsrecht zu unterscheiden. Die Anklage hat
grundsätzlich alle in ihrem Besitz befindilichen
Beweise offen zu legen. Wenn Beweise unter
Verletzung eines anderen Konventionsrechts erlangt
wurden, muss es dem Beschuldigten möglich sein,
diese in allen Verfahrensstadien in Frage zu
stellen.
Nur derjenige ist
Belastungszeuge, dessen Aussage die dem
Beschuldigten zur Last gelegte Tat beweisen kann und
vom Gericht auch als Bewies herangezogen wird.
Das Recht, die
Ladung der Entlastungszeugen zu verlangen, ist kein
absolutes, diese leitet sich aus dem Grundsatz der
„Waffengleichheit“ ab (EGMR vom 22.4.1992 im Fall
Vidal – ÖJZ 1992, 801).
War das Verfahren
insgesamt fair, nimmt der EGMR in der Regel keine
Konventionsverletzung bei Verweigerung der
Einvernahme eines Zeugen an.
lit. e
(Recht auf einen Dolmetscher) bezieht sich nicht nur
auf die Hauptverhandlung sondern auch auf die
Übersetzung der aktenkundigen Schriftstücke, des
gesamten Beweismaterials, wenngleich nicht auf den
gesamten Akteninhalt (EGRM A-168, § 74 im Fall
Kamasinski). Dieses setzt voraus, dass der
Beschuldigte der Verhandlungssprache des Gerichts
nicht mächtig ist.
E M R K |
Art. 6 |
fair trial |
RA Dr. Postlmayr |
Die neueste
Rechtsprechung des EGMR zum Recht auf ein faires
Verfahren:
Rada gegen Rumänien; Urteil vom
8.11.2007; BeschwNr. 38.840/03
Absetzung vom Posten des
Verkaufsdirektors in der PETROM S.A. Rechtskräftiges
stattgebendes Urteil, dass er diesen Posten wieder
bekommt. Aufgrund eines Antrages des
Generalstaatsanwalts hat der OGH dieses
rechtskräftige Urteil umgedreht. Der EGMR hält fest,
dass eines der fundamentalen Grundsätze der
Rechtslehre das Prinzip der Rechtssicherheit
ist. Danach darf eine rechtskräftige Entscheidung
nicht mehr in Frage gestellt werden. Verletzung des
Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig) Es ist daher nicht
nötig, die Frage der Verletzung des Art. 13 EMRK zu
prüfen. Zuspruch nach Art. 41 EMRK: € 3.000,-- für
immateriellen Schaden.
Skugor
gegen Deutschland; Urteil vom 10.5.2007;
BeschwNr.
76.680/01; Art. 6 Abs.1 EMRK – Dauer eines
Obsorgeverfahrens
Unangemessene Dauer eines Obsorge- und
Besuchsrechtsverfahrens
Zurückweisung des Einwandes der Regierung betreffend
Nichtausschöpfung des innerstaatlichen
Instanzenzugs, weil eine Verfassungsbeschwerde wegen
überlanger Verfahrensdauer kein effektives
Rechtsmittel ist (Sürmeli gegen die BRD).
Das nicht
besonders komplexe Verfahren betreffend Besuchsrecht
dauerte drei Jahre und zehn Monate. Auch wenn keine
gravierenden Perioden der gerichtlichen Inaktivität
festzustellen sind, wurden auch keine speziellen
Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung gesetzt. Das
Verstreichen der Zeit konnte unabsehbare
Auswirkungen auf die Vater-Kind-Beziehung haben,
weswegen die Gesamtdauer des Verfahrens nicht mehr
angemessen ist.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.
