e m r k . a t


Art. 4 des 7. ZP zur EMRK


Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal
vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

 

Abs.1: Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Abs.2: Absatz 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

Abs.3: Dieser Artikel darf nicht nach Artikel 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden.

 

Ratifikationsstand:  bis 28.12.2011 haben 42 Mitgliedstaaten des Europarates dieses Zusatzprotokoll ratifiziert;
es fehlen: Belgien, Deutschland, England, Niederlande und Türkei.


„ne bis in idem“ – Verbot der Mehrfachbestrafung


vgl. auch Art. 50 GRC:
„Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden“.
Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

vgl. auch Art. 14 Abs.7 IPbpR:    ( der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte steht in Österreich auf einfachgesetzlicher Stufe )

Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden.

vgl. auch Art. 103 Abs.3 Grundgesetz (GG) der BRD:
Niemand darf wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

vgl. auch Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ):
Wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.


Das Verbot der Doppelbestrafung war schon im 5. Jh. vC im attischen Recht bekannt, ebenso im römischen Recht und im Sachsenspiegel. Dieses fand 1791 als Grundfreiheit Eingang in die französische Verfassung, ebenso in das 5. Amendment der Verfassung der USA (als Verbot des „double jeopardy“).

Die BRD hat diesen Artikel neben lediglich fünf anderen Mitgliedstaaten (Andorra, Holland, Spanien und die Türkei) bislang nicht ratifiziert.

Dieses Recht findet sich interessanter Weise in der EMRK noch nicht und ist erst in das 7. ZP aufgenommen worden, welches am 1.11.1988 (mit der Ratifizierung u.a. durch Österreich und die Schweiz an diesem Tag) in Kraft getreten ist.

Es steht oft im Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit.
Während bei Art. 4 des 7.ZP der verfahrensrechtliche Aspekt im Vordergrund steht, ist es bei Art. 103 Abs.3 GG die Identität der Tathandlung.
In Österreich steht dieser Artikel (wie die gesamte EMRK samt deren ratifizierte Zusatzprotokolle) in Verfassungsrang und wird in der Lehre aufgrund erheblicher Auslegungsschwierigkeiten oft als das „verflixte Siebente“ bezeichnet.
Die Zurückhaltung der restlichen acht Mitgliedstaaten des Europarates bei der Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls mag auch darauf zurück zu führen sein.

Dieses Recht soll den Normunterworfenen davor schützen, nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafprozesses (Freispruch oder Schulspruch) erneut einem Strafverfahren unterzogen zu werden. Es dient der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit der Strafjustiz.
Es schützt vor erneuter Bestrafung für eine mit Blick auf Unrecht und Schuld vollständig abgeurteilte Tat, eine weitere Bestrafung für im bisherigen Urteil nicht vollständig erfasstem Unrecht, wenn die Erststrafe nicht aufgehoben wird und eine Bestrafung nach rechtskräftigem Freispruch (Schröder, 230 zu Art. 103 Abs.3 GG).
Diese „Sperrwirkung“ betrifft nur Strafen im Sinne des Art. 6 EMRK, nicht aber andere Sanktionen wie administrative Maßnahmen (Lenkberechtigungsentzug etc.) und Disziplinarmaßnahmen.
Die meisten Judikate des EGMR zu diesem Artikel ergingen in Österreichischen Fällen. Hier ist das Zusammenspiel zwischen Verwaltungsstrafverfahren und gerichtlichen Strafprozessen problematisch, wenngleich der Verfassungsgerichtshof auf die EGMR-Rechtsprechung reagiert und eine Bestimmung der StVO (siehe unten) als verfassungswidrig aufgehoben hat, nach welcher es möglich war, neben strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Verschuldens eines Verkehrsunfalls (§§ 80, 81, 88 und 89 StGB) das alkoholisierte Lenken eines Fahrzeugs ebenfalls unter Strafe zu stellen.
Die äußerst liberale Linie (u.a. in den Fällen Marte und Achberger gegen Österreich sowie Gradinger gegen Österreich) verfolgt der EGMR nicht mehr. Die EGMR-Judikatur ist mit sich selbst in teilweisen Widerspruch geraten (vgl. u.a. Fall Oliveira gegen die Schweiz zum Gradinger-Fall).
Der EGMR besinnt sich nach Auffassung des Homepage-Betreibers RA Dr. Postlmayr nunmehr auf die gefestigte Konkurrenzlehre der Mitgliedstaaten, so auch auf die Idealkonkurrenz im Sinne des österreichischen Strafrechts.
Im Gradinger-Fall kam es noch darauf an, dass mehreren Bestrafung dasselbe Verhalten zugrunde lag (“based on the same conduct“); nun wird geprüft, ob mehrere Straftatbestände in ihren wesentlichen Faktoren ident sind („the same essential elements“ – vgl. Fall Fischer gegen Österreich vom 29.5.2001, BeschwNr. 37.950/97).
Idealkonkurrenz bedeutet nun (auch im Sinne der unten dargestellten Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes – vgl. das grundlegende Erkenntnis des VfGH im Fall Stefan Bachmaier* VfSlg. 15.821) in der Regel keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots.

Die rechtskräftige Aburteilung muss nicht von einem Richter sondern kann auch von einer Verwaltungsbehörde stammen, da damit die förmliche Verhängung einer Strafe wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens zu verstehen ist; also auch eine rechtskräftige Strafverfügung oder ein solches Straferkenntnis (österreichisches Verwaltungsstrafgesetz - VStG) einer Verwaltungsstrafbehörde oder ein Strafbefehl (§ 84 OWiG - § 373a dStPO) – vgl. dazu EGMR vom 23.10.1995 im Fall Gradinger gegen Österreich, A-328-C u.a..
Dasselbe gilt für Bußgeldbescheide nach deutschem Recht; anderes gilt aber für präventive (administrative) Maßnahmen wie den Lenkberechtigungsentzug (Entziehung der Fahrererlaubnis), welche eine spätere Bestrafung nicht ausschließt.
Auch unter dem begriff „Freispruch“ ist nicht nur ein richterliches Urteil zu verstehen sondern auch eine Verfahrenseinstellung einer Verwaltungsbehörde, wenn das Verfahren strafrechtlichen Charakter hatte. Sind Anklagefakten in Bezug auf die erfolgte Verurteilung unwesentlich, sind sie durch das Urteil konsumiert.
Der EuGH versteht darunter auch eine Verfahrenseinstellung der Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft) unter Auflagen, wenn darin eine Ahndung der Tat zu sehen ist und damit der staatlich Strafanspruch konsumiert ist (Slg. 2003, I-1345, §§ 28ff.) – extensives Verständnis des Art. 54 SDÜ.

Die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens stellt eine Einschränkung dieses Rechts dar.
Nach Abs.2 des Art.4 des 7. ZP ist die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Beschuldigten dann zulässig, wenn neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.
Dieser Absatz setzt den innerstaatlichen Wiederaufnahmetatbeständen eine inhaltliche Schranke.
 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr



Die grundlegende Rechtsprechung zu diesem Konventionsrecht:


A)   Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ( E G M R )
bzw. der EKMR (Europäische Kommission für Menschenrechte):
 


Schmautzer, Umlauft, Gradinger, Pramstaller, Palaoro und Pfarrmeier gegen Österreich
Urteile des EGMR vom 23.10.1995, BeschwNr. 15.523/89, 15.527/89, 15.963/90, 16.713/90, 16.718/90 und 16.841/90
Mit diesen Urteilen hat der EGMR das Kumulationsprinzip (§ 22 VStG) grundlegend in Frage gestellt.

In allen Fällen Verletzung des Art. 4 des 7.ZP zur EMRK

Marte und Achberger gegen Österreich
Urteil der EGMR vom 5.3.1998, BeschwNr. 22.541/93

Streichung aus der Liste nach Vergleich

C.M.L.-O. gegen die Schweiz
EKMR vom 1.7.1997, BeschwNr. 25.711/94

CHF 200,-- Geldstrafe im Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der §§ 31 und 32 StVO wegen Verschulden eines Verkehrsunfalls

aufgrund den schlechten Fahrbahnverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit.

Das Bezirksgericht Zürich hat die Geldbuße der Staatanwaltschaft abgeändert und die Verwaltungsstrafe von der Geldstrafe nach § 125 StGB gänzlich abgezogen.

Die weiteren Rechtsmittel blieben erfolglos.

Keine Verletzung; die geringere Strafe wurde von der höheren vollständig abgezogen.


Oliveira gegen die Schweiz
Urteil des EGMR vom 30.7.1997, BeschwNr. 25.711/94

Keine Verletzung des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK

Vollständige Anrechnung der Verwaltungsstrafe auf die gerichtliche.

Ponsetti und Chesnel gegen Frankreich
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 14.9.1999: unzulässig
BeschwNr. 36.855/97 sowie 41.731/98
Eine Bestrafung durch die Finanzbehörden nach Verurteilung durch das Strafgericht

wegen ein und derselben Tat widerspricht dem Doppelbestrafungsverbot nicht.
 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr


Freunberger gegen Österreich
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 8.2.2000, BeschwNr. 34.186/96
Die Beschwerde ist zulässig.

Urteil vom 19.12.2000: Streichung aus der Liste der anhängigen Fälle nach Vergleich.

Schlager gegen Österreich *
EGMR vom 21.3.2000, BeschwNr. 33.732/96
friendly settlement – Verletzung - Streichung aus der Liste nach Vergleich.
Bestrafung sowohl durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als auch durch das BG Braunau

wegen eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden.
§ 99 Abs.1 StVO : § 88 Abs.3 StGB.

R., S., Edelmayer und Freunberger gegen Österreich
Urteil des EGMR vom 19.12.2000; BeschwNr. 32.502, 33.732, 33.979 und 34.186/96

Streichung der Fälle aus der Liste nach Vergleich mit der Republik,

Alle vier Fälle betrafen Bestrafungen sowohl durch die Verwaltungsstrafbehörde als auch durch die Strafgerichte

wegen Alkohol am Steuer (§ 99 Abs.1 StVO) und Verschulden von Verkehrsunfällen (fahrlässige Körperverletzung nach § 88 Abs.3 StGB)

Fischer gegen Österreich
Urteil vom 29.5.2001, BeschwNr. 37.950/97: Verletzung dieser Konventionsbestimmung.

Bestrafung durch die BH St. Pölten und das Strafgericht (§ 99 Abs.1 StVO und § 81 Z.2 StGB)
Zweimal vor Gericht gestellt und verurteilt (NL 01/3/3).

Art. 4 7.ZP EMRK beinhaltet nicht nur das Recht, nicht erneut verurteilt zu werden, sondern auch das Recht, nicht erneut vor Gericht gestellt zu werden.

Den Vertragstaaten steht es frei, welches dieser beiden Delikte verfolgt wird. Seit dem Erk des VfGH vom 5.12.1997, G 9/96, hat sich die Rechtslage

ohnehin geändert (Susbidiarität des Verwaltungsstrafrechts auch bei derartigen Delikten -

"Die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 idF vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. 518/1994, war verfassungswidrig").


Walter Forthuber (W.F.) gegen Österreich *
EGMR-Urteil vom 30.5.2002, BeschwNr. 38.275/97
Verletzung dieser Konventionsbestimmung.

In der Folge hat der OGH dem Erneuerungsantrag Folge gegeben und die Urteile des LG Ried und des BG Mattighofen aufgehoben:

OGH-Urteil vom 21.8.2003, 15 Os 154/02  (ZVR 2004, 319).

Gerhard Sailer (G.S.) gegen Österreich *
EGMR-Urteil vom 6.6.2002, BeschwNr. 38.237/97
Verletzung dieser Konventionsbestimmung.

