e m r k . a t
Artikel 2
EMRK: Recht auf Leben
Abs.1: Das Recht jedes
Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt.
Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das
von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der
Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden
ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen
werden.
Abs.2: Die Tötung wird
nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn
sie sich aus einer unbedingt erforderlichen
Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber
rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder
das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person
zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen
Aufstand zu unterdrücken.
Allgemeines:
Die herausragende Bedeutung dieses Grundrechts macht
dessen Stellung an der Spitze des Grundrechtskatalogs
deutlich.
Dieses Recht kann nach Art. 15 EMRK auch im
Notstandsfall nicht außer Kraft gesetzt werden.
Die Todesstrafe ist zwar in Art.2 Abs.1 2. Satz noch
genannt, deren Zulässigkeit wird durch das 6.
Zusatzprotokoll (6. ZP) aber auf Kriegszeiten beschränkt
und durch das 13. ZP gänzlich beseitigt.
Im Unterschied zu anderen Konventionsrechten ist durch
Art. 2 EMRK aber die „negative Freiheit“, das Recht, das
Leben zu beenden, nicht umfasst, denn das Leben hat sich
der einzelne nicht gewählt.
Ob dadurch auch das ungeborene Leben geschützt ist,
wurde bislang nicht eindeutig beantwortet.
Zum Recht auf ein (menschenwürdiges) Sterben hat der
EGMR im Urteil vom 29.4.2002 im Fall Pretty – NJW 2002,
2851 Stellung bezogen. Dieses wurde abgelehnt, weil es
dem Recht auf Leben diametral entgegen gesetzt ist.
Mit Blick auf § 216 StGB erachtet der deutsche BGH die
aktive Sterbehilfe für unzulässig (BGHSt 40, 257 (260)),
passive für zulässig.
Einen Eingriff in dieses Recht stellt eine staatliche
Tötungshandlung dar, gleich, ob sie absichtlich oder
unabsichtlich erfolgte, dies ist nur für die Frage einer
möglichen Rechtfertigung relevant.
Die vier Ausnahmetatbestände sind in Art. 2 abschließend
aufgezählt.
Aus Art. 2 ergibt sich eine positive Schutzpflicht des
Staates, welcher verpflichtet ist, das Leben sowohl vor
Eingriffen durch den Staat selbst aber auch durch
Privatpersonen zu schützen.
Der Staat ist verpflichtet, vorsätzliche und fahrlässige
Tötung durch Rechtsvorschriften zu verbieten, durch
seine Behörden Verstöße gegen diese Normen zu verhüten,
zu unterbinden und zu bestrafen.
Das Effektivitätsgebot bestimmt in jedem einzelnen Fall
die Art und das Ausmaß dieser staatlichen Verpflichtung.
Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr ist daher anders zu
behandeln als Mord.
So genanntes Organisationsverschulden des Staates
(Mängel in der Überwachung und Organisation eines
Polizeieinsatzes z.B. Urteil des EGMR im Fall McCann,
A-324, vom 27.9.1995, ÖJZ 1996, 233).
Der gewaltsame Tod eines Menschen muss eine wirksame
amtswegige Untersuchung des Falles zur Folge haben (EGMR
vom 8.7.1999 im Fall Cakiki, ÖJZ, 2000, 474).
Pflicht des Staates, auch geeignet Präventivmaßnahmen zu
treffen, wenn das Leben des Einzelnen durch kriminelle
Handlungen durch Dritte bedroht ist., wenn eine
stattliche Behörde diese Gefahr kannte oder kennen
musste (EGMR vom 9.6.1998 im Fall L.C.B.).
Danach kann diese Handlungspflicht eine
Informationspflicht umfassen. Die Ermittler müssen
unabhängig sein, die Untersuchung muss umgehend und von
Amts wegen beginnen.
Diese Bestimmung enthält kein Verbot der Todesstrafe,
dieses ergibt sich aber aus dem 6. ZP zur EMRK (in
Österreich: BGBl. 138/1985).
(EGMR vom 7.7.1989 im Fall Söring, EuGRZ 1989, 314).