Anders
ist der Fall betreffend des Antrags der Kindesmutter
auf Entzug des Besuchsrechts zu werten; die Gerichte
durften den Ausgang des Besuchsrechtsverfahrens
abwarten, auch wenn eine Phase der Inaktivität von
mehr als einem Jahr ernste Fragen betreffend Art. 6
Abs.1 EMRK aufwirft. Dieses Verfahren hatte für den
Beschwerdeführer nicht einen solchen dringenden
Charakter wie jenes betreffend das Besuchsrecht des
Beschwerdeführers. Keine Verletzung.
Sultani gegen Frankreich; Urteil vom 20.9.2007;
BeschwNr. 45.223/05
Art. 6 EMRK findet
auf Verfahren betreffend Einreise, Aufenthalt und
Ausweisung von Fremden keine Anwendung.
Unzulässigkeit der
Beschwerde.
VgT (Verein gegen
Tierfabriken) gegen die Schweiz; Urteil vom
4.10.2007; BeschwNr. 32.772/02
Art. 6 EMRK ist auf Anträge auf
Aufhebung eines straf- oder zivilrechtlichen Urteils
aufgrund eines EGMR-Urteils nicht anwendbar.
Unzulässigkeit der Beschwerde
nach Art. 35 Abs.3+4 EMRK.
Asnar gegen Frankreich;
Urteil vom 18.10.2007; BeschwNr. 12.316/04
Keine Gelegenheit eines Lehrers
im Ruhestand, sich im Verfahren betreffend seine
Pensionsansprüche zur Stellungnahme des
Finanzministeriums zu äußern. Verstoß gegen Art. 6
Abs.1 EMRK (Waffengleichheit).
Ommer
(Nr.1+2)
– BRD;
Urteil vom 13.11.2008; Beschwerde-Nrn.
10.597/03 und 26.073/03;
Jeweils
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK; mehr
als 12 bzw. 15 Jahre dauernde
Strafprozesse;
Art. 34 EMRK: Weiterbestehen der
Opfereigenschaft, weil dafür keine
Entschädigung zugesprochen wurde.
W.S.
gegen Polen; Urteil vom 19.6.2007;
BeschwNr. 21.508/02
Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs ohne
Einvernahme des Opfers
Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.
Es wäre
z.B. eine Videobefragung möglich gewesen oder die
Einvernahme des mj. Opfers in Gegenwart der Mutter
oder einer Psychologin bzw. der Verteidigung
ermöglicht worden wäre, schriftliche Fragen zu
stellen.
Die Verteidigungsrecht wurden in diesem Fall in
einer Art und Weise beschränkt, welche die
Verletzung dieser Rechte nach sich zieht. Zuspruch
nach Art. 41 EMRK: € 1.800,-- an immateriellem
Schaden.
Vasilev u.a. gegen Bulgarien;
Urteil vom 8.11.2007; BeschwNr. 61.257/00
Es ist zu prüfen, ob weiterhin
die Opfereigenschaft der vier Beschwerdeführer
vorliegt, weil nach § 239a StPO, welcher im Jahr
2003 zur Beendigung von überlangen Untersuchungen
eingeführt wurde, das Verfahren zwar eingestellt
worden ist, dies ist aber in den vorliegenden
Fällen, in welchen die Untersuchungen 6 Jahre und 9
Monate bzw. 7 Jahre und 4 Monate anhängig waren,
kein effizienter Ausgleich. Die Opfereigenschaft der
Beschwerdeführer liegt somit immer noch vor.
Zuspruch an gerechter Entschädigung an jeden
Beschwerdeführer von € 6.000,--
O´Halloran und Francis gegen UK; Urteil der Großen
Kammer vom 29.6.2007;
Verpflichtung zur
Lenkerauskunft nach § 172 der englischen StVO
bedeutet keine Verletzung des Ar. 6 Abs.1+2 EMRK:
Verurteilung des Beschwerdeführers O`Halloran wegen
Geschwindigkeitsüberschreitung nach verpflichtend zu
erteilender Lenkerauskunft.
Verurteilung des Beschwerdeführers Francis wegen
Verweigerung der Lenkerauskunft (betreffend eine
Geschwindigkeitsüberschreitung).