In der Folge hat der OGH dem Erneuerungsantrag Folge gegeben und die Urteile des LG Ried und des BG Mattighofen aufgehoben:

11 Os 167/02 vom 5.8.2003.

Göktan gegen Frankreich
Urteil vom 2.7.2002, BeschwNr. 33.402/96
Haft wegen Drogenschmuggels und Ersatzfreiheitsstrafe wegen nicht bezahlter Zollabgaben wegen dieses Verhaltens – keine Verletzung.
Art. 6 anwendbar, weil sowohl civil rights als auch strafrechtliche Anklage (criminal charge) betroffen, aber nicht verletzt (6:1 Stimmen).
Art.1 des 4. ZP zur EMRK ist nur auf private Schuldverhältnisse anwendbar, nicht aber auf staatliche Abgaben.

Isaksen gegen Norwegen
BeschwNr. 13.596/02; Zulässigkeitsentscheidung vom 3.10.2002: unzulässig.
Die Verurteilung wegen eines Strafdelikts und die Bestrafung durch die Finanzbehörden sind zwei verschiedene Anklagen und differieren in deren wesentlichen Elementen.

 

Tamer - Türkei; Urteil vom 9.1.2003; BeschwNr. 28.002/95

Streichung aus der Liste nach Vergleich.

Nikitin gegen Russland
EGMR vom 20.7.2004, BeschwNr. 50.178/99

Keine Verletzung des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK.

Die Überprüfung im Aufsichtsweg kann daher als eine besondere Form der Wiederaufnahme angesehen werden, die in den Anwendungsbereich

des Art. 4 Abs.2 des 7.ZP zur EMRK fällt. Das Verfahren über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zielte daher auf eine Wiederaufnahme

des Verfahrens und nicht auf ein erneutes Strafverfahren ab. Dies stellt keine neuerliche Verfolgung oder Bestrafung dar.

Keine Verletzung des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs.1 EMRK (in einem Wiederaufnahmeverfahren nicht anwendbar).

 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung hans@postlmayr.at

 

Manasson - Schweden; Urteil vom 20.7.2004; BeschwNr. 41.265/98

Streichung aus der Liste nach Vergleich

Falkner gegen Österreich
EGMR-Beschluss vom 30.9.2004, BeschwNr. 6.072/02: Unzulässigkeit der Beschwerde.

Fadin gegen Russland
Urteil des EGMR vom 27.7.2006, BeschwerdeNr. 58.079/00
Ausführungen zum „supervisory review“
Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots, weil die Wiederaufnahme des Strafprozesses einerseits vom Beschuldigten selbst beantragt wurde, andererseits das Verfahren schwere Mängel iSd Art. 4 Abs.2 des 7.ZP zur EMRK aufwies und daher durch diese Bestimmung gedeckt ist.
(Darin zitierte Vorjudikate: Kudla gegen Polen vom 6.10.2000, Nikitin gegen Russland vom 20.7.2004, Savinskiy gegen die Ukraine vom 31.5.2005, Ventura gegen Italien vom 9.3.1978, Bernard gegen Frankreich vom 23.4.1998, Bratyakin gegen Russland vom 9.3.2006).

Maszni gegen Rumänien
Urteil des EGMR vom 21.9.2006, BeschwNr. 59.892/00
Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots – Verletzung des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK.
Die Annulierung der Fahrerlaubnis durch eine andere Behörde nach Verurteilung wegen einer Schwarzfahrt durch das Strafgericht ist keine unzulässige Doppelbestrafung.
(Darin zitierte Vorjudikatur: Malige gegen Frankreich vom 23.9.1998, BeschwNr. 27.812/95, § 39; Nilsson gegen Schweden, Urteil des EGMR vom 13.12.2005, BeschwNr. 73.661/01; R.T. gegen die Schweiz, Urteil vom 30.5.2000, BeschwNr. 31.982/96)

Müller gegen Österreich
Urteil des EGMR 5.10.2006, BeschwNr. 12.555/03

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK - Dauer eines Verwaltungsstrafverfahrens (AuslBG)

Unzulässigkeit der Beschwerde zu Art. 4 des 7. ZP zur EMRK.

Viola gegen Italien
Urteil des EGMR vom 5.10.2006, BeschwNr. 45.106/04
Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots, keine Verletzung des Art. 6 Abs.1+3 EMRK.
Bestrafung durch die Finanzbehörden wegen eines Abgabendelikts nach strafgerichtlicher Verurteilung wegen des jenem zugrunde liegenden Strafdelikts verstößt nicht gegen das ne bis in idem-Verbot (Ponsetti und Chesnel gegen Italien vom , BeschwNr. 36.855/96 und 41.731/98 sowie Isaksen gegen Norwegen vom 2.10.2003, BeschwNr. 13.596/02).

Hauser-Sporn gegen Österreich *
Urteil des EGMR vom 7.12.2006, BeschwNr. 37.301/02
Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 4 StVO nach gerichtlichem Strafverfahren wegen § 88 Abs.1 StGB (Schuldspruch) und § 94 Abs.1 StGB (Freispruch). Keine Verletzung – die Tatvorwürfe sind nicht ident.
Dass durch ein Verhalten mehr als ein Delikt verwirklicht wird, verstößt für sich gesehen nicht gegen diese Bestimmung. Wenn aber aufgrund eines einzigen Verhaltens verschiedene Strafverfahren nacheinander geführt werden, muss geprüft werden, ob diese Straftaten idente wesentliche Tatbestandsmerkmale aufweisen, was im vorliegenden Fall nicht zu erkennen ist.

 

Radchikov - Russland; Urteil vom 24.5.2007; BeschwNr. 65.582/01

Verletzung des Art. 6 EMRK - Fairness

Bei diesem Ergebnis keine Notwendigkeit, auch die Frage des Vorliegens einer unzulässigen Doppelbestrafung zu prüfen.

Stempfer gegen Österreich *
BeschwNr. 18.294/03 – Urteil vom 26.7.2007 – keine Verletzung.
§§ 88 und 94 StGB :: § 4 StVO

S. gegen Österreich *
BeschwNr. 18.015/03 – Urteil vom 26.7.2007 – keine Verletzung.
§ 269 Abs.1 StGB :: § 97 Abs.5 StVO

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr

 

Xheriaj - Albanien; Urteil vom 29.7.2008; BeschwNr. 37.959/02

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK: Grundsatz der Rechtssicherheit; nur notwendige und zwingende Umstände rechtfertigen ein Abgehen von diesem Rechtsgrundsatz (Vorjudikatur). Angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen des Angeklagten und der Notwendigkeit der Wirksamkeit der Strafgerichtsbarkeit. Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots.

 

Bota - Rumänien; Urteil vom 4.11.2008; BeschwNr. 16.382/03

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK - Fairness und des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK (Unverletzlichkeit des Eigentums)

Bei diesem Ergebnis wird die Frage der unzulässigen Doppelbestrafung nicht mehr geprüft.

 

Zolotukhin  -  Russland; Urteil vom 10.2.2009; BeschwNr. 14.939/03

Verletzung des Art. 4 des z. ZP zur EMRK - Doppelbestrafung und Doppelverfolgung (einstimmig)

Das wegen dem Vergehen nach § 213 StGB eingeleitete Strafverfahren betraf im Wesentlichen  dieselbe Straftat, wegen welcher

der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsstrafverfahren nach § 158 VStG verurteilt worden ist.

Die Verwaltungsstraftat stellt hier eine strafrechtliche Anklage dar, weil diese Norm eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Tage

vorsieht (drei Tage wurden verhängt). Die dabei anzuwendenden Kriterien: siehe Urteil im Fall Engel - Niederlande (rechtliche Klassifikation im innerstaatlichen Recht, Art. der Straftat sowie Schwere der drohenden Strafe).

Zur Identität der Straftaten: bisherige Ansätze in den Urteilen des EGMR in den Fällen Gradinger - Österreich, Oliveira - Schweiz sowie Fischer - Österreich.

Harmonisierung dieser Ansätze: die Verfolgung oder Anklage einer zweiten strafbaren Handlung ist unzulässig, wenn diese auf identen Tatsachen oder auf solchen beruht, die im Wesentlichen dieselben sind.

Hier: Beschimpfung von Bediensteten der Polizeistation und Störung der öffentlichen Ordnung (§ 158 VStG: drei Tage Haft)

Auch wenn das nachfolgende Strafverfahren wegen  Ruhestörung (§ 213 StGB) in der Folge eingestellt worden ist, ändert dies entgegen der Meinung der Regierung nichts, weil sich das Recht nach Art. 4 des 7. ZP zur EMRK nicht auf das Recht beschränkt, nicht zweimal bestraft zu werden sondern auch nicht zweimal verfolgt oder vor Gericht gestellt zu werden. Die Opfereigenschaft hat der Beschwerdeführer nicht verloren, weil die russischen Behörden nie eine Verletzung des ne bis in idem - Verbots anerkannt haben und der Freispruch nicht damit begründet wurde sondern mit der mangelnden Erweislichkeit der Tat.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers nach den §§ 318 und 319 StGB (Beleidigung und gefährliche Drohung gegenüber einen weiteren Polizisten) wirft keine Probleme zur Frage des Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbots auf.

Zuspruch einer gerechten Entschädigung nach Art. 41 EMRK für immateriellen Schaden sowie für Kosten und Auslagen.

 

Maresti - Kroatien; Urteil vom 25.6.2009; BeschwNr. 55.759/07

Verletzung des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK - Doppelbestrafung (Verwaltungsstraf- und gerichtliches Strafverfahren)

Vergehen der Störung der öffentlichen Ordnung und Körperverletzung.

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK; Zustellung des Strafurteils an den Verteidiger und nicht an die kranke Mutter des Angeklagten entscheidend.

 

Ruotsalainen - Finnland; Urteil vom 16.6.2009; BeschwNr. 13.079/03

Verletzung des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK - Doppelbestrafung

Verwendung eines billigeren Treibstoffs als Diesel - strafrechtlicher Charakter einer Abgabennachzahlung

Drei Kriterien entscheidend (vgl. Fall Engel - Niederlande)

Unzulässigkeit der Beschwerde zu Art. 6 EMRK, weil die Frage des Verstoßes gegen das ne-bis-in-idem-Verbot nur unter Art. 4 des 7. ZP zu prüfen ist.

 

Tsonev (Nr. 2) – Bulgarien; Urteil vom 14.1.2010; Beschwerde-Nr. 2.376/03

Verletzung des Art. 4 des 7. ZP – Straf- und Verwaltungsstrafverfahren

Die vom Bürgermeister verhängte Strafe wegen Ordnungswidrigkeit war eine Strafe iSd Art. 4 des 7. ZP

(Cocchiarella, Scordnio (Nr.1) – Italien und Dubjakova – Slowakei vom 10.10.2004, 67.299/01). vgl. auch: Zolotukhin – Russland;

die Verwaltungsstrafe enthält keine Elemente, welche nicht Bestandteil des Strafprozesses waren (identer Tatvorwurf).

Ebenso Verletzung des Art. 6 Abs.1 + 3 lit. c EMRK – keine Verhandlung vor dem OGH

€ 3.000,-- Ersatz für immateriellen Schaden.

 

Kurdov + Ivanov - Bulgarien; Urteil vom 31.5.2011, BeschwerdeNr. 16.137/04

geringfügige Disziplinarstrafen fallen nicht unter diese Konventionsbestimmung

 

Tomasovic - Kroatien; Urteil vom 18.10.2011, BeschwNr. 53.785/09

zweifache Bestrafung wegen Heroinbesitzes - Verletzung des Art.4 des 7. ZP

Gleichzeitige Anhängigkeit von zwei Verfahren (im Verwaltungsstraf- und gerichtlichen Strafrecht) noch nicht das Problem.

