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Artikel 11 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Abs.1
Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu
versammeln und sich frei mit anderen
zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum
Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und
diesen beizutreten.
Abs.2
Die Ausübung dieser Rechte darf keiner anderen
Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz
vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft
im Interesse der äußeren und inneren Sicherheit, zur
Aufrechterhaltung der Ordnung und der
Verbrechensverhütung, zum Schutze der Gesundheit und der
Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer
notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die
Ausübung dieser Rechte für Mitglieder der Streitkräfte,
der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen
Einschränkungen unterworfen wird.
vgl. auch Art. 12 StGG
(Österreich):
Die
Österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich zu
versammeln und Vereine zu bilden.
Die Ausübung
dieses Rechts wird durch besondere Gesetze geregelt.
Diese (Verfassungs)Bestimmung
regelt die Versammlungs- und Vereinsfreiheit.
Die dazu
ergangenen Gesetze sind das VersammlungsG und das
VereinsG.
Die
Verfassungsbestimmung des Art. 9 des Staatsvertrages von
Wien verpflichtet Österreich zur Auflösung und
Untersagung faschistischer Organisationen.
vgl. auch Art. 12 GRC
vgl. auch Art. 8, 9 und 21 GG
der BRD
vgl. auch Art. 21 und 22 IPbpR
Wenn die
nationalen Gesetze (Art. 12 StGG in Österreich und die
Art. 8 und 9 GG der BRD) diese Rechte nur den jeweiligen
Staatsbürgern garantieren, so steht dies in Widerspruch
zu Art. 11 EMRK als „Menschenrecht“.
Das Recht der
EU (Art. 12 EGV) verbietet überdies jede Diskriminierung
aus Gründen der Staatsangehörigkeit.
Wegen des
Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sind daher die
innerstaatlichen Bestimmungen nach der EMRK auszulegen.
Den Begriff
der Versammlung hat der EGMR nicht definiert; aus
dem Urteil im Fall Plattform „Ärzte für das Leben“ gegen
Österreich A-139, § 32 kann jedoch abgeleitet werden,
dass es um das gemeinsame Eintreten für Interessen und
Ideen geht.
Art. 11 EMRK
schützt nur die „friedliche“ Versammlung.
Im Fall
Schmidberger (EuGH Slg. 2003, I-5659) hat der EuGH
ausgeführt, dass die Versammlungsfreiheit auch in der EU
anerkannt ist. Hier ging es um eine genehmigte
Demonstration, in deren Zuge die Brennerautobahn total
blockiert war. Ein deutscher Frächter wollte unter
Berufung auf die Warenverkehrsfreiheit aus dem
Stillstand seiner Lkw auf dieser zentralen Verkehrsader
den daraus resultierenden Schaden als
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gegen
Österreich mit der Begründung durchsetzen, die
österreichischen Behörden hätten es bei der Bewilligung
der Blockade (Demonstration) verabsäumt, Beschränkungen
der Warenverkehrsfreiheit hintanzuhalten.
Gegenteilig
der EuGH im Fall der französischen Blockadebauern, wo
auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt wurde (EuGH Slg.
1997, I-6959).
Gegendemonstrationen oder Ausschreitungen am Rande der
Versammlung führen daher nicht zur Unfriedlichkeit der
Versammlung.
Die
Beweislast für die Annahme der Unfriedlichkeit liegt bei
den Behörden (BVerfG 1 BvQ 21/01 vom 1.5.2001).
Eingriffe in
die Versammlungsfreiheit sind in mehrfacher Hinsicht
möglich. Verbote und Auflagen sind zulässig.
Art. 11 Abs.1
EMRK steht unter dem Vorbehalt des Abs.2; erster
Prüfungsmaßstab ist die gesetzliche Grundlage; der
Eingriff muss ein legitimes Ziel verfolgen und in einem
demokratischen Rechtsstaat notwendig sein; dies ist dann
der Fall, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis für den
Eingriff in dieses Recht besteht
(„Mittel-Zweck-Relation“). Dabei besteht ein gewisser
Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten.