Das Recht
zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten ist
kein absolutes.
Die bloße
Verpflichtung des Zulassungsbesitzers eines
Fahrzeuges zur Benennung dessen Lenkers ist für sich
gesehen noch keine Selbstbezichtigung. Die
Strafmöglichkeit wegen Verweigerung der
Lenkerauskunft ist moderat und sieht eine Haft
nicht vor. Es ist dem Beschuldigten unbenommen, zu
seiner Entlastung Beweise vorzulegen und Zeugen zu
benennen. Wenn der Zulassungsbesitzer beweisen kann,
dass er nicht weiß und nicht wissen kann, wer sein
Fahrzeug gelenkt hat, kann er nicht bestraft werden,
ein Erfolgsdelikt liegt somit nicht vor. Sehr
eingeschränkte Möglichkeit der Polizei zur Befragung
(nur betreffend ganz klar definierter Delikte).
(15:2 Stimmen).
E M R K |
Art. 6 |
fair trial |
RA Dr. Postlmayr |
Ülger
gegen die Türkei; Urteil vom 26.6.2007;
BeschwNr. 25.321/02
Zugang zu einem
Gericht nach Art. 6 Abs.1 EMRK – keine
Urteilsvollstreckung, weil der im Prozess
unterlegene Gegner die Gerichtskosten nicht bezahlt
hat – Verletzung.
Larco gegen Rumänien;
Urteil vom 11.10.2007; BeschwNr. 30.200/03
Zurückweisung einer
Schadenersatzklage, weil der Kläger finanziell nicht
zur Bezahlung der Gerichtsgebühren in der Lage war.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
- Zugang zu einem Gericht.
Kijewska gegen Polen;
Urteil vom 6.9.2007; BeschwNr. 73.002/01
Zurückweisung eines Antrages auf
Berichtigung einer Grundbuchseintragung, weil die
Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, die
Gerichtsgebühren zu bezahlen (Verletzung des Art. 6
Abs.1 EMRK - Zugang zu einem Gericht).
Zagorodnikov gegen Russland; Urteil vom 7.6.2007;
BeschwNr. 66.941/01
190.000
Gläubiger einer insolventen Bank – Beschränkung des
Zutritts zur Verhandlung betreffend deren Ansprüche.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – öffentliche
Verhandlung.
Malahov gegen Moldawien; Urteil vom 7.6.2007;
BeschwNr. 32.268/02
Verweigerung der Annahme einer Klage wegen
Nichtbezahlung sehr hoher Gerichtsgebühren.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem
Gericht
Ortner
gegen Österreich; Urteil vom 31.5.2007;
BeschwNr. 2.884/04
Dauer
eines Grundzusammenlegungsverfahrens: 12 Jahre.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
Stadukhin gegen Russland;
Urteil vom 18.10.2007; BeschwNr. 6.857/02
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
(faires Verfahren), weil die Rechtsmittelverhandlung
in Abwesenheit und ohne Verständigung des
Verurteilten erfolgt ist.
Paul
gegen die BRD; Zulässigkeitsentscheidung vom
29.5.2007;
BeschwNr. 35.556/03
Keine
Beweislastumkehr zugunsten des Klägers im
Schadenersatzprozess wegen Immissionen aus einer
Kläranlage.
Unzulässigkeit der Beschwerde – faires Verfahren.
Kania
gegen Polen; Urteil vom 10.5.2007;
BeschwNr. 59.444/00
Wegen nicht
bezahlbarer Gerichtsgebühren hat der
Beschwerdeführer auf ein Rechtsmittel im Verfahren
betreffend Invaliditätspension verzichtet.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem
Gericht.
Macko
und Kozubal gegen die Slowakei; Urteil vom 19.6.2007;
BeschwNr. 64.054 und 64.071/00;
Verweigerung der Zeugenaussage wegen Befürchtung,
sich selbst zu belasten.