Nach Abschluss des ersten Verfahrens darf aber das zweite nicht weitergeführt werden.

 

Glantz und Nykänen - Finnland; Urteil vom 20.5.2014, BeschwerdeNr. 37.394/11 und 11.828/11

Abgabenverfahren (Abgabenfestsetzung samt Verspätungszuschlag) sowie Strafprozess wegen Abgabenhinterziehung

staatlicher Beurteilungsspielraum bei der Ausgestaltung der Normen;

mit Strafe und Entzug der Lenkberechtigung nicht vergleichbar (R.T. - Schweiz sowie Nilsson - Schweden)

Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes nach Art. 4 des 7. ZP

 

Häkkä und Pirttimäki - Finnland; Urteil vom 20.5.2014; BeschwerdeNr. 758/11 und 35.232/11

keine Verletzung des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK, weil die Beschwerdeführer kein Rechtsmittel gegen die Abgabenerhöhung eingebracht haben,

was diesen aber möglich gewesen wäre.

 

Margus - Kroatien; Urteil vom 27.5.2014, BeschwerdeNr. 4.455/10

die Anwendung des Art. 4 des 7. ZP auf derartige Kriegsverbrechen wäre inakzeptabel

keine Verletzung des Art. 6 EMRK (Fairness)

 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr

 

Chervonenko - Russland; Urteil vom 29.1.2009; BeschwNr. 54.882/00

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK, weswegen Art. 4 des 7. ZP nicht mehr geprüft werden muss.

sog. "nadzar" - supervisory review

 

Kiselev - Russland; Urteil vom 29.1.2009; BeschwNr. 75.469/01

Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK, weswegen Art. 4 des 7. ZP nicht mehr geprüft werden muss.

sog. "nadzar" - supervisory review


Penias gegen Österreich *; Urteil vom 18.10.2011, BeschwerdeNr. 35.109/06
Zulässigkeit der Beschwerde; die Verletzung dieses Rechts muss aber aufgrund der Urteilsausführungen zu Art. 6 EMRK nicht mehr gesondert behandelt werden.

Ortmair gegen Österreich *; Urteil vom 18.10.2011, BeschwerdeNr. 38.112/06
Zulässigkeit der Beschwerde; die Verletzung dieses Rechts muss aber aufgrund der Urteilsausführungen zu Art. 6 EMRK nicht mehr gesondert behandelt werden.

 

Müller-Hartburg - Österreich; Urteil vom 19.12.2013, BeschwerdeNr. 47.195/06

Ob ein strafrechtliches Verfahren oder eine strafrechtliche Anklage vorliegt, wird nach den allgemeinen Prinzipien der Art. 6 und 7 EMRK geprüft.

Unzulässigkeit der Beschwerde ratione materiae, weil ein Berufsverbot nur unter dem zivilrechtlichen Aspekt unter diese Bestimmungen fällt.

 

Musilja - Bosnien & Herzegowina; Urteil vom 14.1.2014, BeschwerdeNr. 32.042/11

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Verwaltungsstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

 

Pirttimäki - Finnland; Urteil vom 20.5.2014, BeschwerdeNr. 35.232/11

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Finanzstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

 

Glanitz - Finnland; Urteil vom 20.5.2014; BeschwerdeNr. 37.394/11

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Finanzstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

 

Grande Stevens u.a. - Italien; Urteil vom 4.3.2014, BeschwerdeNr. 18.640/10

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Verwaltungsstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

Verurteilung wegen ein und desselben Delikts

Verletzung des Art.6 ABs.1 EMRK: Verfahrensdauer und keine mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht (als einzigem Tribunal)

 

Nykänen - Finnland; Urteil vom 20.5.2014, BeschwerdeNr. 11.828/11

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Finanzstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

 

Häkkä - Finnland; Urteil vom 20.5.2014, BeschwerdeNr. 14.758/11

keine Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK

 

Margus - Kroatien; Urteil der GrK vom 27.5.2014, BeschwerdeNr. 4455/10

keine Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK, weil diese Konventionsbestimmung auf Kriegsverbrechen nicht anwendbar ist.

 

Österlund - Finnland; Urteil vom 10.2.2015, BeschwerdeNr. 53.197/13

behördliches Finanzstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren wegen Steuerdelikt.

Rz. 45: auch wenn keine Bestrafung im zweiten Verfahren ausgesprochen wurde, liegt dennoch eine Verletzung des Doppelverfolgungsverbotes vor.

Art.4 des 7. ZP zur EMRK enthält drei Garantien: a) verantwortlich gemacht, b) vor Gericht gestellt und c) verurteilt zu werden.

Verletzung dieser Konventionsbestimmung.

 

Lucky Dev - Schweden; Urteil vom 27.11.2014, BeschwerdeNr. 7356/10

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; Finanzstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren

als das Strafurteil rechtskräftig wurde, war das Finanzstrafverfahren noch anhängig und die Abgabenerhöhung noch nicht aufgehoben

 

Boman - Finnland; Urteil vom 17.2.2015; BeschwNr. 41.604/11

Wegen Verschuldens eines schweren Verkehrsunfalls hat das Strafgericht neben einer Geldstrafe die Lenkberechtigung für fünf Monate entzogen.

In der Folge hat die Polizei einen Anschlussentzug in der Dauer von zwei Monaten verhängt, weil der Beschwerdeführer bei dieser Fahrt nicht im Besitz einer Lenkberechtigung war.

Dieser Entzug ist sowohl eine administrative Sicherungsmaßnahme als auch eine strafrechtliche Sanktion, was auch vom schwedischen VwGH in seiner Entscheidung so gesehen wurde

und auch von den Parteien des Verfahrens vor dem EGMR nicht bestritten ist.

Auch wenn diese Sanktionen von zwei verschiedenen Institutionen verhängt wurden, stehen diese dennoch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang und stellen damit eine Einheit dar. Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots nach Art.4 des 7.ZP zur EMRK.

 

Milenkovic - Serbien; Urteil vom 1.3.2016, BeschwerdeNr. 50.124/13

Verwaltungsstrafe (60 Euro, im Nichteinbringungsfall 8 Tage Arrest) sowie strafgerichtliche Verurteilung (3 Monate Freiheitsstrafe) wegen einer Rauferei samt Körperverletzung.

Die Regierung argumentiert damit, dass mit der Verwaltungsstrafe die Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sanktioniert wurde, mit der Verurteilung durch das Strafgericht aber die Zufügung einer Körperverletzung.

Unter Verweis auf das Urteil im Fall Zolotukhin kommt der EGMR zum Ergebnis, dass eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots ( ne bis in idem ) stattgefunden hat.

 

Sesmanidis und Sitaridis - Griechenland; Urteil vom 9.6.2016, BeschwerdeNr. 66.602/09 und 71.879/12

Verletzung des Art.4 des 7. ZP zur EMRK sowie der Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs.2 EMRK und des Art.6 Abs.1 (Verfahrensdauer - 6 Jahre und 10 Monate vor zwei Instanzen)

Einfuhr von Motorrädern aus Japan. Freispruch im Strafprozess, Schuldspruch im veraltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (Euro 15.000) durch das Verwaltungsgericht Piräus.

 

Tarasov - Ukraine; Urteil vom 16.6.2016, BeschwerdeNr. 44.396/05

Fünf Tage Verwaltungshaft wegen Störung der öffentlichen Ordnung. § 173 VStG und § 296 StGB.

Die Gerichte haben kein Problem betreffend Doppelbestrafung gesehen.

Verletzung des ne bis in idem - Verbots.

 

A. und B. - Norwegen; Urteil der Großen Kammer vom 15.11.2016, 24.130/11 und 29.758/11

Die Sachverhaltsfeststellung des einem müssen im anderen Verfahren berücksichtigt werden, die Sanktion im zuerst beendeten Verfahren muss bei jener im zweiten Verfahren

berücksichtigt werden. Die finanzbehördliche Strafe wurde vom Gericht bei der Strafbemessung berücksichtigt - leine Verletzung dieses Konventionsrechts.

 

Johannesson - Island; Urteil vom 18.5.2017, BeschwerdeNr. 22.007/11

Abgabenverfahren: Abgabenerhöhung wegen nicht deklariertem Einkommen von 25%.

Strafgerichtliche Verurteilung wegen Finanzstrafdelikt.

Verletzung dieses Konventionsrechts.

 

Simkus - Litauen; Urteil vom 13.6.2017, BeschwerdeNr. 41.788/11

rechtskräftige Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde; in der Folge strafgerichtliches Verfahren in voller Kenntnis dieser Bestrafung.
Auch wenn das gerichtliche Strafverfahren in keiner Verurteilung geendet hat, liegt eine Verletzung des Doppelverfolgungsverbots vor.

Beide Verfahren betrafen denselben Tatvorwurf.

 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr


 

B) Der österreichische Verfassungsgerichtshof ( VfGH ):
 

E 1698/2017 vom 11.10.2017; § 3h VerbotsG; Art. III Abs.1 Z.4 EGVG - keine unzulässige Doppelbestrafung und -verfolgung

Der Beschwerdeführer ist im vorliegenden Fall nicht zweimal, sondern nur wegen der Verwaltungsübertretung nach Art.III Abs.1 Z.4 EGVG bestraft worden.

Das Strafverfahren wurde gemäß § 227 Abs.1 StPO eingestellt (was einem Freispruch iSd Art.4 Abs.1 des 7.ZP zur EMRK gleichkommt (VfSlg. 18.833).

Der Beschwerdeführer ist aber auch nicht entgegen Art.4 Abs.1 des 7.ZP zur EMRK doppelt verfolgt worden. Der Verwaltungsstraftatbestand geht viel weiter als das VerbotsG.

 

G 407/2016 vom 7.3.2017: Abweisung des Gesetzesprüfungsantrags des Bundesverwaltungsgerichtes (§ 113 ASVG)

kein Verstoß der Bestimmungen über Beitragszuschläge wegen Unterlassung der Meldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt gegen das Doppelbestrafungsverbot;

Beitragszuschlag keine Strafe bzw. keine Sanktion strafrechtlichen Charakters, sondern Pauschalersatz der Dienstgeber für den Verwaltungsaufwand der Krankenversicherungsträger zur Aufdeckung von Schwarzarbeit; kein Verstoß gegen das Eigentums- und Gleichheitsrecht im Fall der Inanspruchnahme eines Steuerberaters

 

G 203/2014 vom 10.3.2015  (=VfSlg. 19.960) :

Aus der - dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG entsprechenden - Umschreibung des Verwaltungsstraftatbestands des § 52 Abs.1 Z.1 Glücksspielgesetz (GSpG) ergibt sich auch die präzise Regelung der Behördenzuständigkeit: Erfüllt jemand durch eine Handlung den Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs.1 Z.1 GSpG, ist auf Grund des § 52 Abs.3 GSpG nur die Verwaltungsstrafbehörde zur Verfolgung des Beschuldigten (und in der Folge das Verwaltungsgericht) zuständig. Eine Zuständigkeit der gerichtlichen Strafverfolgungsbehörde

wegen des Delikts gemäß § 168 StGB ist nur dann gegeben, wenn eine Strafverfolgung wegen der Übertretung des § 52 Abs.1 (Z.1) GSpG idF BGBl I 13/2014 ausscheidet.

Die Frage, ob in Hinblick auf § 52 Abs.3 iVm § 52 Abs.2 GSpG idF BGBl I 13/2014 überhaupt noch ein Anwendungsbereich für den Straftatbestand des § 168 StGB bleibt,

ist letztlich von den Strafgerichten zu entscheiden. Selbst wenn auf Grund der Subsidiaritätsregel des § 52 Abs.3 GSpG für §168 StGB kein Anwendungsbereich mehr bleiben sollte,

führte dies nicht dazu, dass § 52 Abs.3 GSpG gegen Art.18 iVm Art.83 Abs.2 B-VG verstößt. keine Bedenken hinsichtlich des Doppelbestrafungsverbots.