Eine besondere Verantwortung haben die Staaten gegenüber
inhaftierten Personen, welche einer möglichen
Lebensgefahr im allgemeinen nicht ausweichen können
(EGMR 2002-II, 137, § 56 im Fall Edwards). In diesem
Fall wurde der Sohn der Beschwerdeführer durch einen
geisteskranken Mithäftling getötet. Der EGMR sah Art.2
EMRK verletzt, weil die Justizbehörden der
Gefängnisverwaltung dessen Gefährlichkeit nicht
mitgeteilt haben und die Eingangsuntersuchung zu
oberflächlich war.
Inhaftierte psychisch kranke Personen müssen auch
angemessen vor Selbstmord geschützt werden (EGMR im Fall
Keenan – BeschwerdeNr. 27.229/95 und Tanribilir,
BeschwerdeNr. 21.422/93, § 70).
Im Fall L.C.B. gegen das Vereinigte Königreich stellt
der EGMR fest, dass der Staat verpflichtet ist,
vermeidbare Lebensgefährdungen zu verhindern (hier war
der Vater der Beschwerdeführerin auf den
Weihnachtsinseln im Zuge von Nukleartests radioaktiver
Strahlung ausgesetzt. Wegen starker Zweifel an der
Kausalität dieser Tests an der Erkrankung wurde
allerdings keine Verletzung des Art. 2 EMRK
festgestellt.
Umwelt: Im Fall Öneryildiz gegen die Türkei hat der EGMR
dieses Recht verletzt gesehen, weil die Behörden von der
Gefährlichkeit einer Abfalldeponie (Tod von neun
Angehörigen des Beschwerdeführers infolge eines
Erdrutsches aufgrund einer Methangasexplosion) Kenntnis
hatte und (unter Verletzung der innerstaatlichen
Rechtsvorschriften) keine Maßnahmen zur Überwachung,
Information der potentiell Betroffenen und zur
Gefahrenabwehr getroffen wurden (BeschwerdeNr.
48.939/99, auch Urteil der Grossen Kammer).
Wenn Umweltbeeinträchtigungen nicht das Ausmaß der
Lebensgefährdung erreichen, kann das Recht auf Achtung
des Privatlebens nach Art. 8 EMRK betroffen sein (vgl.
Urteil des EGMR vom 3.7.2007, BeschwerdeNr. 32.015/02 im
Fall Hans Gaida gegen die BRD).
Die Verletzung in diesem Recht können auch nahe
Angehörige geltend machen (vgl. VfGH vom 6.3.2001, B
159/00 und vom 12.6.2001, B 1580/00).
Zum lebensgefährdenden Gebrauch einer Dienstwaffe:
VfSlg. 8082.
Zur Frage der Drittwirkung dieses Rechts, also ob dieses
auch zwischen Privatpersonen gilt, gibt es keine
Rechtsprechung. Aufgrund der Hochrangigkeit dieses
Rechtsguts wäre diese zwar denkbar, wegen der
Selbstverständlichkeit des Verbots privater Tötungen
aber auch entbehrlich.
Geschichte dieses Menschenrechts:
Magna Charta 1215
Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776
Grundrechtserklärung von Virginia 1776
5. amerikanischer Verfassungszusatz (amendment) 1791
Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte
1789
AEMR 1948
E M R K |
Art. 2 |
dr.postlmayr@aon.at |
RA Dr. Postlmayr |
Die neuere
Rechtsprechung des EGMR zu diesem Recht:
Gard - UK; Zulässigkeitsentscheidung vom
27.6.2017, BeschwNr. 39.793/17
Die Entscheidung der innerstaatlichen
Gerichte, dass das Krankenhaus die lebenserhaltenden
Maßnahmen einstellt war verhältnismäßig.
Es wäre das Leiden des Babys nur
unangemessen verlängert worden, welches an einer
seltenen Krankheit gelitten hat. Die Verweigerung einer
experimentellen Therapie in den USA
war mangels Erfolgsaussichten zulässig.
Sinim - Türkei; Urteil vom
6.6.2017, BeschwNr. 9.441/10
Der Tod des Ehemannes der Bf bei
einem Gefahrguttransport wurde von den türkischen
Behörden und Gerichten nicht ausreichend untersucht -
Verletzung des Art.2 EMRK
Ayvazyan - Armenien; Urteil
vom 1.6.2017, BeschwNr. 56.717/08
Eine geistig verwirrte Person hat mit
einem Messer Personen verletzt und wurde beim darauf
folgenden Polizeieinsatz erschossen. Mangelhafte Planung
und Überwachung
des Polizeieinsatzes und keine
wirksame Untersuchung des Falles - zweifache Verletzung
des Art.2 EMRK.