Keine
Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach
Art. 6 Abs.1 EMRK
Pititto gegen Italien; Urteil vom 12.6.2007;
BeschwNr. 19.321/03
Abwesenheitsurteil und Verweigerung der
Wiederaufnahme des Strafprozesses nach Auslieferung
des Beschwerdeführers nach Italien – Verletzung des
Art. 6 Abs.1 EMRK – Verteidigungsrechte.
Botmeh
und Alami gegen UK; Urteil vom 7.6.2007;
BeschwNr.
15.187/03 – keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
durch Verwendung von Informationen aus
Geheimdienstquellen im Strafprozess wegen
Terrorismus.
Tuma
gegen Österreich; Urteil vom 24.5.2007;
BeschwNr. 32.942/03
Möglichkeit, die
Gutachtenserstattung in einem Strafprozess zu
beschleunigen ( Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG) –
Unzulässigkeit der Beschwerde.
Da Luz
Domingues Ferreira gegen Belgien; Urteil vom
24.5.2007;
BeschwNr.
50.049/99 – Verletzung des Rechts auf ein faires
Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK wegen Verweigerung
der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens nach
Fällung eines Abwesenheitsurteils, welches während
der Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland
gefällt wurde.
A.H.
gegen Finnland; Urteil vom 10.5.2007;
BeschwNr. 46.602/99
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK –
Verteidigungsrechte
Der
Beschwerdeführer konnte im Strafverfahren wegen
sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen in keinen
Stadium des Verfahren Fragen an das Opfer stellen.
Kampanellis gegen Griechenland; Urteil vom 21.6.2007;
BeschwNr. 9.029/05
Äußerung
einer Schuldvermutung bei einer Entscheidung
betreffend Entlassung gegen Kaution in einem
anhängigen Strafverfahren.
Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2
EMRK.
Patera gegen Tschechien; Urteil vom 26.4.2007
BeschwNr.
25.326/03 – Verletzung des Art. 6 Abs.1 (und Art. 8)
EMRK
Sorgerechtsverfahren – Dauer: über 15 Jahre und
mangelnde Durchsetzung einer einstweiligen
Verfügung, mit welcher dem Beschwerdeführer das
Besuchsrecht zugestanden wurde.
Nuutinen gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007;
BeschwNr. 45.830/99
Verurteilung wegen Delikten, welche nicht mit der
Anklage übereinstimmen – Verletzung des Art. 6 Abs.1
und Abs.3 lit. a+b EMRK.
B.
gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007;
BeschwNr. 17.122/02
Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
Minderjähriger aufgrund der Aussagen der Opfer im
Vorverfahren, in welchem der Beschwerdeführer darauf
verzichtet hatte, an diese Fragen zu stellen oder
stellen zu lassen – keine Verletzung des Art. 6
Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.
Matyjek gegen Polen; Urteil vom 24.4.2007
BeschwNr.
38.184/03 – Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3
EMRK – fairness
Verfahren
nach dem sog. LustrationsG zur Feststellung der
Richtigkeit der Erklärung eines Abgeordneten, dass
er nicht mit dem kommunistischen Geheimdienst
zusammen gearbeitet hat.
W.
gegen Finnland; Urteil vom 24.4.2007;
BeschwNr. 14.151/02
Der wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger
Angeklagte hatte keine Möglichkeit, Fragen an die
Belastungszeugen zu stellen.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.
Laudon
gegen Deutschland; Urteil vom 26.4.2007;
BeschwNr. 14.635/03
12 Jahre dauerndes Zivilverfahren betreffend
Schadenersatz wegen eines ärztlichen Kunstfehlers –
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.
Prischl gegen Österreich; Urteil vom 26.4.2007;
BeschwNr. 2.881/04
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – überlange
Verfahrensdauer
Fast 8
Jahre dauerndes agrarrechtliches
Grundzusammenlegungsverfahren.