 

E 1139/2014 vom 10.3.2015  (=VfSlg. 19.957) :

Der VfGH geht von jenem Inhalt des Art.7 EMRK aus, den der EGMR diesem zuletzt beigelegt hat. Im Lichte dessen gebietet es Art.7 EMRK, bei Änderung der Rechtslage nach der Begehung der Straftat die für den Beschuldigten mildere Strafe zu verhängen.

§ 1 Abs.2 VStG ermöglicht den Anforderungen des Art.7 EMRK entsprechend einen umfassenden Günstigkeitsvergleich mehrerer in Betracht kommender Rechtslagen. Ein solcher Günstigkeitsvergleich hat sich nicht ausschließlich auf die materiellen Strafbestimmungen, sondern auf die Rechtslage als solche zu beziehen und daher - wie in den vorliegenden Fällen - auch Subsidiaritätsbestimmungen zu berücksichtigen. §§ 50ff GSpG - kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.

Die ausdrückliche Subsidiaritätsregelung des §52 Abs3 GSpG sieht gerade vor, dass eine Bestrafung eines Verhaltens nach beiden Straftatbeständen (Verwaltungsstraftatbestand nach dem Glücksspielgesetz und gerichtlicher Straftatbestand des §168 StGB) nicht stattfinden darf. Wird durch ein Verhalten sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach §52 GSpG als auch der Straftatbestand des §168 StGB verwirklicht, darf gemäß §52 Abs3 GSpG nur eine verwaltungsbehördliche Verfolgung und Bestrafung nach §52 GSpG erfolgen.

Diese Bestimmungen verstoßen auch nicht gegen Art.91 B-VG.

 

B 1614/2013 vom 20.2.2014; §§ 83, 91, 116, 120 und 121 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz

keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots, weil der Beschwerdeführer verwaltungsstrafbehördlich wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gar nicht verfolgt worden ist.

 

B 1208/2012 vom 1.10.2013; Bestrafung nach dem wiener LandessichheitsG und nach dem SicherheitspolizeiG (SPG);

zweifache Bestrafung wegen aufdringlichem Bettel und Störung der öffentlichen Ordnung durch rücksichtsloses Verhalten

Verletzung im Gleichheitsrecht, weil sich der UVS nicht damit auseinander gesetzt hat, in welchem Verhältnis diese beiden Normen zueinander stehen (identer Tatvorwurf)

 

B 1579/2012 vom 26.6.2013; § 168 StGB - § 52 GlücksspielG; Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs.2 B-VG durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe infolge verfassungswidrigen Auslegung der Bestimmungen über die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte. Im Übrigen wird auf das Erkenntnis B 422/2013 vom 13.6.2013 zum Verstoß der VwGH-Judikatur gegen das Doppelbestrafungsverbot verwiesen.

 

B 422/2013 vom 13.6.2013; Verletzung des Doppelbestrafungsverbots nach Art.4 des 7. ZP zur EMRK; § 168 StGB - GlücksspielG;

verfassungskonforme, das Doppelbestrafungsverbot berücksichtigende Auslegung des GlücksspielG über die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte durch Abstellen auf den maximal möglichen Spieleinsatz und nicht auf den von den Spielern geleisteten Einsatz (vgl. auch B 423/2013 vom 26.6.2013).

 

B 343/10 vom 16.12.2010; § 153e StGB; § 28 AuslBG; Bestrafung nach dem AuslBG durch den UVS nach Freispruch im strafgerichtlichen Verfahren nach dem StGB.

Diese Tatbestände unterscheiden sich in in wesentlichen Elementen. Keine unzulässige Doppelbestrafung.

 

B 437/09 vom 29.11.2010; §§ 38, 40 und 45 BDG; die Versetzung eines Kommandanten einer Polizeiinspektion nach rechtskräftiger Verhängung einer Disziplinarstrafe auf einen niedriger bewerteten Verwaltungsposten ist keine Strafe.

 

B 654/09 vom 24.6.2010; Art. 11 ABs.2 EMRK; Art. 12 StGG; § 29 VereinsG; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots durch Auflösung eines Vereins, weil diesem das strafgesetzwidrige Verhalten des Obmanns zuzurechnen ist (VfSlg. 17.025).

 

B 446/09 vom 17.12.2009; §§ 53, 136 + 199 ÄrzteG; Art. 4 des 7. ZP zur EMRK; Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot - der Bescheid wird aufgehoben.

Schwere Disziplinarstrafen im Beriech der freien Berufe sind Strafen iSd Art. 6 EMRK.

Bestrafung wegen standeswidriger Weitergabe von Informationen durch den UVS Wien und weiter disziplinarrechtliche Verurteilung durch den Disziplinarrat der Ärztekammer wegen Verletzung des Standesansehens.

 

B 1778/07 vom 17.12.2009; §§ 53, 136 und 199 ÄrzteG; Bestrafung wegen aufdringlicher Botox-Werbung unbedenklich. Verletzung des Doppelbestrafungsverbots wegen Verletzung des     § 136 ÄrzteG, weil wegen dieses Verhaltens bereits durch den UVS eine Strafe nach § 53 ÄrzteG verhängt worden ist. Keine Verletzung des Art. 10 EMRK.

 

B 1008/07 vom 3.12.2009; §§ 43, 91, 92, 95 Abs.1 und 114 BDG; ein Disziplinarverfahren nach dem BDG ist kein Strafverfahren iSd Art. 6 EMRK, aber Anwendung dieser Bestimmung in ihrem zivilrechtlichen Aspekt /EGMR im Fall Eskelinen gegen Finnland vom 19.4.2007, BeschwerdeNr. 63.325/00). Keine Anwendung des Doppelbestrafungsverbots. Die nachprüfende Kontrolle des VwGH ist ausreichend.

 

V f G H Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr, Mattighofen

 

B 559/08 vom 2.7.2009; §§ 4 + 99 StVO - §§ 88 + 94 StGB; keine unzulässige Doppelverfolgung wegen derselben strafbaren Handlung und somit keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand nach Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung angesichts der Verfolgung verschiedener, sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheidender Straftatbestände
Ausführliche Auseinandersetzung des VfGH mit der Judikatur des EGMR zu Art.4 des 7.ZP zur EMRK, insbesondere auch Fall Zolotukhin vom 10.02.09 und Fall Oliveira vom 30.07.98. Abstellen auf Frage des Vorliegens identer Straftatbestände und nicht des tatsächlichen Verhaltens bei Auslegung des Begriffes "derselben strafbaren Handlung" sowie des Vorliegens "derselben wesentlichen Elemente" ("same-essential-elements"-Doktrin, siehe EGMR 19.10.06, Fall Asci); "(criminal) offence" in der EMRK als Ausgangspunkt und nicht "acts" bzw. "causes" wie in anderen internationalen Übereinkommen; engere, auf die rechtliche Qualifikation der Tat Bezug nehmende Deutung.
Grundsätzliche Vereinbarkeit des bestehenden Systems des Nebeneinander von Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht in Österreich mit der EMRK; kein vollständiger Umbau der österreichischen Staatsorganisation erforderlich.
Ziel der Wahl einer "harmonisierten" Auslegung des Art.4 des 7.ZP zur EMRK durch den EGMR war die Beseitigung von Rechtsunsicherheit in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Effektivität. Eindeutige Erkennbarkeit einer allfälligen Mehrfachverfolgung iSd Art.18 B-VG und des Art.7 EMRK geboten.
Wenn durch ein dem Bestimmtheitsgebot entsprechendes Gesetz, wie z.B. durch Vorschriften über das Kumulationsprinzip, und durch eine hiezu ergangene Rechtsprechung klargestellt ist, dass und inwieweit eine Verfolgung wegen unterschiedlicher strafbarer Handlungen bezogen auf denselben Sachverhalt stattfinden darf, ist zu prüfen, ob sich die in Betracht kommenden Straftatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden.
Im österreichischen Verfassungsrecht Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung; Koordination von Verwaltungsstrafverfahren und gerichtlichem Strafverfahren in einem Verfahren bei eintätigem Zusammentreffen einer Verwaltungsübertretung und einer gerichtlich strafbaren Handlung nicht erlaubt.
Im vorliegenden Fall zweite Verfolgung und Bestrafung in Entsprechung des § 22 und § 30 VStG; Vorliegen ausreichender Judikatur von VfGH und VwGH zur Konkurrenz von gerichtlich strafbaren Handlungen einerseits und von Verwaltungsübertretungen nach der StVO andererseits, aus denen sich ergab, dass auch nach der strafgerichtlichen Verfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Lenken eines Kraftfahrzeuges unter bestimmten Voraussetzungen eine Verfolgung sowohl nach dem StGB wegen der Körperverletzung als auch nach der StVO wegen Verstoßes gegen § 5 Abs.1 StVO iVm den jeweils einschlägigen Strafbestimmungen zu erfolgen hat.
Frage der Alkoholisierung bei Einstellung des Strafverfahrens (§ 227 Abs.1 StPO) wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht mehr relevant.
Da der Beschwerdeführer wegen verschiedener Straftatbestände verfolgt bzw. "verurteilt" wurde, die sich in ihren wesentlichen Elementen unterschieden, lag in der Verfolgung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verurteilung wegen Imstichelassens eines Verletzten und Unterdrückung eines Beweismittels einerseits und der Verfolgung und Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeugs mit einem Alkoholgehalt der Atemluft zwischen 0,6 mg/l und 0,8 mg/l keine unzulässige Doppelverfolgung wegen derselben strafbaren Handlung vor.
Somit keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art.4 Abs.1 des 7.ZP zur EMRK, nicht wegen derselben strafbaren Handlung erneut vor Gericht gestellt zu werden.

 

B 5/12* Beschluss vom 20.9.2012; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde des Robert S., Straßwalchen, gegen das Erkenntnis des UVS Salzburg

Einstellung des Verfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung (144 statt 80 km/h - Geldstrafe von € 450,--) nach § 45 Abs.1 Z.1 VStG durch den UVS, weil das Verkehrszeichen nicht entsprechend der Verordnung aufgestellt war (Kundmachungsmangel).

In der Folge hat die BH SL eine Geldstrafe von € 200,-- nach § 20 Abs.2 StVO verhängt (144 statt 100 km/h - Freiland), welche der UVS mit der Begründung bestätigt hat, dass keine unzulässige Doppelbestrafung vorliege, weil es sich um eine andere Tat handelt.

Dieses Verfahren ist beim Verwaltungsgerichtshof anhängig (Arg.: Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem).

B 1682/07 vom 15.6.2009; Disziplinarverfahren und Strafprozess; § 49 ÄrzteG legt zentrale Pflichten des Arztes fest, die für das Ansehen der Ärzteschaft maßgeblich sind; wenn also das Verhalten des Arztes geeignet war, das Vertrauen der Bevölkerung in die gewissenhafte Betreuung einer Patientin zu erschüttern, liegt es im spezifischen standespolitischen Interesse der gesamten Ärzteschaft, aus generalpräventiven Gründen ein entsprechendes Verfahren zu führen. Gerade dieser spezifisch standesrechtliche Aspekt wurde im Strafverfahren nicht berücksichtigt, weshalb es auch dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Verbot der Doppelbestrafung nicht entgegensteht, wenn der Beschwerdeführer zur Wahrung unterschiedlicher Rechtsgüter - wenn auch wegen desselben Sorgfaltsverstoßes - neben den Strafgerichten auch von den Disziplinarbehörden zur Verantwortung gezogen wurde.