Babayev - Aserbaidschan;
Urteil vom 1.6.2017, BeschwNr. 30.500/11
Keine Verletzung des Art.2 EMRK in
materiellen Hinsicht, weil keine Anzeichen für den
Selbstmord des Soldaten und somit für die Notwendigkeit
zu Schutzmaßnahmen bestanden,
allerdings Verletzung dieser
Konventionsbestimmung in formeller Hinsicht infolge
unwirksamer Untersuchung des Todesfalls.
Mustafayev - Aserbaidschan;
Urteil vom 4.5.2017, BeschwNr. 47.095/09
Brand in der Gefängniszelle mit
verletzten Häftlingen; keine rasche Hilfe, kein
umgehender Transport ins Krankenhaus - Tod eines
Inhaftierten.
Verletzung des Art.2 EMRK in
materieller Hinsicht und keine wirksame Untersuchung des
Falles - zweifache Verletzung des Art.2 EMRK.
M. - Kroatien; Urteil vom
2.5.2017, BeschwerdeNr. 50.175/12
Ein Mann wurde durch einen Schuss
getötet - keine wirksame Untersuchung des Falls -
Verletzung des Art.2 EMRK.
Scavuzzo-Hager gegen die Schweiz: Urteil vom
7.2.2006
BeschwNr. 41.773/98 - Verletzung betreffend ineffektive
Untersuchung der Gründe eines Drogentodes
Perk u.a. gegen die Türkei; Urteil vom 28.3.2006
BeschwNr. 50.739/99 - keine Verletzung
Estamirov gegen Russland; Urteil vom 12.10.2006
BeschwNr. 60.272/00 – Verletzung
Luluyev gegen Russland; Urteil vom 9.11.2006
BeschwNr. 49.048/99 – Verletzung der Art. 2, 3, 5 und 13
EMRK
Ermordung einer Privatperson nach deren Entführung durch
russische Soldaten in Grosny.
Ognyanova gegen Bulgarien; Urteil vom 23.2.2006
BeschwNr. 46.317/99 – Verletzung
Ataman gegen die Türkei; Urteil vom 27.4.2006
BeschwNr. 46.252/99 – Verletzung
Bazorkina gegen Russland; Urteil vom 27.7.2006
BeschwNr. 69.481/01 – Verletzung
Keine ausreichende Untersuchung des Verschwinden des
Sohnes der Beschwerdeführerin nach dessen Festnahme
durch russische Soldaten in Tschetschenien.
Kaya gegen die Türkei; Urteil vom 24.10.2006
Mangelhafte Untersuchung des Verschwindens eines
Angehörigen der Beschwerdeführerin nach seiner
Festnahme.
Tarariyeva gegen Russland; Urteil vom 14.12.2006
BeschwNr. 4353/03 - Verletzung wegen ineffektiven
Untersuchungen des Todes eines verbluteten
Strafgefangenen (verspätete Operation und unzureichende
Nachbehandlung)
Bayrak u.a. gegen die Türkei; Urteil vom
12.1.2006
BeschwNr. 42.771/98 - keine Verletzung
Tais gegen Frankreich; Urteil vom 1.6.2006
BeschwNr. 39.922/03 – Verletzung
Biskin gegen die Türkei; Urteil vom 10.1.2006
BeschwNr. 45.403/99 – Verletzung
Burke v. UK; Zulässigkeitsentscheidung vom
11.7.2006
BeschwNr. 19.807/06 – unzulässig
Ärztliche Befugnis zur Entscheidung betreffend
Einstellung der künstlichen Ernährung einer zum Sterben
verurteilten Person.
Karabulut gegen die Türkei; Urteil vom 19.9.2006
BeschwNr. 45.784/99 – Verletzung
Mangelhafte Untersuchung der Tötung des Sohnes der
Beschwerdeführerin
Kamer Demir gegen die Türkei; Urteil vom
19.10.2006
BeschwNr. 41.335/98 - Verletzung
Fehlen einer wirksamen Untersuchung des Todes eines
Familienangehörigen der Beschwerdeführerin bei einem
Grantangriff der Polizei auf ein Dorf.