Demirel und Ates gegen die Türkei; Urteil vom
12.4.2007;
BeschwNr.
10.037/03 und 14.813/03 – Verletzung des Art. 6 (und
10) EMRK
Strafrechtliche Verurteilung des Eigentümers und
Herausgebers einer Zeitung.
Keine
Möglichkeit, sich zur Stellungnahme der
Generalprokuratur vor dem Kassationsgerichtshof zu
äußern.
Collmann gegen Deutschland;
Zulässigkeitsentscheidung vom 3.4.2007
BeschwNr.
29.453/02 – Unzulässigkeit der Beschwerde –
Unschuldsvermutung
Keine
Entschädigung für Auslieferungs- und U-Haft nach
Verfahrenseinstellung.
Tunc
gegen die Türkei; Urteil vom 27.3.2007;
BeschwNr. 32.432/96
Bestätigung der strafgerichtlichen Verurteilung des
Beschwerdeführers durch das Berufungsgericht nach
Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und
seines Verteidigers. Verletzung des Art. 6 Abs.3
lit.c EMRK.
Matzinger gegen Österreich;
Streichung aus der Liste am 15.3.2007
(friendly
settlement) - BeschwNr. 27.832/05
Dauer
eines Verfahren betreffend die Ausstellung eines
Taxilenkerausweises – Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK
– gütliche Einigung.
Grimm
gegen Deutschland;
Streichung aus der Liste am 13.3.2007
(friendly
settlement) – BeschwNr. 27.696/05
Scheidungsverfahren hat mehr als 8 Jahre gedauert.
Danila
gegen Rumänien; Urteil vom 8.3.2007;
BeschwNr. 53.897/00
Der Beschwerdeführer hatte als Angeklagter eine
Gelegenheit, vor Gericht zu den Anklagepunkten
Stellung zu nehmen und Fragen an die
Belastungszeugen zu richten – Verletzung des Art. 6
Abs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.
E M R K |
Art. 6 |
fair trial |
RA Dr. Postlmayr |
Geerings gegen die Niederlande; Urteil vom 1.3.2007
BeschwNr. 30.810/03 – Unschuldsvermutung
Einziehung von Gegenständen, die durch Delikte
erworben wurden, von deren Begehung der
Beschwerdeführer rechtskräftig frei gesprochen
worden ist.
Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2
EMRK
Aigner
gegen Österreich; Zulässigkeitsentscheidung vom
15.2.2007;
BeschwNr.
28.328/03 - Zulässigkeit der Beschwerde.
Der
Beschwerdeführer wurde aufgrund von Aussagen des
Opfers im Vorverfahren verurteilt, welche in der Hv
verlesen wurden.
John gegen Deutschland; Zulässigkeitsentscheidung
vom 13.2.2007
BeschwNr.
15.073/03 – Unzulässigkeit der Beschwerde.
Weigerung
des OLG, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen.
Eskelinen gegen Finnland; Urteil der Großen Kammer
vom 19.4.2007;
BeschwNr.
63.235/00 – Anwendung des Art. 6 EMRK im
öffentlichen Dienst.
Zusage
des Einkommensverlustes infolge Schließung eines
Polizeiposten, wodurch sich der Weg zur Arbeit um 50
km verlängerte durch das zuständige Polizeikommando.