B 1321/07 vom 9.6.2008; soweit der Beschwerdeführer der Sache nach behauptet, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung, geht sein Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil die mit dem bekämpften Bescheid getroffene Verfügung keine Strafe darstellt (vgl. VfSlg. 17.712). Da die Versetzung bzw. qualifizierte Verwendungsänderung eines Beamten somit auch nicht von Art.6 EMRK erfasst wird (vgl. VfSlg. 16.786), kann dahingestellt bleiben, ob die Berufungskommission ein Tribunal gemäß dieser Bestimmung ist (vgl. VfSlg. 14.854).

B 301/07 vom 9.6.2008; Beamtendienstrecht – Versetzung; §§ 38+40 BDG; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versetzung des Kommandanten einer Polizeiinspektion zu einer anderen Polizeiinspektion und Einteilung als Sachbearbeiter infolge rechtskräftiger Verhängung einer Disziplinarstrafe; keine Verletzung des Verbots der Doppelbestrafung; bekämpfte Verfügung keine Strafe.

B 1922/06 und G 217/06; § 207a StGB - § 41a BDG; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Weiterführung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Gymnasiallehrer nach strafrechtlicher Verurteilung wegen des Vergehens der pornografischen Darstellung Unmündiger und Minderjähriger; keine Anwendung des Doppelbestrafungsverbots iSd EMRK im Disziplinarverfahren; keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gegen Entscheidungen der Berufungskommission.
 

V f G H

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

RA Dr. Postlmayr, Mattighofen


B 862/05 vom 26.9.2006; Art.4 des 7. ZP zur EMRK; § 16 Abs.1 Z.2, Abs.5 DSt, § 77 Abs.3; Art.50 EG; § 4 Abs.2, § 7 EuRAG; § 23 RAO; Rechtsanwalts-Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG vom 22.03.77; Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ); § 31 StGB;
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über den in Österreich als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt tätigen Beschwerdeführer wegen Mitwirkung an Gewinnspielen; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch die Verhängung der Geldstrafe nach Verurteilung durch ein deutsches Anwaltsgericht. Die österreichischen Standesbehörden haben das Verhalten des Beschwerdeführers als berufsmäßiger Parteienvertreter nur gegenüber Adressaten in Österreich verfolgt. Die Zweigleisigkeit der Behördenzuständigkeit und die Kumulierung der einzuhaltenden
Pflichten ergeben sich aus der Richtlinie des Rates vom 22.03.77 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (77/249/EWG) - Rechtsanwalts-Dienstleistungsrichtlinie.

B 735/05 vom 9.6.2006; Art.4 des 7.ZP zur EMRK; § 14 und § 24 FührerscheinG; § 81 Abs.1 Z.2 und § 89 StGB; § 5 Abs.1, § 5 Abs.1a StVO; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot durch befristeten Führerscheinentzug und Verhängung einer Geldstrafe wegen Lenkens eines PKW samt Verursachung eines Verkehrsunfalls in alkoholisiertem Zustand sowie Freispruch im gerichtlichen Strafverfahren wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit; Festlegung unterschiedlicher Alkoholisierungsgrade im Verwaltungsrecht und im Strafrecht; Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung durch das gerichtliche Strafverfahren nicht vollständig erschöpft.
Im vorliegenden Zusammenhang finden sich zwei verschiedene Straftatbestände mit jeweils unterschiedlichen Schutzzwecken. Die Tatbestandselemente der beiden Delikte gehen unter anderem von unterschiedlichen Alkoholisierungsgraden aus, nämlich von einem verwaltungsrechtlich relevanten Blutalkoholgehalt von über 0,5‰ (§ 14 Abs.8 FührerscheinG) und einem strafrechtlich relevanten von über 0,8‰ iSd § 5 Abs.1 StVO. Die Tatbestände des StGB und die des FührerscheinG unterscheiden sich somit in wesentlichen Elementen – es besteht daher ein weitergehendes Strafbedürfnis (VfSlg. 15.821).

B 3253/05 vom 28.2.2006; keine Verletzung des Art.6 EMRK durch Verhängung einer Disziplinarstrafe zusätzlich zur strafgerichtlichen Verurteilung (siehe Vorjudikatur). Auch keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes nach Art.4 des 7. ZP zur EMRK.

B 429/05 vom 29.11.2005; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abberufung eines Polizeibeamten aus seiner Leitungsfunktion und Zuweisung zu einer Verwendung als Referent bei einem Polizeikommissariat. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der bekämpfte Bescheid verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung, geht schließlich schon deshalb ins Leere, weil die mit dem bekämpften Bescheid getroffene Verfügung keine Strafe darstellt (vgl. VfSlg. 16.786).

B 1539/03 vom 8.12.2003; Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung einer Beschwerde gegen einen Bescheid betreffend die Verhängung der Ordnungsstrafe des einfachen Hausarrests über einen Strafgefangenen gemäß § 103 Abs.2 Z.4 Strafvollzugsgesetz (StVG) wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung angesichts der Judikatur des VfGH zum Nebeneinander von Strafen und Sicherungsmaßnahmen: (B 1031/02 vom 11.10.2003); kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.

B 666/03 vom 27.11.2003 (VfSlg. 17.061); keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung einer Berufung gegen die amtswegige Aufhebung der Verwaltungsstrafe wegen Lenkens eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand infolge gerichtlicher Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Der Beschwerdeführer verkennt, dass aus dem in Art.4 des 7. ZP zur EMRK normierten Doppelbestrafungsverbot kein Recht auf Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde (zwecks Vermeidung einer gerichtlichen Strafe) hervorgeht. Der beim UVS bekämpfte Bescheid hat das gegen den Beschwerdeführer ergangene Straferkenntnis beseitigt. Durch diesen Bescheid ist der Beschwerdeführer (in seiner Rechtssphäre) daher nicht beschwert worden.

B 1031/02 vom 11.10.2003 (VfSlg. 17.025): Lenkberechtigungsentzug ist keine Strafe; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch die Entziehung der Lenkberechtigung wegen eines Drogendeliktes; kein Strafcharakter des als Sicherungsmaßnahme zu qualifizierenden Führerscheinentzugs.
Die auf den Beschwerdeführer angewendete Entziehung gemäß § 24 iVm § 7 Abs.2 und Abs.4 FSG soll typischerweise einen Sicherungszweck im Sinne polizeilicher Gefahrenabwehr verfolgen. Diese Maßnahmen sind dann zu verhängen, wenn sich der Betreffende einer gerichtlich strafbaren Tat schuldig gemacht hat, die ihn als "verkehrsunzuverlässig" erscheinen lässt. Die Maßnahme ist dabei nicht spezifisch auf die zukünftige Einhaltung der Regeln des Straßenverkehrs- oder des Kraftfahrrechts gerichtet; vielmehr erfolgt eine solche Entziehung deswegen, weil das Verhalten des Betroffenen die Annahme rechtfertigt, dass er sich künftig - unter Gebrauchnahme seiner Lenkberechtigung – weiterer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zielsetzung der Maßnahme (Gefahrenabwehr) kann daher nicht von einer "Strafe" im Sinn von Art.6 EMRK und Art.4 des 7. ZP zur EMRK gesprochen werden. Für die Beurteilung dieser Maßnahmen gilt uneingeschränkt die bereits im Erkenntnis VfSlg. 15.431* getroffene Feststellung, wonach "die Entziehung der Lenkberechtigung keine Strafe, sondern eine Verwaltungsmaßnahme ist; dies selbst dann, wenn die Verwaltungsmaßnahme in ihrer Wirkung vom Betroffenen subjektiv als Strafe empfunden wird".

B 688/03 vom 23.9.2003 (VfSlg. 16.960); Art.4 des 7. ZP zur EMRK; § 19 Abs.3 Z.1 lit.d und § 19 Abs.7 Disziplinarstatut der Rechtsanwälte; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die befristete Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nach einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen versuchten Betruges; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot; auch keine verfassungswidrige Strafbemessung.

 

V f G H

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

RA Dr. Postlmayr, Mattighofen


G 203/02 vom 14.3.2003 (VfSlg. 16.855); Abweisung der Gesetzesprüfungsanträge des VwGH betreffend (Teile des) § 7 Abs.3 Z.4 und § 26 Abs.3+7 FSG; Es fehlt der Entziehungsmaßnahme jenes Maß an "Schwere und Intensität", bei dem sie im Lichte der Rechtsprechung zu Art.6 EMRK (und zu Art.4 des 7. ZP zur EMRK) als Strafe im verfassungsrechtlichen Sinn anzusehen wäre. Im Gegensatz zu jenen Rechtsfolgen, die der EGMR in dem vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Urteil (im Fall Malige, vom 23.9.1998, ÖJZ 1999/22) zu beurteilen hatte, mangelt es den hier zur Rede stehenden Entziehungsmaßnahmen nämlich schon insofern an Gewicht, als diese befristet sind und nicht (wie im Fall Malige) auf eine definitive Ungültigkeit der Lenkberechtigung ausgerichtet sind. Dementsprechend hat der EGMR im Fall Escoubet (vgl. EGMR 28.10.1999, ÖJZ 2000/11), bei dem es um die befristete Entziehung der Lenkberechtigung ging, eine solche Eingriffsintensität verneint.
Der Verfassungsgerichtshof kommt im Sinne der zitierten Judikatur zum Schluss, dass die in § 26 Abs.3 FSG vorgesehene befristete Entziehung der Lenkberechtigung - zumal damit lediglich das vorübergehende Verbot des Lenkens eines Kraftfahrzeugs und weder ein Freiheits- noch ein Eigentumsentzug verbunden ist - noch nicht jene Schwere und Intensität erreicht, die einer Strafe gleichkommen würde. Die vorliegende Sicherungsmaßnahme ist daher keine Sanktion mit Strafcharakter iSd. Art.6 EMRK (bzw. Art.4 des 7. ZP zur EMRK).

B 1320/01 vom 24.9.2002 (VfSlg. 16.606); Art.6 EMRK - §§ 22 bis 24a und 81 Abs.7 ApothekerkammerG; die belangte Behörde stützte ihre (disziplinar)rechtliche Würdigung nicht nur auf die Tatsachenfeststellung des Strafgerichtes, sondern auch auf Tatsachen, wie sie von der Disziplinarbehörde erster Instanz selbständig erhoben und ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wurden.
Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes iSd Art.4 7. ZP zur EMRK.
Im vorliegenden Fall blieb unbestritten, dass der Hund der Beschwerdeführerin eine Passantin durch einen Biss in die Wade verletzte und die Beschwerdeführerin - sei es auch aufgrund eines Missverständnisses - die Verletzte nicht versorgte. Dass die belangte Behörde in Anbetracht dieses Sachverhalts zum Ergebnis gelangte, das Verhalten der Beschwerdeführerin habe gegen Art.1 und Art.3 der "Berufssitten der Apotheker" verstoßen, was zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises gemäß § 23 Abs.1 lit.a ApothekerkammerG führte, erweckt keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

G 108/01 vom 29.6.2001 (VfSlg. 16.245); § 480, § 481 sowie § 393a StPO; Art.2 und 4 des 7. ZP zur EMRK; Art.6+13 EMRK; erfolgreicher Gesetzesprüfungsantrag des Landesgerichtes Ried im Innkreis.
Der dritte Satz des § 480 StPO wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Verstoß der geprüften Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip; Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" aufgrund möglicher Durchführung einer neuen Hauptverhandlung infolge der Wiederaufnahme; einseitige Belastung des Rechtsschutzsuchenden mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung auch nicht vorübergehend zulässig.