Bazorkina gegen Russland; Urteil vom 27.7.2006
BeschwNr. 69.481/01 – Verletzung
Bilgin gegen die Türkei; Urteil vom 27.7.2006
BeschwNr. 40.073/98 – Verletzung der Art. 2 und 13 EMRK
Fehlerhafte Untersuchung der Erschießung des Vaters des
Beschwerdeführers durch den Dorfwächter.
Diril gegen die Türkei; Urteil vom 19.10.2006
BeschwNr. 68.188/01 – Verletzung
Ermittlungspflicht des Staates
Verschwinden des minderjährigen Kindes der
Beschwerdeführerin nach Festnahme durch die Polizei vor
mehr als 12 Jahren
Ayegh gegen Schweden; Zulässigkeitsentscheidung vom
7.11.2006
Drohende Abschiebung in den Iran, wo der
Beschwerdeführerin die Todesstrafe wegen Ehebruchs droht
– unzulässig.
Imakayeva gegen Russland; Urteil vom 9.11.2006
BeschwNr. 7615/02 – Verletzung
Verschleppung des Ehemannes und Sohnes der
Beschwerdeführerin durch Soldaten in Tschetschenien und
deren Verschwinden
Huylu gegen die Türkei; Urteil vom 16.11.2006
BeschwNr. 52.955/99 – Verletzung
Tod eines Häftlings mangels ausreichender medizinischer
Betreuung
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Art. 2 |
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Kats - Ukraine; Urteil vom 18.12.2008, BeschwNr.
29.971/04
Verletzung der Art. 2 und 5 Abs.1
EMRK
Tod einer HIV-infizierten Person in
der Untersuchungshaft nach Verweigerung der nötigen
medizinischen Versorgung.
Trapeznikova - Russland;
Urteil vom 11.12.2008; BeschwNr. 21.539/02
Verletzung der Art. 2, 6 EMRK sowie
Art. 1 des 1. ZP zur EMRK
Der Staat ist seiner
Ermittlungspflicht wegen der Ermordung des Ehemanns der
Bf nicht nachgekommen und hat
das Urteil nicht vollstreckt, mit
welchem ihr Schadenersatz zugesprochen worden ist.
Aydin - Türkei; Urteil vom
25.11.2008; BeschwNr. 34.813/02
Selbstmord eines Präsenzdieners -
mangelnde Aufklärung durch den Staat - Verletzung des
Art. 2 EMRK
Khaylo - Ukraine; Urteil vom
13.11.2008; BeschwNr. 39.964/02
Verletzung des Art.2 EMRK aufgrund
oberflächlicher Ermittlungen nach dem Tod eines
Verwandten der Bf
Akhmadov - Russland; Urteil
vom 14.11.2008, BeschwNr. 21.586/02
Verletzung der Art. 2, 13 und 38
Abs.1 lit.a EMRK; keine Verletzung der Art. 3, 5 und 14
EMRK
Angriff eines russischen
Militärhubschraubers in Tschetschenien - Tötung von zwei
Zivilisten.
Umayeva - Russland; Urteil vom
4.12.2008; BeschwNr. 1.200/03
Verletzung des Art.2 EMRK - Angriff
russischer Soldaten auf Zivilisten, welche durch einen
humanitären Korridor aus Grosny flüchten wollten.
Öktem - Türkei; Urteil vom
4.11.2008; BeschwNr. 9.207/03
Verletzung des Art. 2 EMRK
Im Zuge der polizeilichen Auflösung
einer Versammlung wurde durch Schusswaffengebrauch ein
Mädchen verletzt
Yazici gegen die Türkei; Urteil vom 5.12.2006
BeschwNr. 48.884/99 – Verletzung
Unzureichende Untersuchung der Tötung des Bruders des
Beschwerdeführers
Anter u.a. gegen die Türkei; Urteil vom
19.12.2006
BeschwNr. 55.983/00 – Verletzung
Unzureichende behördliche Maßnahmen zum Schutz eines
kurdenfreundlichen Journalisten (positive
Schutzpflichten des Staates), welcher schließlich
ermordet wurde.