Vereinigungen
sind auf Dauer angelegte, freiwillige, privatrechtliche
Zusammenschlüsse mit organisierter Willensbildung zur
Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (BVerfG 1 BvR
1806/98 vom 7.12.2001).
Diese
Definition ist im Wesentlichen ident mit dem „Verein“
iSd VereinsG.
Ob auch
wirtschaftliche Vereinigungen darunter fallen , ist
fraglich, Judikatur des EGMR gibt es dazu nicht. Im
Gegensatz zur Versammlung muss die Vereinigung auf
gewisse Dauer angelegt sein.
Auf den Zweck
kommt es nicht an.
Zwangsmitgliedschaften (z.B. in Kammern für freie Berufe
wie Rechtsanwälte und Ärzte) fallen nicht unter den
Vereinsbegriff.
Betreffend
Einschränkungsmöglichkeit siehe oben zur
Versammlungsfreiheit.
Im Fall Vogt
gegen die BRD (A-323) hat der EGMR erkannt, dass das
Verbot einer Beschäftigung von Mitgliedern einer
extremistischen Partei im öffentlichen Dienst mit der
EMRK nicht vereinbar ist (sog. Radikalenerlass).
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Art. 11 |
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RA Dr. Postlmayr |
Die jüngste Rechtsprechung des EGMR zu diesem Recht:
Baczkowski gegen Polen; Urteil vom 3.5.2007,
BeschwNr. 1543/06
Verbot einer
Homosexuellenveranstaltung
Die Frage der
Opfereigenschaft iSd Art. 34 EMRK (Aufhebung des Verbots
durch die Berufungsbehörde nach der beabsichtigten
Veranstaltung) sowie der Ausschöpfung des
innerstaatliche Instanzenzugs hat der EGMR bereits in
seiner Zulässigkeitsentscheidung bejaht, diese wird im
Urteil nicht anders beurteilt.
Verletzung
des Art. 11;
die Veranstaltung hat zwar stattgefunden und wurde das
Verbot im nachhinein aufgehoben, Die Beschwerdeführer
gingen dabei aber ein Risiko ein. Die Vermutung der
Rechtmäßigkeit ist ein wesentlicher Aspekt der
effektiven und ungehinderten Ausübung der
Versammlungsfreiheit und konnten durch das Verbot davon
abgehalten werden, sich daran zu beteiligen.
Grande
Oriente d´Italia die Palazzo Giustininai (Nr. 2) gegen
Italien;
Urteil vom
31.5.2007;
BeschwNr. 26.740/02
Diskriminierende Behandlung einer Freimaurerloge.
Kein Zugang
zu öffentlichen Ämtern für Mitglieder der
Freimaurerloge.
Verletzung des Art.
11 iVm Art. 14 EMRK – daher keine Notwendigkeit, auch
die Frage der Verletzung des Art. 11 alleine und von
Art. 13 EMRK zu prüfen;
Die
Feststellung der Rechtsverletzung ist für sich gesehen
eine ausreichend gerechte Entschädigung, Zuspruch von €
5.000,-- für Kosten und Auslagen.
Balkani
gegen Bulgarien; Urteil vom 12.4.2007;
BeschwNr. 63.778/00
Verletzung des Art.
11 EMRK – Versammlungsfreiheit .
Der
Protestmarsch einer Umweltschutzorganisation wurde zu
Unrecht untersagt.
Sc-Kirche
gegen Russland; Urteil vom 5.4.2007;
Durch eine
Gesetzesänderung wurde die Neuregistrierung als
Rechtspersönlichkeit als Kirche nötig, welche aber
verweigert wurde.
Karacay
gegen die Türkei; Urteil vom 27.3.2007;
BeschwNr. 6.615/03
Disziplinarrechtlicher Verweis aufgrund der Teilnahme an
einer Demonstration – Verletzung des Art. 11 –
Versammlungsfreiheit (und des Art. 13).