B 683/98 vom 27.6.2000 (VfSlg. 15.867); § 20a ApothekenG; §§ 18, 21 und 23 ApothekerkammerG; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot und keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren durch Verhängung der Disziplinarstrafe des Verbots der Ausübung des Apothekerberufs nach (bereits beendeter) vorläufiger Enthebung von der Leitung der Apotheke im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens; kein Verstoß gegen die geforderte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Disziplinarberufungssenates; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; Verletzung im Gleichheitsrecht mangels Berücksichtigung der vorläufigen Enthebung von der Leitung der Apotheke bei der Strafbemessung im Disziplinarverfahren. Kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.
Bei der Regelung des §20a ApothekenG handelt es sich, wie aus Sinn und Zweck der Bestimmung abgeleitet werden kann, nicht um eine strafrechtliche Sanktion, sondern um eine verwaltungspolizeiliche einstweilige Vorsorge zur Abwehr von Gefahren, die der Volksgesundheit durch Missstände in der Heilmittelabgabe drohen. Diese Maßnahme ist auch nicht als Strafe im Sinne des Art4 des 7. ZP EMRK zu qualifizieren. Die Unterlassung der Einrechnung der zeitweiligen Entziehung der Leitung der Apotheke im Disziplinarverfahren steht daher ebenfalls nicht in Widerspruch zu Art.4 des 7. ZP zur EMRK. Die Wahrnehmung des so genannten "disziplinären Überhanges" durch disziplinarstrafrechtliche Maßnahmen neben einer strafrechtlichen Verfolgung ist mit dem Verbot der Doppelbestrafung vereinbar (B 191/99 vom 24.6.1999 und B 2447/97 vom 4.10.1999).

B 347/99 vom 21.6.2000 (VfSlg. 15.845); einstweilige Maßnahmen nach § 19 DSt der Rechtsanwälte; wenn der Beschwerdeführer behauptet, er sei in dem durch Art.4 des 7. ZP zur EMRK gewährleisteten Recht auf das Verbot der Doppelbestrafung verletzt worden, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei einstweiligen Maßnahmen nach § 19 DSt nicht um Strafen im Sinne des Art.6 EMRK, sondern um sichernde Maßnahmen handelt (VfGH vom 4.10.1999, B 2598/97, B 997/98 und das Erkenntnis vom heutigen Tag, B 537/98). Der Umstand, dass es sich beim Verfahren der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft sohin nicht um ein Strafverfahren handelt, entzieht dem Vorwurf, der Beschwerdeführer sei in dem durch Art.4 des 7. ZP zur EMRK gewährleisteten Recht auf das Verbot der Doppelbestrafung verletzt worden, den Boden.

B 246/99 vom 19.6.2000 (VfSlg. 15.824)*; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch Verwaltungsstrafe wegen Nichtbefolgung der Aufforderung eines Straßenaufsichtsorgans trotz strafgerichtlichen Freispruchs wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt; unterschiedlicher Schuld- und Unrechtsgehalt und somit unterschiedliches Strafbedürfnis der strafgesetzlichen und der verwaltungstrafrechtlichen Bestimmung hinsichtlich der vorliegenden Rechtsverletzungen.
Das Strafgericht hatte das Verhalten des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der gefährlichen Drohung oder Gewaltanwendung in Bezug auf die amtshandelnden Beamten zu prüfen, die Verwaltungsstrafbehörde hingegen einen Verstoß gegen eine Lenkerpflicht, nämlich die
Übertretung nach § 97 Abs.5 StVO, ein Ungehorsamsdelikt zu verfolgen, dessen Wortlaut auch Verkehrssicherheitsaspekte zu entnehmen sind. Dies wird vor allem deutlich, wenn man den Abs.5 im Gesamtgefüge des § 97 StVO betrachtet, insbesondere dessen Abs.4. Wenn nun die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 99 Abs.6 lit.c StVO als nicht vorliegend ansah, weil sie die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht als Tatbestände ansah, die zugleich in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Tatbestände verwirklichten, so erachtet der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsansicht als zutreffend.
Anm.: dieser Fall ist derzeit beim EGMR in Straßburg anhängig.

V f G H

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

RA Dr. Postlmayr, Mattighofen


B 344/98 vom 19.6.2000 (VfSlg. 15.821)*; §§ 80 und 81 Abs.1 Z.2 StGB - § 99 Abs.1 lit. a StVO – Doppelbestrafung. Der Beschwerdeführer, der zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt war, lenkte einen Pkw, kam dabei in einer lang gezogenen Rechtskurve links von der Fahrbahn ab und prallte an einen Baum, wobei er sich leicht verletzte. Die Untersuchung der ihm in der Folge im Krankenhaus abgenommenen Blutprobe ergab einen Alkoholisierungsgrad zum Unfallzeitpunkt von 1,63 Promille. Sein Beifahrer erlitt bei diesem Verkehrsunfall so schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle verstarb.
Weil der Beschwerdeführer ein Fahrzeug lenkte und sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, wurde er mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO zu einer Geldstrafe in Höhe von ATS 10.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) verurteilt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 14. Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung der Hauptverhandlung am 16. September 1996 und am 14. Oktober 1996 von der gegen ihn mit Strafantrag vom 13. August 1996 erhobenen Anklage, er habe am 14. Juli 1996 in Moosdorf als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen BR ….. auf der Lamprechtshausener Landesstraße von Eggelsberg in Richtung Moosdorf fahrend dadurch, dass er infolge Unachtsamkeit links von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum prallte, fahrlässig den Tod des H. S. herbeigeführt sowie sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt, obwohl er vorhergesehen habe, dass ihm die Lenkung seines Kraftfahrzeuges, sohin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand geeignet sei, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern, und dadurch das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z.2 StGB begangen gemäß § 259 Z.3 StPO freigesprochen. Die Annahme im Beschwerdevorbringen, die Bestrafung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren habe zu einer unzulässigen Doppelbestrafung geführt, trifft nicht zu:
Wie die oben dargelegten Erwägungen zeigen, ist selbst bei eintätigem Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen ein Absehen von der Verfolgung und Bestrafung im Hinblick auf Art.4 Abs.1 7. ZP zur EMRK nur dann geboten, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt des einen herangezogenen Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt des anderen Deliktstypus im wesentlichen Aspekt mit umfasst und vollständig erschöpft, sodass kein weitergehendes Strafbedürfnis übrig bleibt. Vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Umständen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen, weil das Strafgericht es nicht als erwiesen ansah, dass er die fahrlässige Tötung wirklich begangen hatte. Ob - wie im vorliegenden Fall – der Beschwerdeführer vorher ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt hatte, war im Hinblick auf dieses Verfahrensergebnis sohin für das Strafgericht nicht mehr von Bedeutung. Der Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm. § 99 Abs.1 lit.a StVO war daher durch das gerichtliche Strafverfahren wegen § 81 Z.2 StGB nicht vollständig erschöpft und es bestand hinsichtlich dieser Übertretung ein weitergehendes Strafbedürfnis.
Der vorliegende Bescheid des UVS Oö. verletzte den Beschwerdeführer sohin nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht einer unzulässigen Doppelbestrafung unterzogen zu werden.

B 2447/97 vom 4.10.1999 (VfSlg. 15.586); §§ 9 und 10 Abs.2 RAO; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot durch Verhängung einer disiplinarrechtlichen Zusatzstrafe über einen Rechtsanwalt nach einer strafgerichtlichen Verurteilung.

B 191/99 vom 24.6.1999 (VfSlg. 15.543); §§ 95, 98 und 100 ÄrzteG; keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Disziplinarrechts der Ärzte; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung des Disziplinarsenates; kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung ; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot nach Art. 7 EMRK. Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt nach bereits erfolgter gerichtlicher Verurteilung.

G 51/97, G 26/98 vom 7.10.1998 (VfSlg. 15.293); § 22 VStG - §§ 80 und 88 StGB - § 130 ArbeitnehmerSchutzG; verfassungskonforme Gesetzesinterpretation möglich und geboten, daher kein Verstoß von Strafbestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzG gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art.4 des 7. ZP zur EMRK; verfassungskonforme Interpretation im Falle einer drohenden Doppelbestrafung geboten; Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen. § 130 Abs.5 Z.1 wie auch § 130 Abs.1 Z.15 und Z.16 dieses Gesetzes, sind für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 7. ZP zur EMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach § 80 bzw. § 88 StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs.5 Z.1 bzw. Abs.1 Z.15 und Z.16 ASchG aus.
In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des § 130 Abs.5 Z.1 bzw. Abs.1 Z.15 oder Z.16 ASchG als auch unter die des § 80 bzw. § 88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung gemäß § 80 bzw. § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z.1 bzw. Abs.1 Z.15 oder Z.16 ASchG vollständig erschöpft.
Weder aus dem Wortlaut des § 130 ASchG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des ASchG ergibt sich aber, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 130 ASchG die Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber ausgeschlossen wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer - soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten. Weder der bloße Wegfall der Subsidiaritätsklausel noch die von den UVS ins Treffen geführte offenbar bewusste Bedachtnahme auf mit der Verwaltungsübertretung zugleich auftretende Arbeitsunfälle oder Gesundheitsschäden in den Materialien zum ASchG lassen eindeutig darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Doppelbestrafung normieren wollte.

G 275/96 vom 19.6.1998 (VfSlg. 15.199); § 52 Abs.1 Z.5 1. Fall GlückspielG ist für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 Abs.1 des 7. ZP zur EMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach § 168 Abs.1 erster oder auch zweiter Fall StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens (im Sinne eines weitgehend identen Sachverhaltes im Lichte der angewendeten bzw. in Betracht kommenden materiellen Strafbestimmungen) nach § 52 Abs.1 Z.5 1. Fall GlückspielG aus.

G 262 und 328/97 vom 11.3.1998 (VfSlg. 15.128); steiermärkisches Landesgesetz betreffend Anstandsverletzung, Lärmerregung und Ehrenkränkung : § 83 Abs.1 StGB – Körperverletzung; kein Verstoß dieses Landesgesetzes gegen das Doppelbestrafungsverbot ; verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung bei drohender Doppelbestrafung geboten. In diesem Fall schließt die Bestrafung nach § 83 StGB eine Bestrafung nach § 1 1. Satz des Landesgesetzes aus.

G 9/96 u.a. vom 5.12.1996 (VfSlg. 14.696); Ungültigkeit des österreichischen Vorbehalts zu Art. 4 des 7.ZP. Die Wortfolge "in Abs2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs.6 lit.c StVO idF vor der 19.Novelle, BGBl. 518/1994, war verfassungswidrig.
Die Wortfolge "in Abs2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs.6 lit.c StVO idF der 19.Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses einer gegenüber strafgerichtlicher Verfolgung nur subsidiären verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß StVO infolge eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art.4 des 7. ZP zur EMRK. Ungültigkeit des Vorbehalts der Republik Österreich zum Doppelbestrafungsverbot mangels erschöpfender Beschreibung der mit Art4 nicht im Einklang stehenden Gesetze; kein Widerspruch des lediglich die Strafbemessung im Sinne des Kumulationsprinzips regelnden und die verwaltungsstrafrechtliche Regel bei Zusammentreffen strafbarer Handlungen aufstellenden Bestimmungen des VStG gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Eine gesetzliche Strafdrohung widerspricht dann dem Art.4 des 7. ZP zur EMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft. Durch den ausdrücklichen Ausschluss einer gegenüber strafgerichtlicher Verfolgung nur subsidiären verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung nach § 99 Abs.1 lit.a StVO hat der Gesetzgeber im Ergebnis eine dem Art.4 Abs.1 des 7. ZP zuwiderlaufende und daher verfassungswidrige Doppelbestrafung angeordnet.

