e m r k . a t

 

Artikel  1  EMRK  -  Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte 

 

Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.

 

R e c h t s p r e c h u n g :

 

Soering – UK; Urteil vom 7.7.1989; BeschwNr. 14.038/88

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und in England in Auslieferungshaft. Er befürchtet in den USA die Todesstrafe wegen des Vorwurfs der Ermordung seiner Schwiegereltern. GH: England würde im Fall der Auslieferung des Beschwerdeführers in die USA die Konvention (Art.3 EMRK) verletzen. Keine Verletzung des Art. 6 Abs.3 lit.c und Art. 13 EMRK.

 

Drozd + Janousek – Frankreich + Spanien; Urteil vom 26.6.1992, A-240

Die Konvention ist auf dem Territorium Andorras nicht anwendbar (kein Mitgliedstaat des Europarates, kein Vertragsstaat der EMRK), auch wenn Frankreich und Spanien sie ratifiziert haben. Das Abstellen von spanischen und französischen Richtern für das Verfahren bedeutet keine Jurisdiktionsgewalt, weil das Gericht autonom gehandelt hat und nicht der spanischen und französischen Kontrolle unterlag. Keine Verletzung des Art. 5 EMRK.

 

W.M. – Dänemark; BeschwNr. 17.392/90

Die Auslieferung des DDR-Bürgers (Beschwerdeführer) aus der dänischen Botschaft an die DDR-Polizei geschah unter der Hoheit (Jurisdiktion) Dänemarks.

Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 14.10.1992

 

E M R K

Art. 1

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RA  Dr. Postlmayr, Mattighofen

 

Loizidou – Türkei; Urteil vom 23.2.1995; A-310

Art. 1, 25 und 46 EMRK; Auslegung der „Jurisdiktion“ iSd Art.1 EMRK – Hoheitsgewalt. Diese ist nicht auf das nationale Territorium des Mitgliedstaates beschränkt, die staatliche Verantwortung für die Beachtung der EMRK kann auch die Konsequenz einer militärischen Operation sein, sei sie gesetzeskonform oder gesetzwidrig. Es geht um die effektive Kontrolle über ein Gebiet außerhalb des nationalen Territoriums (z.B. durch Streitkräfte oder lokale Verwaltung). Die Handlungen der türkischen Truppen und der türkischen Verwaltung „TRNC“ in Nordzypern sind daher der Türkei zuzurechnen.

 

Sanchez Ramirez – Frankreich; BeschwNr. 28.780/95

Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 24.6.1996

Der Beschwerdeführer „Carlos“ wurde 1994 von sudanesischen Sicherheitskräften gefangen genommen und der französischen Polizei übergeben, die ihn in ein französisches Flugzeug brachten auf einer französischen Militärbasis. Dort wurde über ihn durch einen französischen Richter die Untersuchungshaft verhängt iZm mit einem Autobombenattentat 1982 in Paris. Ab dem Zeitpunkt seiner Übergabe an die französischen Militärs im Sudan unterlag der Beschwerdeführer effektiv der französischen Hoheit, die französische Jurisdiktion war daher gegeben, die außerhalb des Staatsgebiets ausgeübt wurde.

 

Zypern – Türkei; Urteil der Großen Kammer vom 10.5.2001; BeschwNr. 25.781/94

die Meinung der Türkei, dass Nordzypern ein politisch unabhängiger Staat ist und daher die Türkei für Konventionsverletzungen nicht verantwortlich gemacht werden kann, trifft nicht zu. Dies nicht nur aufgrund der Handlungen der türkischen Soldaten sondern auch aufgrund der örtlichen Verwaltung „TRNC“.

 

Bankovic – Belgien und 16 andere Nato-Staaten; BeschwNr. 52.207/99

Zulässigkeitsentscheidung der Großen Kammer vom 12.12.2001

Auslegung des Begriffes „Hoheitsgewalt – Jurisdiktion“ iSd Art. 1 EMRK und Art. 31 WVK. Dieser Fall ist anders gelagert als etwa jener Zypern gegen die Türkei – Urteil vom 10.5.2001.

Unzulässigkeit der Beschwerde.

E M R K

Art. 1

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RA  Dr. Postlmayr, Mattighofen

 

Streletz, Kessler, Krenz und K.-H. W. – BRD; BeschwNr. 34.044/96 u.a.