Das Finanzministerium hat dann aber den Antrag des
Innenministeriums abgelehnt. Gegen die Ablehnung
dieses Antrages haben die Beschwerdeführer Berufung
an das Provinzgericht erhoben, welche ohne
Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung
abgewiesen wurde. Das Oberste Verwaltungsgericht hat
das dagegen erhobene Rechtsmittel wiederum ohne die
beantragte mündliche Verhandlung abgewiesen. Die
Versprechungen des Polizeikommandos hätten keine
rechtliche Relevanz, weswegen auch kein mündliche
Verhandlung notwendig sei. Dieser Fall macht es
notwendig die im Urteil Pellegrin gegen Frankreich
aufgestellten Grundsätze weiter zu entwickeln. Zwei
Bedingungen müssen erfüllt sein, damit sich der
belangte Staat vor dem GH auf die Stellung des
Beschwerdeführers als öffentlich Bediensteter
berufen kann, um den Schutz des Art. EMRK
auszuschließen. Einerseits muss das innerstaatliche
Recht den Zugang zu einem Gericht ausdrücklich
ausschließen. Andererseits muss dieser Ausschluss
durch objektive Gründe im Interesse des Staates
gerechtfertigt sein. Der Gegenstand der Streitigkeit
muss im Zusammenhang mit der Ausübung staatlicher
Gewalt durch den Betroffenen stehen; im Ergebnis
gilt daher die Vermutung, dass Art. 6 EMRK anwendbar
ist, was auch für Streitigkeiten betreffend Bezüge,
Zuschüsse oder anderer Ansprüche gilt. Hier hatten
alle Beschwerdeführer nach den innerstaatlichen
Vorschriften Zugang zu einem Gericht, weswegen Art.
6 EMRK anwendbar ist (12:5 Stimmen). Verletzung
des Art. 6 Abs.1 EMRK wegen unangemessen langer
Verfahrensdauer (7 Jahre – kein komplexes
Verfahren). 14:3 Stimmen.
Eine
mündliche Verhandlung musste unter diesen Umständen
nicht durchgeführt werden – keine Verletzung des
Art. 6 Abs.1 EMRK (einstimmig).
Verletzung des Art. 13 EMRK,
weil die Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatten,
sich effektiv gegen die unangemessen Dauer des
Verfahrens zu beschweren (15:2 Stimmen).
Keine
Verletzung des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK
(allein oder auch iVm Art. 14 EMRK, weil die
Konvention kein Recht auf ein Gehalt in einer
bestimmten Höhe vorsieht (einstimmig).
Zuspruch nach Art. 41 EMRK:
€ 2.500,-- für jeden Beschwerdeführer an
immateriellem Schaden, € 9.622,-- für Kosten und
Auslagen.
Gousis
gegen Griechenland; Urteil vom 29.3.2007;
BeschwNr. 8.863/03
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem
Gericht.
Einstellung eines Strafprozesses wegen Verjährung
und keine Möglichkeit für den Beschwerdeführer seine
Privatbeteiligungsansprüche (Schadenersatz)
durchzusetzen.
Staroszczyk gegen Polen; Urteil vom 22.3.2007;
BeschwNr. 59.519/00
Das
polnische Verfahrenshilfesystem widerspricht dem
Art. 6 Abs.1 EMRK (4:3 Stimmen). Der
Verfahrenshilfeanwalt des Beschwerdeführer war nach
polnischem Recht nicht verpflichtet, eine
schriftliche Erklärung abzugeben, warum er eine
Beschwerde an das Höchstgericht nicht für
aussichtsreich hält und er diese daher nicht
eingebracht hat. Der Beschwerdeführer hatte daher
keinen effektiven und konkreten Zugang zu den
Gerichten, was ihre rechtliche Vertretung nach dem
polnischen Verfahrenshilfesystem anbelangt. Zuspruch
von € 4.000,-- an immateriellem Schaden und €
3.500,-- für Kosten und Auslagen.
Sialkowska gegen Polen; Urteil vom 22.3.2007;
BeschwNr. 8.932/05
Der Verfahrenshilfeanwalt hat sich geweigert, ein
Rechtsmittel an das Höchstgericht zu erheben –
unzureichende Vertretung des Beschwerdeführers –
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK – Zugang zu einem
Gericht.
F. und M. gegen
Finnland; Urteil vom 21.6.2007; BeschwNr.
22.508/02
Keine Möglichkeit
des Beschuldigten, der wegen sexuellen Missbrauchs
seiner Tochter verurteilt wurde, im Strafprozess
Fragen an das angebliche Opfer zu stellen.