Ciloglu
u.a. gegen die Türkei; Urteil vom 6.3.2007;
BeschwerdeNr. 73.333/01
Keine Verletzung des
Art. 11 (und Art.3) wegen Auflösung einer nicht
bewilligten, ungesetzlichen Versammlung unter Einsatz
von Tränengas.
ASLEF gegen
UK; Urteil vom 27.2.2007;
BeschwNr.
11.002/05
Der Beschwerdeführer
ist eine unabhängige Gewerkschaft, der die meisten
britischen Lokomotivführer angehören. Einstimmiger
Beschluss des Exekutivkomitees der ASLEF, Herrn Lee
wegen Zugehörigkeit zu einer rechtsextremistischen
Partei aus der Gewerkschaft auszuschließen, was dieser
erfolgreich bei den Gerichten angefochten hat. Er musste
in der Folge wieder in die Gewerkschaft aufgenommen
werden. Die Gewerkschaft rügt in ihrer Beschwerde an den
EGMR die Verletzung des Art. 11 EMRK
(Vereinigungsfreiheit). § 174 des angewendeten Gesetzes
stelle einen unrechtmäßigen Eingriff in das Recht auf
freie Wahl ihrer Mitglieder dar. Der GH kommt zum
Ergebnis, dass der Staat mit dieser gesetzlichen
Regelung seinen Ermessensspielraum überschritten hat.
Keine besondere Härte gegen Herrn Lee und kein
missbräuchliches und unzumutbares Verhalten der
Beschwerdeführerin. Verletzung des Art. 11 EMRK.
Moscov branch of
the salvation army gegen Russland;
Urteil vom 5.10.2006; BeschwerdeNr. 72.881/01;
Verletzung des Art. 11 EMRK.
Öllinger gegen
Österreich; Urteil vom
29.6.2006; BeschwerdeNr. 76.900/01; Verletzung des Art.
11 EMRK; § 6 VersammlungsG; Untersagung einer
Protestkundgebung der Kameradschaft IV auf dem
Salzburger Kommunalfriedhof. Kein fairer Ausgleich der
berührten Interessen.
Demir + Baykara - Türkei; Urteil vom
12.11.2008; BeschwNr. 34.503/97
Vereinigungsfreiheit auch für
Staatsbedienstete (hier: Bildung einer Handelsgesellschaft und Aufhebung
eines Vertrages ex tunc).
Art. 11 EMRK garantiert das Recht auf Führung von
Kollektivverhandlungen (hier: Beamtengewerkschaft) und ist auch auf
Gemeindebedienstete anwendbar.
Verletzung des Art. 11 EMRK - Eingriff in einer
demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.
Keine Notwendigkeit,
bei diesem Ergebnis auch die Frage der Verletzung des Art. 14 EMRK zu
prüfen.
€ 20.000,-- Zuspruch einer gerechten Entschädigung
für immateriellen Schaden nach Art. 41 EMRK.
Aliyev - Aserbaidschan; Urteil vom 18.12.2008;
BeschwNr. 28.736/05
Vereinigung von Rechtsanwälten - Verfahren betreffend
Erlangung der Rechtspersönlichkeit.
Unangemessene Verzögerung des Verfahrens um acht
Monate - Verletzung des Art. 11 EMRK.
Die Leitentscheidungen des EGMR zu diesem Recht:
A-20 Schwedischer Lokomotivführerverband
A-21 Schmidt und Dahlström
A-24 Hanyside
A-30 Sunday Times
A-37 Artico
A-43 Le Compte
A-44 Young, James and Webster
A-82 Malone
A-104 Glasenapp
A-105 Kosiek
A-133 Müller
A-139 Plattform „Ärzte für das Leben“ gegen Österreich
A-202 Ezelin
A-264 Sigurjonsson
A-314 Piermont
A-323 Vogt
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