Urteil der Großen Kammer vom 22.3.2001

Art. 1 EMRK ist eine Rahmenbestimmung, welche nicht losgelöst von anderen EMRK-Bestimmungen verletzt werden kann.

Die nach der Wiedervereinigung ergangenen Urteile der deutschen Gerichte haben die Beschwerdeführer nicht nach Art.7 EMRK verletzt, es liegt auch keine Diskriminierung iSd Art.14 EMRK vor.

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Ilascu – Moldawien + Russland; Urteil der Großen Kammer vom 8.7.2004;

Verantwortlichkeit der belangten Staaten für Folter und Misshandlungen.

Moldawien trägt die Verantwortung für das Versäumnis, seine positiven Verpflichtungen für die beschwerdegegenständlichen Handlungen in der Zeit nach Mai 2001 wahrzunehmen.

Kein gültiger Vorbehalt iSd Art. 57 EMRK.

Auch Russland ist verantwortlich, weil Einheiten der russischen Armee entgegen Zusagen bei OSZE-Gipfeltreffen moldawisches Territorium immer noch nicht verlassen hatten.

 

Issa u.a. – Türkei; BeschwNr. 31.821/96; Urteil vom 16.11.2004

Am 30.5.2000 wurde die Beschwerde für zulässig erkannt.

Die Prüfung und Bestätigung der Hoheitsgewalt ist eine notwendige Voraussetzung, damit ein Mitgliedstaat der EMRK für eine Konventionsverletzung verantwortlich sein kann (Vorjudikatur). In der Regel im eigenen Territorium, aber auch außerhalb, wenn die effektive Kontrolle über ein Gebiet ausgeübt wird.

Ergebnis iSd Art. 1 EMRK: keine Jurisdiktion der Türkei.

Nicht nötig, auch die Frage der Verletzung der Art. 2, 3, 5, 8, 13, 14 und 18 EMRK zu prüfen.

 

Öcalan – Türkei; Urteil der Großen Kammer vom 12.5.2005; BeschwNr. 46.221/99

Der Beschwerdeführer wurde von türkischen Sicherheitskräften in ein in der Türkei registriertes Flugzeug auf dem internationalen Flughafen Nairobi, Kenia, gebracht und dort festgehalten.

Die Türkei hat hier ihre Autorität außerhalb ihres Territoriums ausgeübt, der Fall unterliegt daher der türkischen Jurisdiktion.

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Art. 1

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RA  Dr. Postlmayr, A-5230

 

Bosphorus Airways – Irland; Art. 1 EMRK und Art. 1 des 1. ZP

Urteil der Großen Kammer vom 30.6.2005; BeschwNr. 45.036/98

Die Beschlagnahme des von der Beschwerdeführerin geleasten Flugzeugs durch irische Behörden auf dessen Territorium fällt unter die Hoheitsgewalt Irlands. Die Beschwerde ist daher ratione loci, personae und materiae mit der Konvention vereinbar. Dieser Eingriff war nicht das Ergebnis einer Ermessensausübung der irischen Behörden sondern erfolgte in Erfüllung der Verpflichtungen des irischen Staates aus dem Gemeinschaftsrecht (Verordnung 990/93 gemäß Art. 249 EGV). Der Grundrechtsschutz der Gemeinschaft ist mit jenem der EMRK als gleichwertig anzusehen. Keine Verletzung des Eigentumsrechts.

 

Perrin – UK; Zulässigkeitsentscheidung vom 18.10.2005; BeschwNr. 5.446/03

Verhaftung und Verurteilung eines französischen Staatsangehörigen in England zu 30 Monaten Freiheitsstrafe wegen Kinderpornographie im Internet. Der Beschwerdeführer bestreitet die Jurisdiktion Englands, weil die Gesellschaft in den USA registriert ist und von dort aus agiert. Der EGMR teilt die Meinung des Berufungsgerichts, dass der Beschwerdeführer der Hoheitsgewalt England unterlag.

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Blecic – Kroatien; Urteil der Großen Kammer vom 8.3.2006; BeschwNr. 59.532/00

Die Beschwerde ist iSd Art.35 Abs.3 EMRK ratione temporis mit der Konvention unvereinbar, weil diese Tatsachen betrifft, welche vor Inkrafttreten der Konvention in Kroatien liegen.