Verletzung des Art. 6 ABs.1 und Abs.3 lit.d EMRK.
Tudor-Comert - Moldawien;
Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 27.888/04
Berufung im Amtshaftungsverfahren
abgelehnt, weil der Rechtsmittelwerber nicht in der
Lage war, die Gerichtsgebühren zu bezahlen.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK.
Dinu - Rumänien und Frankreich;
Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 6.152/02
Kein entsprechendes Engagement
der rumänischen und französischen Gerichte zur
Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Sohnes des
Bf gegen den in Frankreich lebenden Vater -
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK (Zugang zu einem
Gericht).
Adam - BRD;
Urteil vom 4.12.2008; BeschwNr.
44.036/02
Zwei
Besuchsrechtsverfahren - unangemessene
Dauer - jeweils Verletzung des Art. 6
Abs.1 EMRK
Richter; Urteil vom 18.12.2008;
BeschwNr. 4.490/06; Dauer und Fairness eines Administrativverfahrens betreffend
Einwendungen
gegen den Bau einer Tiefgarage unter
Missachtung der gesetzlichen
Abstandsbestimmungen von seinem Grundstück.
zweifache Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
Bota - Rumänien; Urteil
vom 4.11.2008; BeschwNr. 16.382/03
Rechtskräftiger Freispruch in
einem Finanzstrafverfahren. Rechtskräftiges Urteil:
Zuspruch von Haftentschädigung.
Aufgrund eines Antrages der
Generalprokuratur wurde dieses Urteil aufgehoben.
Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK
- fair trial - Verstoß gegen den Grundsatz der
Rechtssicherheit
Zuspruch von € 14.000,-- für
materiellen und € 2.000,-- für immateriellen
Schaden.
Aslan - Türkei; Urteil vom
2.12.2008; BeschwNr. 25.060/02 und 1.705/03
Verletzung der Art. 3, 6 Abs.1,
Abs.3 lit.c und Art. 5 Abs.3+4 EMRK.
Verwertung eines unter Folter
abgelegten Geständnisses bei der Verurteilung.
J. M. - Österreich;
Urteil vom 1.6.2017, BeschwNr. 61.503/14
Verurteilung wegen des
Verbrechens der Untreue; Verkauf von Anteilen der
Kärntner Landes- und Hypothekenbank.
Der für das Hauptverfahren vom
Gericht bestellte Sachverständige hatte bereits für
die Staatsanwaltschaft in den
Voruntersuchungen das Gutachten erstattet.
Kein Verstoß gegen den Grundsatz
der Waffengleichheit (Art.6 Abs.1 und Abs.3 lit.d
EMRK). Der Zweifel an der Unparteilichkeit des
Sachverständigen
ist unter den gegebenen Umständen
nicht berechtigt.
Haupt - Österreich;
Zulässigkeitsentscheidung vom 2.5.2017, BeschwNr.
55.537/10
Antrag des Bf auf Entschädigung
nach § 6 MedienG und § 115 StGB gegen ATV wegen des
Ausdruck "braune Ratten"
Nach Einbringung der Beschwerde
beim EGMR und deren Zustellung an Österreich hat die
GenProk an den OGH einen Antrag auf
außerordentliche Wiederaufnahme
nach § 362 StPO gestellt, der in Stattgabe dieses
Antrages die Angelegenheit an das Straflandesgericht
Wien zurückverwiesen hat.
In der Folge kam es zu Abweisung
des Entschädigungsantrags. Die Dauer des Verfahrens
von knapp zwei Jahren vor drei Instanzen ist nicht
unangemessen.
Unzulässigkeit der Beschwerde.
Schmidtkunz - BRD;
Zulässigkeitsentscheidung vom 28.3.2017, BeschwNr.