Die mit * gekennzeichneten Fälle hat der Betreiber dieser Homepage, RA Dr. Postlmayr vertreten.
 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung hans@postlmayr.at


 

C) Der österreichische Verwaltungsgerichtshof ( V w G H ):
 

Ra 2017/02/0017 vom 4.4.2017; Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO entfaltet Sperrwirkung, weil die nachfolgende Bestrafung nach § 31 Abs.1 StVO auf einer identen Sachverhaltsgrundlage beruht. Liegen nach Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens einer Bestrafung nicht wesentlich verschiedene Sachverhaltselemente, vielmehr dieselbe einheitliche Tathandlung zu Grunde, erweist sich die Bestrafung als nicht zulässig (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2016, Ra 2016/03/0029).

 

Ra 2016/02/0230 vom 10.1.2017; § 130 ASchG; erfolgreiche Amtsrevison des Bundesministers gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien. Einstellung des Strafverfahrens nach § 190 Z.1 StPO durch die StA, weil keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt und keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 14tägiger Dauer. Diese Einstellung ist zwar keine gerichtliche Entscheidung, dennoch ist sie eine das Strafverfahren beendende Entscheidung (§ 1 Abs.2 StPO). Das Gericht kann als Rechtsprechungsorgan die StA zwar zur Weiterführung von Ermittlungen verhalten, nicht aber zur Anklageerhebung. Das Verwaltungsgericht hat eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage der strafbaren Handlung unterlassen; damit ist der rechtlichen Prüfung der Sperrwirkung nicht Genüge getan. Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

 

Ra 2015/02/0226 vom 15.4.2016; erfolglose Amtsrevision der BH VB gegen das Erkenntnis des LVwG Oö. vom 30.9.2015;

Im vorliegend zu beurteilenden Fall wurde der Mitbeteiligte mit Urteil des Landesgerichtes W. vom 23. Februar 2015 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen verurteilt. Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Landesgericht W. die dem Mitbeteiligten mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft W. ausdrücklich zur Last gelegte Qualifikation des § 88 Abs.4 zweiter Fall (§ 81 Abs.1 Z.2) StGB nicht als verwirklicht erachtete, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt des Alkoholgenusses vorhersah oder hätte vorhersehen können, später noch ein Fahrzeug lenken zu müssen. Damit ergibt sich aber bereits aus dem Vorbringen der Parteien, dass das Landesgericht die Alkoholisierung des Mitbeteiligten - anders als in dem von der revisionswerbenden BH Vöcklabruck zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2009, B 559/08 - prüfte. Auch der vom Landesgericht bei der Strafbemessung angenommene Erschwerungsgrund - "die Alternative nach Hause zu gehen, wobei der Heimweg nur 2 km betragen hätte" - ist ein Indiz dafür, dass die Alkoholisierung im strafgerichtlichen Verfahren sehr wohl von Bedeutung war.

 

2012/02/0238 vom 29.5.2015;

Die Bestrafung nach § 80 bzw. § 88 StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs.5 ASchG aus (vgl. VfGH Urteil 7. Oktober 1998, G 51/97 ua). Der VwGH schließt sich diesem Ergebnis des VfGH an. Im Zentrum beider angewendeten Strafbestimmungen (§ 130 ASchG und § 88 StGB) steht derselbe Vorwurf, nämlich die (fahrlässige) Außerachtlassung der normierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen. Damit umfasst die strafrechtliche Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit, und geht sogar noch um ein weiteres Element (den Erfolgseintritt der Körperverletzung) über die Verwaltungsstraftat hinaus. Auch davon, dass der Unrechtsgehalt, der im Straftatbestand des § 88 StGB zum Ausdruck kommt, von jenem des § 130 ASchG in einem wesentlichen Element abweiche und damit wesentlich verschieden sei, kann nicht die Rede sein (vgl. VfGH Urteil 7. Oktober 1998, G 51/97 ua). Somit liegen keine verschiedenen Straftatbestände vor, die sich in wesentlichen Elementen unterscheiden. Eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren wäre eine Verletzung des Art.4 Abs.1 des 7.ZPzur EMRK und daher unzulässig. Diese Ansicht vertrat auch der EGMR in einem Fall des tödlichen Absturzes eines Arbeiters von einem Gerüst, in dem er ausgehend von einem Arbeitsunfall zur Konkurrenz eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und einer erfolgten verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung nach § 130 Abs1 Z16 ASchG iVm diversen Bestimmungen der BauArbSchV feststellte, dass die Anklage im Strafverfahren, nämlich das Versäumnis, einem Arbeitsunfall vorzubeugen, und der Vorwurf im Verwaltungsstrafverfahren, die Kontrolle der Beachtung der Sicherheitsregeln durch die Arbeiter versäumt zu haben, im Wesentlichen übereinstimmen (vgl. Urteil des EGMR vom 18. September 2008, Müller gegen Österreich (Nr.2), Beschwerde-Nr. 28.034/04). Vor dem Hintergrund, dass ein sorgfaltswidriges Verhalten des Arbeitgebers und damit sein Verschulden im Rahmen des Strafverfahrens wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB verneint wurde, durfte der Arbeitgeber im Hinblick auf Art.4 7.ZP zur EMRK somit nicht ein weiteres Mal verwaltungsstrafrechtlich wegen Übertretung des § 130 Abs.5 ASchG verfolgt bzw. verurteilt werden.

 

Ra 2014/03/0001 vom 24.9.2014; Stattgabe der ao. Revision der BH Oberpullendorf gegen das Erkenntnis des LVwG Burgenland betreffend Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Jagdgesetzes. Geringe Disziplinarstrafen (hier: Geldbuße vom € 700,--) fallen nicht unter den Begriff der strafrechtlichen Anklage. Das LVwG hätte die von der BH ausgesprochene Strafe nicht aufheben dürfen.

 

2008/09/0203 (RS 4) vom 25.3.2010; § 28 AuslBG + § 111 ASVG; keine Konsumation (VfGH- + EGMR-Judikatur).

Art. 4 des 7. ZP zur EMRK in einem einzigen Verwaltungsstrafverfahren nicht anwendbar.

 

2006/10/0015 (RS 4) vom 29.1.2009; § 33 Vbg. NSchG - § 80 MinROG;

Keine Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion (Grabenwarter, RZ. 142 zu § 24). ne bis in idem; keine Gleichheit der Tatbestände in den wesentlichen Elementen (F. Fischer vom 29.5.2001, 37.950/97).

 

2008/02/0203 vom 21.11.2008; Amtsbeschwerde eines Ministers nach § 13 AIG (ArbeitsinspektionsG) gegen ein Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich vom 28.5.2008 betreffend Stattgabe einer Berufung wegen einer Übertretung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen (Arbeitsunfall). VwGH: die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft nach § 90 StPO entfaltet keine Sperrwirkung für das Verwaltungsstrafrecht dar. Dieser Fall ist nicht mit jenem vergleichbar, in welchem der VfGH das Erkenntnis vom 7.10.1998, G 51/97 und G 26/98 gefällt hat, weil dort strafgerichtliche Verurteilungen vorlagen. Der Verweis auf das Erkenntnis 2006/03/0049 vom 4.5.2006 durch die belangte Behörde geht fehl, weil sich der VwGH in diesem Fall mit der Wirkung einer Verfahrenseinstellung nach § 90 StPO nicht auseinandergesetzt hat.

 

2005/03/0001 (RS 1) vom 23.4.2008; GGBG; Auftraggeber nicht gleich Verlader

VfSlg. 15.293: § 80 StGB + § 130 ANSchG: Bestrafung nebeneinander nicht möglich).

 

2007/17/0004+ vom 28.8.2007; das Doppelbestrafungsverbot (Art. 4 des 7. ZP zur EMRK) greift nur dort, wo ein Delikt den Unrechtsgehlat des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst (Subsidiarität, Spezialität, Konsumtion). Da dies hier nicht der Fall ist, kommt diese Konventionsbestimmung nicht zum Tragen.

 

2006/05/0026+ vom 3.7.2007; Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK

§ 37 Nö. BauO  (vgl. VfSlg. 15.293)

 

2006/06/0037 vom 19.12.2006; Idealkonkurrenz widerspricht dem Doppelbestrafungsverbot noch nicht, außer Unrechts- und Schuldgehalt wird vollständig erschöpft, womit das Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen in jeder Beziehung mitumfasst).


2003/18/0316 vom 30.11.2005;
Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes verstößt nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung, weil es sich dabei nicht um eine Strafe, sondern eine administrativ rechtliche Maßnahme handelt (Erkenntnis vom 9. 2.1999, 99/18/0015, 0033).

2005/18/0158 vom 30.6.2005
Entgegen der Beschwerdeansicht verstößt die Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot. Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2003, 2003/18/0213 und das Erkenntnis, 2004/18/0212, mwN) und entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich auch bei einem unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbot nicht um eine Bestrafung des Fremden, sondern um eine (bloße) administrativ-rechtliche Maßnahme. Dies zeigt sich u.a. auch daran, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 44 Fremdengesetz ein - befristetes oder unbefristetes - Aufenthaltsverbot aufzuheben ist. Ferner ist auch nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer in den Anwendungsbereich der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates fällt.

2002/18/0252 vom 8.3.2005
Zur Unrichtigkeit des Vorbringens, die Entziehung des Reisepasses sei eine Strafe im Sinn des Art. 6 EMRK, es hätte ein Tribunal entscheiden müssen, die Maßnahme würde gegen das Verbot der " Doppelbestrafung" gemäß Art. 4 des 7. ZP zur EMRK verstoßen und es würde in Anbetracht der "nach Art. 39 EUV garantierten Freizügigkeit" überdies das berufliche Fortkommen der im Grenzgebiet wohnenden Personen nachhaltig beeinträchtigt, wird auf das Erkenntnis 2003/18/0006 verwiesen.

2001/18/0084 vom 3.11.2004
Da es sich bei der Versagung eines Reisedokuments um eine administrativrechtliche Maßnahme und keine Strafe handelt, geht auch der Beschwerdevorwurf einer Doppelbestrafung ins Leere.

2002/13/0222 vom 29.9.2004
Grundlegendes Erkenntnis des VwGH zum Doppelbestrafungsverbot.
§ 33 Abs.2 lit.a FinStrafG: Freispruch durch das Schöffengericht nach § 259 Z.3 StPO. Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes, das Gericht hätte den Freispruch nach § 214 FinStrafG fällen müssen, womit die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörden weiter bestanden wäre. Auch die Generalprokuratur hat in ihrer Stellungnahme gemeint, das Schöffengericht habe seine Zuständigkeit rechtsirrig überschritten. Abweisung des Rechtsmittels durch den OGH im Urteil vom 8.11.2000, 13 Os 72/00.
Der VwGH setzt sich in diesem Erkenntnis eingehend mit der gesamten Judikatur zu Doppelbestrafung auseinander und kommt zum Ergebnis, dass der Bestrafung das Verfolgungshindernis des Art. 4 des 7. ZP zur EMRK entgegen stand.

 

2002/03/0327+ vom 8.9.2004; § 22 VStG; §§ 7, 27 Abs.2 Z.4 GGBG

§ 7 Abs.8 Z. 2+3 GGBG richtet sich gegen den Verlader, nicht an den Auftraggeber.