Die sechsmonatige Beschwerdefrist ist vom GH von Amts wegen aufzugreifen, auch wenn dies vom belangten Staat nicht releviert wurde.

Zum Zeitpunkt des OGH-Urteils war die Konvention im belangten Staat noch nicht in Kraft.

 

Saddam Hussein – UK und 20 andere Staaten; BeschwNr. 23.276/04

Zulässigkeitsentscheidung vom 14.3.2006

Der Beschwerdeführer hat nicht nachgewiesen, dass er unter die Hoheitsgewalt der belangten Staaten fiel und diese Hoheitsgewalt ausgeübt haben, für seine Festnahme und Anhaltung verantwortlich oder beteiligt gewesen wären. Dass diese Staaten Teil einer Koalition mit den USA waren, ist nicht ausreichend; kein rechtliches Band zwischen dem Beschwerdeführer und den belangten Staaten.

 

Isaak u.a. – Türkei; BeschwNr. 44.587/98

Zulässigkeitsentscheidung vom 28.9.2006

Die Beschwerdeführer behaupten die unrechtmäßige Festnahme, Misshandlung und Tötung ihrer Verwandten durch die türkische Armee während einer Offensive im Nordirak im April 1995. Diese Operationen sind nicht im ausreichenden Ausmaß erwiesen – Unzulässigkeit der Beschwerde.

 

Ben el Mahi – Dänemark; BeschwNr. 5.853/05

Zulässigkeitsentscheidung vom 11.12.2006  -  unzulässig

Kein ausreichender Zusammenhang zwischen Dänemark und marokkanischen Staatsbürgern, welche sich über die Veröffentlichung von Karikaturen Mohammeds in dänischen Zeitungen beschweren.

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Markovic u.a. – Italien; BeschwNr. 1.398/03

Urteil der Großen Kammer vom 14.12.2006

Ab Einleitung eines Zivilverfahrens durch die nationalen Gerichte ist der Staat gemäß Art. 1 EMRK verpflichtet, die in Art. 6 enthaltenen Garantien zu sichern.

Keine Verletzung des Art. 6 EMRK (10 : 7 Stimmen)

 

Saramati – Frankreich, BRD und Norwegen sowie Behrami – Frankreich;

Zulässigkeitsentscheidung der Großen Kammer vom 31.5.2007;

BeschwNr. 78.166/01 und 71.412/01

Resolution 1244 des Sicherheitsrates der UN aus 1999 – internationale Friedenstruppe im Kosovo (KFOR). Die Handlungen und Unterlassungen von UNMIK und KFOR sind direkt den UN zuzurechnen und nicht den belangten Staaten.

Unzulässigkeit der Beschwerde ratione personae (samt Vorjudikatur).

 

Beric u.a. – Bosnien-Herzegowina; BeschwNr. 36.357/04

Zulässigkeitsentscheidung vom 16.10.2007

Enthebung von allen öffentlichen und politischen Funktionen durch den Hohen Repräsentanten der UN. Diese Handlung sind den UN und nicht dem belangten Staat zuzurechnen, auch wenn der Mitgliedstaat eine internationale Zivilverwaltung auf seinem Territorium duldet. Unzulässigkeit der Beschwerde ratione personae.

 

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Art. 1

bearbeitet von

RA  Dr. Postlmayr, Mattighofen

 

Manitaras u.a. – Türkei; Zulässigkeitsentscheidung vom 3.6.2008; BeschwNr. 54.591/00

Tod eines Angehörigen der Beschwerdeführer im Jahr 1999 in Nordzypern.

Art.2, 8, 13 und 14 EMRK; Die Vorfälle fanden unter der Verwaltung der „TRNC“ statt und fallen daher in die Hoheitsgewalt der Türkei. Abweisung der Einrede der Regierung.

Verweis auf das Urteil der GrK vom 10.5.2001 im Fall Zypern – Türkei.

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Leela Förderkreis eV – BRD; BeschwNr. 58.911/00

Urteil vom 6.11.2008; keine Verletzung des Art. 9 EMRK (5 : 2 Stimmen).

Warnung des Staates vor „Sekte und Psycho-Kult“

Der Eingriff in das Recht nach Art.9 war gerechtfertigt und iSd verfolgten Ziels auch verhältnismäßig.