19.600/15
Disziplinarverfahren gegen einen
Bundeswehrsoldaten auf Grundlage seines
Geständnisses vor einer "Vertrauensperson"
Ein solches Verfahren fällt unter
den zivilrechtlichen Aspekt des Art.6 EMRK - das
Verfahren war insgesamt gesehen fair.
Es gab keinen Zwang, keine
Täuschung; die Zulässigkeit der Aussage der
Vertrauensperson konnte überprüft werden und konnte
der Zeuge vor
dem Bundesverwaltungsgericht vom
Beschwerdeführer befragt werden. Diese Aussage war
nicht das einzige und ausschlaggebende Beweismittel.
Simeonovi - Bulgarien;
Urteil der Großen Kammer vom 12.5.2017, BeschwNr.
21.980/04
Das Fehlen des rechtlichen
Beistands während der ersten vier Tage des
Polizeigewahrsams hat die Fairness des Strafprozess
unten den gegebenen Umständen
nicht unwiderruflich beeinträchtigt. Die
Verurteilung stützt sich nicht nur auf das
anfängliche Geständnis sondern
auf eine ganze Reihe von
schlüssigen Beweisen, Zeugen und Gutachten,
physische und dokumentarische Beweise.
Keine Verletzung des Art.6 Abs.1
und Abs.3 lit.c EMRK (12:5 Stimmen).
Die
EGMR-Rechtsprechung zum Recht des Angeklagten auf
Ladung und kontradiktorische Befragung von Zeugen
iSd Art. 6 Abs.3 lit.d EMRK:
Unterpertinger - Österreich vom
24.11.1986, A-110
Barbera, Messegue und Jabardo -
Spanien vom 6.12.1998, A-146, Rz. 78
Artner - Österreich vom
28.8.1992, A-242-A
Van Mechelen u.a. - Niederlande
vom 23.4.1997
Luca - Italien vom 27.2.2001,
BeschwNr. 33.354/96, Rz. 39
Solakov - Mazedonien vom
31.10.2001, BeschwNr. 47.023/99
S.N. - Schweden vom 2.7.2002,
BeschwNr. 34.209/96, Rz. 47
Craxi - Italien vom 5.12.2002,
BeschwNr. 34.896/97
Rachdad - Frankreich vom
13.11.2013, BeschwNr. 71.846/01, Rz. 24
(u.a. Pflicht, Zeugen ausfindig zu machen)
Yavuz - Österreich vom 27.5.2004,
BeschwNr. 46.549/99; § 51f Abs.2 VStG -
Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS
Donner - Österreich vom
22.2.2007, BeschwNr. 32.407/04
W.S. - Polen vom 19.6.2007,
BeschwNr. 21.508/02
Jorgic - BRD vom 12.7.2007,
BeschwNr. 74.613/01
Ramanauskas - Litauen vom
5.2.2008, BeschwNr. 74.420/01
Petrov - Bulgarien vom 23.6.2011,
BeschwNr. 20.024/04, Rz. 35
Al-Khawaja und Tahery - UK vom
15.12.2011, 26.766/05 und 22.228/06, Rz. 118
Aigner - Österreich vom
10.5.2012, BeschwNr. 28.328/03
Hümmer - BRD vom 12.7.2012,
BeschwNr. 26.171/07
Sievert - BRD vom12.7.2012,
BeschwNr. 29.881/07
Stefancic - Slowenien vom
25.10.2012, BeschwNr. 18.027/05, Rz. 37
Tseber - Tschechien vom
22.11.2012, BeschwNr. 46.203/08, Rz. 47+48
C.B. - Österreich vom 4.4.2013,
BeschwNr. 30.465/06
Rudnichenko - Ukraine vom
11.7.2013, BeschwNr. 2.775/07, Rz. 104
Vronchenko - Estland vom
18.7.2013, BeschwNr. 59.632/09, Rz. 58
Lucic - Kroatien vom 27.2.2014,
BeschwNr. 5.699/11
E M R K |
Art. 6 |
fair trial |
RA Dr. Postlmayr |