Pasa und Erkan Erol gegen die Türkei; Urteil vom
12.12.2006
BeschwNr. 51.358/99 – Verletzung
Schwerste Verletzungen eines Schafe hütenden Kindes
durch eine Mine zur Sicherung von polizeilichen
Einrichtungen. Unzureichende Untersuchung des Falles.
Edogan gegen die Türkei; Urteil vom 15.2.2007
BeschwNr. 57.049/00 – Verletzung
Keine ausreichende Untersuchung des Staates betreffend
einen Polizeieinsatz, bei welchem drei Verwandte der
Beschwerdeführer erschossen wurden.
Salgin gegen die Türkei; Urteil vom 20.2.2007
BeschwNr. 46.748/99 – Verletzung
Keine ausreichenden staatlichen Ermittlungen eines
angeblichen Selbstmordes eines Soldaten
Akpinar und Altun gegen die Türkei; Urteil vom
27.2.2007
BeschwNr. 56.760/00 - Verletzung
Unzureichende Untersuchung eines Vorfalls durch die
türkischen Behörden, bei welchem eine Person tödlich
verletzt wurde.
Ramsahai u.a. gegen Holland; Urteil der Großen
Kammer vom 15.5.2007, BeschwNr. 52.391/99
Tödlicher Waffengebrauch gegen einen Räuber.
Keine Verletzung dieses Artikels betreffend die Tötung
des Sohnes bzw. Enkels der Beschwerdeführer, weil der
Polizist erst geschossen hat, als der Getötete der
Aufforderung des zweiten Polizisten, die Waffe fallen zu
lassen, nicht nachkam und in dessen Richtung gezielt
hat.
Ebenso wenig ist diese Bestimmung durch die Art der
Ermittlungen der StA, weil gegen deren Entscheidungen
das Gericht angerufen werden kann, was die
Beschwerdeführer auch gemacht haben.
Die Beschwerdeführer hatten ausreichend Zugang zu den
Ergebnissen der Ermittlungen, eine direkte Beteiligung
daran ist nicht zu fordern.
Art. 6 EMRK ist auf Verfahren nach § 12 der
niederländischen StPO nicht anwendbar.
Keine Notwendigkeit, die Frage der Verletzung des Art.
13 EMRK gesondert zu prüfen.
Verletzung dieses Artikels aber betreffend die
Verzögerung von Ermittlung von mehr als 15 Stunden, weil
im Durchschnitt die Beamten des Bundeskriminalamtes in
1,5 Stunden vor Ort sind.
Zuspruch nach Art. 41 EMRK: € 20.000,-- für
immateriellen Schaden sowie € 7.299,-- an Kosten und
Auslagen.
Kontrová gegen die Slowakei; Urteil vom
31.5.2007;
BeschwNr. 7.510/04 – Verletzung des Art. 2 EMRK.
Fehlender polizeilicher Schutz gegen gewalttätigen
Ehemann.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat am 31.12.2002 die
beiden gemeinsamen Kinder und sich selbst erschossen –
strafgerichtliche Ermittlungen gegen vier Polizisten
wegen Amtsmissbrauch und Vernachlässigung ihrer
Dienstpflichten, weil die aufgrund diverser Anzeige der
Beschwerdeführerin von der Aggressivität und Drohungen
des Ehemannes gewusst haben. Verurteilung der Beamten.
Der Tod der Kinder war ein direktes Resultat dieser
Versäumnisse.
Zuspruch nach Art. 41 EMRK: € 25.000,-- an immateriellem
Schaden und € 4.300,-- für Kosten und Auslagen.
Silih gegen Slowenien; Urteil vom 28.6.2007;
BeschwNr. 71.463/01
Mehr als 12jährige Dauer eines Verfahren wegen eines
angeblichen ärztlichen Kunstfehlers, welcher zum Tod des
Sohnes der Beschwerdeführerin geführt hat.
Verletzung des Art. 2 EMRK.
Canan gegen die Türkei; Urteil vom 26.6.2007;
BeschwNr. 39.436/98
Keine ausreichende Untersuchung des Todes des Vaters des
Beschwerdeführers im Zuge seiner Festnahme durch
Soldaten; Verletzung des Art. 2 EMRK.