Die Ermächtigung zu solchem vorbeugenden Einschreiten des Staates ergibt sich auch aus der Verpflichtung nach Art. 1 EMRK, die Rechte und Freiheiten der ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu schützen, auch vor Eingriffen durch nichtstaatliche Einrichtungen.

Bei diesem Ergebnis keine Notwendigkeit, auch Art.14 iVm Art.9 oder zu prüfen

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK: Verfahrensdauer

Mehr als 18 Jahre vor vier Instanzen; Überlastung des BVerfG aufgrund der Widervereinigung mit der DDR; Regierung:  nur 4,4 % der Fälle sind mehr als vier Jahre anhängig. Mehr als 11 Jahre vor dem BVerfG sind aber auch unter diesem Hintergrund nicht angemessen (entsprechende Organsiation des Rechtssystems; Vorjudikatur: Süßmann, Niederböster und Wimmer – BRD).

Vier Kriterien bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

 

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Art. 1

bearbeitet von

RA  Dr. Postlmayr, A-5230

 

Al-Saadoon + Mufdhi – UK; BeschwNr. 61.498/08

Zulässigkeitsentscheidung vom 30.6.2009

Unzulässigkeit der Beschwerde zu den Haftbedingungen in einem Gefängnis (Art.2 +3 EMRK)

wegen Nichtausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs.

Zulässigkeit der Beschwerde zu den Art.2, 3, 6 EMRK und Art.1 des 13. ZP betreffend Verfahren vor den irakischen Gerichten wegen drohender Todesstrafe.

Art.1 EMRK begrenzt vor allem die territoriale Reichweite der Konvention (Hoheitsgewalt).

Nur im außergewöhnlichen Fällen wird anerkannt, dass Handlungen der Mitgliedstaaten, die außerhalb ihres Hoheitsgebietes vorgenommen werden oder dort Auswirkungen haben, eine Ausübung der Hoheitsgewalt iSd Art.1 EMRK darstellen können (z.B. durch eine Militäraktion eine effektive Kontrolle über ein Gebiet ausgeübt wird wie Handlungen auf Schiffen und Flugzeugen und der diplomatischen und konsularischen Vertretungen).

 

Al-Skeini u.a. – UK; Urteil der Großen Kammer vom 7.7.2011; BeschwNr. 55.721/07

Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände hatte England Hoheitsgewalt (Jurisdiktion) bei der Operation von britischen Soldaten im Südostirak, Basra, zwischen 1. Mai 2003 und 28. Juni 2004. Verletzung des Art.2 EMRK infolge mangelnder effektiver unabhängiger Untersuchung des Todes von Zivilisten.

 

Al-Jedda – UK; Urteil der Großen Kammer vom 7.7.2011;

BeschwNr. 27.021/08; Verletzung des Art. 5 Abs.1 EMRK wegen dreijähriger Inhaftierung eines irakischen Zivilisten im Anhaltezentrum Barsa.

Keine Deckung dieser Maßnahme in der UN-Resolution 1546.

 

Hirsi Jamaa - Italien; Urteil der Grossen Kammer vom 23.2.2012, BeschwNr. 27.765/09

Das Aufgreifen von rund 200 libyschen Flüchtlingen auf hoher See ca. 35 Meilen vor Lampedusa und deren Abschiebung nach Tripolis fällt in die italienische Jurisdiktion.

Verletzung des Art.3 EMRK, des Art.4 des 4. ZP (Kollektivausweisung) und des Art.13 EMRK iVm Art.3 EMRK und Art.4 des 4. ZP.

 

Catan - Moldawien und Russland; Urteil der Großen Kammer vom 19.10.2012, BeschwNr. 43.370/04 u.a.

Auch wenn die verfahrensgegenständlichen Schulen im Staatsgebiet Moldawiens liegen, hatte Moldawien über dieses Gebiet, das von der TMR kontrolliert wurde, keine Kontrolle.

Hoheitsgewalt Russlands iSd Art. 1 EMRK.

 

Eriomenco und 5 andere - Russland; Urteile vom 9. und 30.5.2017, BeschwNr. 42.224/11 u.a.

Für behördliche Handlungen in Transnistrien sind Russland und Moldawien verantwortlich. Russland aht die Art.3, 5 Abs.1, Art.6 Abs.1, 8, 13 und 34 EMRK und Art.1 des 1. ZP zur EMRK verletzt.

 

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