Bitiyeva gegen Russland; Urteil vom 21.6.2007;
BeschwNr. 57.953/00
Ermordung einer tschetschenischen
Menschenrechtsaktivistin und deren Familie durch
russische Soldaten.
Verletzung des Art. 2 EMRK.
Karagiannopoulos gegen Griechenland; Urteil vom
21.6.2007;
BeschwNr. 27.850/03
Exzessiver polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen
einen wegen des Suchtmittelhandels verhafteten
Angehörigen der Roma.
Verletzung des Art. 2 EMRK.
Evans – UK; Urteil der Großen Kammer vom
10.4.2007; BeschwNr. 6.339/05
Die 4. Kammer hat in ihrem Urteil vom 7.3.2006
festgestellt, dass die Frage nach dem Beginn des Rechts
auf Leben in den Ermessensspielraum der Staaten fällt.
Da der Embryo nach englischem Recht keine eigenständigen
Rechte und Interessen hat, kann in dessen Namen die
Verletzung des Rechts auf Leben nach Art. 2 EMRK nicht
geltend gemacht werden. Keine Verletzung dieses Rechts
(einstimmig).
Brecknell gegen UK; Zulässigkeitsentscheidung vom
6.3.2007;
BeschwNr. 32.457/04 – Zulässigkeit der Beschwerde, weil
die Tötung des Ehemannes der Beschwerdeführerin iZm
einem Überfall auf eine Bar in Nordirland 1975 durch
Extremisten unzureichend untersucht worden ist.
Baysayeva gegen Russland; Urteil vom 5.4.2007;
BeschwNr. 74.237/01; Verletzung der Art. 2, 3, 5, 13 und
38 Abs.1 lit.a EMRK
Die Behörden haben keine entsprechenden Schritte
gesetzt, um das Verschwinden des Ehemannes der
Beschwerdeführerin nach seiner Festname durch russische
Sicherheitskräfte in Tschetschenien aufzuklären.
Huohvanainen gegen Finnland; Urteil vom
13.3.2007;
BeschwNr. 57.389/00 – keine Verletzung des Art. 2 EMRK
Tödlicher Waffengebrauch gegen einen Paranoiden, der
sich schwer bewaffnet in seinem Haus verschanzt und auf
die Polizisten geschossen hat.
Musayev gegen Russland; Urteil
vom 26.7.2007
BeschwNr. 57.941/00; Verletzung der
Art.2, 3 und 13 EMRK;
Keine effektive strafgerichtliche
Verfolgung der Verantwortlichen für die willkürliche
Tötung von Zivilisten durch russische Streitkräfte in
Tschetschenien.
Askalal gegen die Türkei;
Urteil vom 11.9.2007; BeschwNr. 51.967/99
Der Ehemann der Beschwerdeführerin
wurde 1980 tödlich gefoltert.
Die Straflosigkeit jenes Polizisten,
in dessen Gewahrsam der Verstorbene war, stellt eine
Verletzung des Art. 2 EMRK dar.
Sara Kaya gegen die Türkei;
Urteil vom 2.10.2007; BeschwNr. 47.544/99
Verletzung des Art. 2 EMRK durch
gänzliches Unterlassen von Ermittlungen betreffend das
Verschwinden eines Familienangehörigen der
Beschwerdeführer; auch nach Auffinden seines Leichnams.
Goncharuk, Goygova und Makhauri
gegen Russland; Urteile vom 4.10.2007; BeschwNr.
58.643/00, 74.240/01 und 58.701/00
Jeweils Verletzung des Art. 2 (und
Art. 13) EMRK, weil die Ermordung unbewaffneter
Zivilisten in Grosny durch russische Sicherheitskräfte
nicht effektiv untersucht wurde.
Saoud gegen Frankreich; Urteil
vom 9.10.2007; BeschwNr. 9.375/02
Die Beschwerdeführerin ist die Mutter
des bei einem Polizeieinsatz ums Leben Gekommenen.
Verletzung des Art. 2 EMRK, weil der
Beschwerdeführer, eine psychisch kranke Person, keiner
Behandlung unterzogen worden ist, welche seinen
Herzstillstand während seiner Fixierung vermeiden hätte
können, obwohl damit vertraute Fachleute vor Ort waren.
€ 20.000,-- für immateriellen Schaden
und € 5.000,-- für Kosten und Auslagen.
Acar u.a. – Türkei;
Urteil vom 6.10.2009; Beschwerde-Nr. 30.742/03
Verletzung des Art. 2 EMRK (Leben + Freiheit)
Die türkischen Behörden haben nicht das Notwendige
unternommen, um die Täter ausfindig zu machen und zu
bestrafen (positive Verpflichtung des Staates)
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Art. 2 |
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Die neuere Rechtsprechung
des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zu diesem
Recht:
B 1452/03 vom 29.6.2004 (VfSlg. 17.257):
Aufhebung des UVS-Bescheides, welcher sich in einem
Verfahren betreffend Maßnahmenbeschwerde gegen die
Tötung des Sohnes der Beschwerdeführerin mit dem
Parteienvorbringen nicht auseinandergesetzt und keine
Feststellungen dazu getroffen hat, ob der tödliche
Waffengebrauch iSd Art. 2 Abs.2 lit.a EMRK unbedingt
erforderlich war.
B 403/03 vom 25.11.2003 (VfSlg. 17.046):
Der UVS hätte die Beschwerde der minderjährigen Söhne
des bei einer polizeilichen Amtshandlung getöteten
Vaters nicht neuerlich zurückweisen dürfen. Der UVS ist
infolge Vorliegens eines Aktes unmittelbarer
behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zur Behandlung
der eingebrachten Beschwerde zuständig.
B 423/01 vom 30.9.2002 (VfSlg. 16.638):
staatliche Schutzpflicht
Der gegen eine Person durch Festnahme geübte
Polizeizwang dauert für die gesamte Dauer der
nachfolgenden Haftanhaltung unvermindert fort. Damit ist
aber nicht nur eine Festnahme bzw. eine Anhaltung an
sich als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher
Befehls- und Zwangsgewalt bekämpfbar, sondern sind auch
die Umstände, unter denen die Anhaltung erfolgte, einer
(gesonderten) Anfechtung zugänglich (samt Vorjudikatur).
Zu diesen Umständen zählen etwa auch die Verweigerung
ärztlicher Hilfe und die Zustände in den Arrestlokalen.
Ob das Unterlassen der Sicherstellung einer
medizinischen Betreuung eines Häftlings - der nach
eigenen Angaben drogensüchtig war und bei dem zusätzlich
die Vermutung bestand, er habe vor seiner Festnahme
Suchtgift verschluckt - im konkreten Fall eine
Verletzung von Bestimmungen der Anhalteordnung (BGBl. II
Nr. 128/1999) und damit auch einen Verstoß gegen die aus
Art.2 EMRK erfließende staatliche Schutzpflicht
darstellte, wird vom UVS im Zuge des Verfahrens zu
entscheiden sein. Dass das Unterlassen bestimmter
Maßnahmen jedoch einen anfechtbaren Akt im Sinne des
Art129a B-VG darstellen kann, ist zweifelsfrei.
Aufhebung des UVS-Bescheides wegen Verletzung des
Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter
nach Art. 83 Abs.2 B-VG.
B 1580/00 vom 12.6.2001 (VfSlg. 16.179)
Unter Bedachtnahme auf die historische Zielsetzung der
Rechtsschutz- und Kontrolleinrichtung im Sinne des Art.
129a B-VG kann dem Verfassungsgesetzgeber nicht
zugesonnen werden, dass er eine eigene Beschwerdeinstanz
für Rechtsverletzungen, die aus Akten unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
resultieren, geschaffen hat, und davon aber die
Geltendmachung der Verletzung des Rechts auf Leben durch
Angehörige im Fall des während der Amtshandlung
eingetretenen Todes des von der Amtshandlung unmittelbar
Betroffenen generell ausschließen wollte. Wenn also der
durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und
Zwangsgewalt Betroffene während der Amtshandlung
verstorben ist, so ist gemäß Art. 129a B-VG der UVS auch
zuständig, über von nahen Angehörigen diesbezüglich
behauptete, den Verstorbenen betreffende
Rechtsverletzungen (insbesondere Art. 2 EMRK) zu
erkennen. Aufhebung des UVS-Bescheides wegen Verletzung
des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen
Richter nach Art. 83 Abs.2 B-VG.
B 158/00 vom 6.3.2001 (VfSlg. 16.108); Art.2+3
EMRK - § 67a AVG - § 88 SPG
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem
gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Beschwerde
der leiblichen Tochter gegen die Abschiebung ihres
infolge Knebelung und Fesselung verstorbenen Vaters
seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates;
Beschwerdelegitimation der Hinterbliebenen zur
Geltendmachung des Rechts auf Leben; örtliche
Zuständigkeit des UVS Wien; Vorliegen eines anfechtbaren
Aktes der Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher
Befehls- und Zwangsgewalt in Vollziehung des
Sicherheitspolizeigesetzes (vgl. auch B 159/00 vom
selben Tag).
B 4127/96 vom 10.12.1997 (VfSlg. 15.046); Art.2+3
EMRK; §§ 2 und 7 WaffGG
Verletzung im Recht auf Leben und im Recht, nicht der
Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe
oder Behandlung unterworfen zu werden durch die Abgabe
mehrerer Schüsse durch Gendarmeriebeamte im Zuge einer
fremdenpolizeilichen Kontrolle eines flüchtenden
ausländischen Staatsangehörigen. Das Recht auf Leben
gemäß Art2 EMRK kann durch eine "Gewaltanwendung", die
als nicht angestrebtes Ergebnis zu einer Tötung führen
kann (EGMR vom 27.09.95 im Fall McCann u.a., ÖJZ 1996,
233), verletzt werden, und zwar dann, wenn diese nicht
gemäß Abs2 leg. cit. gerechtfertigt gewesen ist. Der
lebensgefährdende Gebrauch einer Dienstwaffe kann eine
solche Gewaltanwendung darstellen (vgl. VfSlg. 8082).
Der Schuss gefährdete laut dem Akteninhalt das Leben des
Beschwerdeführers. Dass es sich bei der Verwendung der
Dienstwaffe im Sinne des Art. 2 Abs.2 EMRK um eine
unbedingt erforderliche Gewaltanwendung gehandelt habe,
ist weder behauptet worden noch im
verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren
hervorgekommen. Der Waffengebrauch widersprach daher
auch dem Art. 2 EMRK.
B 2091/92 vom 18.12.1993 (VfSlg. 13.660)
Keine Bedenken gegen § 3 Abs.1 und Abs.2 Z.7
Fremdenpolizeigesetz. Kein Eingriff in die durch Art.2,
Art.3, Art.5 und Art.10 EMRK verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Rechte durch die Verhängung eines
Aufenthaltsverbotes.
B 364/93 vom 4.10.1993 (VfSlg 13.561)
Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten
Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bei
Entscheidung über eine Schubhaftbeschwerde ohne Prüfung
eines Refoulement-Verbotes; kein Eingehen auf die Frage
der Rechtmäßigkeit der Abschiebung trotz der aufgrund
des bereits abgeschlossenen Verfahrens zur Erlassung
einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes nicht
mehr bestehenden Möglichkeit eines gesonderten
Verfahrens zur Überprüfung der Unzulässigkeit der
Abschiebung in ein bestimmtes Land. Wie sich aus dem
auch dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegenen
Administrativakt ergibt, hatte die Beschwerdeführerin
behauptet, dass sie "keinesfalls zurück nach Sri Lanka
will, weil ich Angst habe, dort getötet zu werden."
vgl. auch Art. 2 GRC:
Abs.1: Jede Person hat das Recht auf Leben
Abs.2: Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder
hingerichtet werden.
vgl. auch Art.2 Abs.2 GG
der BRD
vgl. auch 6. ZP zur EMRK:
Beschränkung der Todesstrafe auf Kriegszeiten
vgl. auch 13. ZP zur EMRK:
gänzliches Verbot der Todesstrafe
vgl. auch Art. 4 AEMR
vgl. auch Art.4 AfrChRMV
vgl. auch Art. 3 der 4. Genfer
Konvention 1949
sowie deren ZP und die Völkermordkonvention
E M R K |
Art. 2 |
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