2003/11/0311 vom 20.4.2004;
in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer - wie bereits in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - vor, die Entziehung der Lenkberechtigung stelle eine Strafe dar und bewirke somit eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers. Es genügt daher, auf den oben genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 2003, B 1424/03, und das dort zitierte Erkenntnis vom 11. Oktober 2003, B 1031/02, hinzuweisen. In Ansehung des von der Beschwerde (erkennbar) behaupteten Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP zur EMRK und somit der Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist der Verwaltungsgerichtshof zufolge Art. 133 Z. 1 B-VG unzuständig (vgl. zum Ganzen auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom 25. November 2003, 2002/11/0124, 2002/11/0165, und 2002/11/0223).

 

2003/02/0020 vom 30.1.2004;

§ 22 Abs.1 VStG; § 101 Abs.1 lit. a KFG (GG + Achslasten laut Typenschein)

UVS in Tirol: 1. € 72,-- hzGG von 18t um 1,06t überschritten. 2. € 87,-- hz Achslast der 1. Achse u von 7,1t um 1,24t überschritten. Beschwerdeführer: Konsumation der 2. Strafe, weil die Überschreitung des hzGG unweigerlich die Überschreitung der Achslast mit sich bringt. VwGH: dies ist keineswegs zwingend; Summe der Achslasten: 20,1t, hzGG laut Zulassungsantrag: 18t.

Das gewogene Gewicht von 19t überschreitet zwar das hzGG, hätte aber bei anderer Gewichtsverteilung auf der Ladefläche nicht zwingend die rechnerische Summe einer der beiden hz Achslasten überschreiten müssen – daher keine Konsumtion.

Hier: hzGG: 17.990kg

Achslasten: 7.100 + 13.000kg = 20.100kg

Gewogenes Gewicht: 19.060kg

 

2001/03/0322 vom 18.11.2003; GGBG

Beförderer + Zulassungsbesitzer können nebeneinander bestraft werden.

 

V  w  G  H Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung hans@postlmayr.at


2002/21/0087 vom 11.12.2003;

Art 54 SDÜ Judikaturdivergenz zwischen VwGH und OGH
Der Verwaltungsgerichtshof kann sich daher insoweit der Ansicht des OGH in dem bereits zitierten - und in der Literatur auf Kritik gestoßenen (ecolex 1998, S. 909) - Urteil vom 19. Mai 1998 nicht anschließen. Keinen über Art. 54 SDÜ hinausgehenden Inhalt hat das Übereinkommen über das Verbot der doppelten Strafverfolgung BGBl. III Nr. 1/2000.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde in ihrer Auffassung, an die italienische gerichtliche Verurteilung gebunden zu sein, einem Rechtsirrtum unterlag. Aus diesem Grund unterließ sie es, Feststellungen über die dem Beschwerdeführer vorgeworfene und von diesem bestrittene Schlepperei zu treffen.

2003/18/0229 vom 10.10.2003
Wenn die Beschwerde vorbringt, dass es sich bei der Entziehung des Reisepasses um eine Strafe im Sinn des Art. 6 EMRK handle, daher ein Tribunal hätte entscheiden müssen und diese Maßnahme auch gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 des 7. ZP zur EMRK verstoße, so wird diesbezüglich auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 27. Februar 2003, 2003/18/0006, welche zu einem im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorbringen ergingen, verwiesen. Zusätzlich wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/02, hingewiesen, in dem dieser Gerichtshof auf die von der Beschwerde ins Treffen geführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Fällen "Malige" und "Escoubet" eingegangen ist und ausgeführt hat, dass es sich bei der Entziehung der Lenkerberechtigung - welche mit der Entziehung eines Reisepasses vergleichbar ist - nicht um eine Strafe im Sinn von Art. 6 EMRK handelt.

2003/18/0222 vom 10.9.2003
Entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach erfolgter strafgerichtlicher Verurteilung des Fremden nicht um eine Doppelbestrafung, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme (Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, 2002/18/0259, mwN), weshalb schon deshalb der Beschwerdehinweis auf die Unschuldsvermutung ins Leere geht.

 

2002/02/0200 vom 20.5.2003; § 4 Abs.4 KDV; liegen an einem Pkw Schäden an mehreren Reifen vor, so ist pro Reifen (kumulativ) eine Strafe zu verhängen.

Verschieden Schäden an einem Reifen = 1 Tat.

2003/18/0006 vom 27.2.2003
Mit seinem (eingehenden) Vorbringen zur Entziehung eines Reisepasses als "Strafe" im Sinn des Art. 6 EMRK sowie zur Entziehung der Reisedokumente als einer nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP zur EMRK verpönten Doppelbestrafung verkennt der Beschwerdeführer, dass die Entziehung eines Passes eine administrativ-rechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und keine Strafe darstellt (99/18/0292 und 2000/18/0092).

 

2001/03/0372 vom 26.2.2003;

§ 101 Abs.1 lit.a, § 4 Abs. 7a, § 2 Abs.1 Z. 33 + 35 KFG

§ 4 Abs. 7a KFG bezieht sich auf das tatsächliche Gesamtgewicht, demgegenüber ist nach § 101 Abs.1 lit. a KFG die Beladung nur zulässig, wenn das hzGG bzw. die hz Achslasten (Z. 33+35) nicht überschritten werden. Verschiedene Delikte. Es ist von Fall zu Fall zu prüfen, welche dieser Bestimmungen übertreten wurde (Anm. 33ff zu § 4 Abs. 7a KFG in Grundter, S. 49f.).

 

2001/07/0182+ mwN vom 23.5.2002; § 31 Abs.1 WRG : § 7 SchiffahrtsG = lex specialis.  ( RS ausgedruckt )

2001/11/0243 vom 26.2.2002
Insoweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des Einberufungsbefehles unter Bezugnahme auf Art. 54 SDÜ deshalb erblickt, weil unzulässiger Weise - durch die Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes für Griechenland und Österreich – eine Doppelbestrafung verfügt werde, ist darauf hinzuweisen, dass eine
Doppel- oder Mehrfachbestrafung eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung voraussetzt (VfSlg. 14.969). Verpflichtungen zur Leistung des Präsenzdienstes gehören nicht zu den Verpflichtungen nach Art. 6 Abs. 1 EMRK.

 

2000/03/0143 vom 15.11.2001; GGBG

Beförderer + Zulassungsbesitzer; beide können bestraft werden.

99/21/0283 vom 8.11.2001
In Bezug auf die Behauptung, der Beschwerdeführer hätte seine Strafe schon verbüßt und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei ein Fall der Doppelbestrafung, ist der Beschwerde entgegenzuhalten, dass ein Aufenthaltsverbot keine Strafe, sondern eine administrativrechtliche Maßnahme darstellt.

 

99/07/0086+ vom 16.9.1999*; Franz Rieß gegen den UVS des Landes Oö.

Übertretungen des § 71 Abs.1 Z.1 iVm § 7 Z. 1-4 und § 71 Abs.1 Z.2 lit. c SaatG iVm § 15 Abs.1. Der gesmate Unrechtsgehlat des Täterverhaltens muss erfasst werden (88/02/0144 vom 16.11.1988 und 98/02/0279 (RS 1) vom 14.9.2001).

Diese Delikte stehen in einem typischen Zusammenhang – das einen Delikt ist notwendigerweise oder doch idR mit dem anderen verbunden.

Konsumation !

Bestrafung nach der zweiten Bestimmung nicht zulässig.

 

99/03/0054+ vom 26.5.1999; § 101 Abs.1 lit.a und § 4 Abs. 7a KFG; § 2 Abs.1 Z. 32+33 KFG; § 44a Z.1 VStG; die Summe der hzGG = Tatbestandsmerkmal (RS 2). Zwei verschiedenen Tatbestände, die einander nicht ausschließen, weil jeder für sich und beide gleichzeitig verwirklicht werden können.

 

83/02/0204+ vom 16.9.1983; § 52 Z. 2 + 15 StVO;

Wenn entgegen dem Gebot der Z. 15, gerade aus zu fahren, nach links abgebogen wird, wird damit zwingend auch gegen das Verbot nach Z. 2 verstoßen, weswegen eine Bestrafung nach der Z. 2 im Grund des § 22 VStG rechtswidrig ist. Mit der Verurteilung wegen des einen Delikts ist auch der Unrechtsgehlat des anderen Tatbestands umfasst (Konsumation).


 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung V  w  G  H

 


D) Der österreichische Obersten Gerichtshofes ( O G H ):
 


11 Os 167/02 vom 5.8.2003 *; § 363a StPO – Erneuerung des Strafprozesses nach Urteil des EGMR
Dem Antrag des Gerhard S. auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO wird gemäß § 363b Abs. 3 StPO stattgegeben, die Urteile des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 7. Jänner 1997, 2 U 160/95, sowie des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 18. Juni 1997, 24 Bl 88/97, werden aufgehoben und die Sache zur Erneuerung des Verfahrens an das Gericht erster Instanz verwiesen. Weil das Erkenntnis des EGMR die Verletzung des Art. 4 Abs. l des 7. ZPMRK nur als solche feststellt, ist zunächst zu prüfen, ob diese durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts erfolgt ist. Nach der neuesten Judikatur ist selbst ein die Subsidiarität nicht beachtendes Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde kein wirkungsloser, die Gerichte deswegen nicht bindender Verwaltungsakt, sondern wegen des doppelten Fehlerkalküls von § 68 Abs. 4 Z.1 AVG, § 30 Abs. 3 zweiter Satz VStG existent, jedoch vernichtbar (15 Os 18/02, EvBl 2002/230). Dies hat umso mehr zu gelten, wenn das Verwaltungsstraferkenntnis ohne Verletzung von Subsidiaritätsbestimmungen ergangen ist, was hier zutrifft, weil das Erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. September 1995 zeitlich vor der Aufhebung der die Subsidiarität einschränkenden Bestimmungen des § 99 Abs. 6 lit. c StVO durch das Erkenntnis des VfGH vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., BGBl I 16/1997 liegt, womit es rechtsrichtig ergangen (und damit auch nicht vernichtbar) ist. Es ist daher in concreto die Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" durch die Urteile des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 7. Jänner 1997 (ON 16) und des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 18. Juni 1997 (ON 24) zu bejahen.

Ds 5/06 vom 11.9.2006 und Ds 12/06 vom 21.11.2006
Strafgerichtliche Verurteilung und Disziplinarverfahren gegen einen Richter. Es entspricht dem legitimen Interesse einer Berufs- oder Standesgemeinschaft mit spezifischen disziplinarrechtlichen Auflagen, den so genannten „disziplinären Überhang" eines gerichtlich strafbaren Verhaltens, mit dem über die bloße strafrechtliche Relevanz hinaus auch eine Gefährdung des Standesansehens oder der ordnungsgemäßen beruflichen Pflichterfüllung einhergeht, disziplinarrechtlich zu ahnden.

12 Os 111/05y vom 17.11.2005
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur;
Das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 12. Mai 2005, 622 Hv 8/05i-22, verletzt im Schuldspruch wegen der in den Punkten I./2./a. und b. bezeichneten Diebstahlsversuche das Gesetz in dem sich aus dem XX. Hauptstück der Strafprozessordnung sowie aus Art. 4 Z. 1 des 7. ZP zur EMRK ergebenden Verbot der Doppelbestrafung .

11 Os 68/05t vom 26.7.2005
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur nach § 33 Abs.2 StPO.
In der Strafsache gegen F.S., 35 Hv 32/05h des Landesgerichtes Innsbruck. verletzt das Urteil dieses Gerichtes als Schöffengericht vom 24. März 2005 durch den nachträglichen Strafausspruch (§ 15 Abs. 1 JGG) zum Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. März 2003, 23 Hv 24/03s, das Gesetz in dem im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie demzufolge auch die unter einem gefassten Beschlüsse nach § 494a StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückverwiesen.
Die Anträge der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 18. Jänner 2005 und vom 24. März 2005 auf nachträglichen Strafausspruch zum Verfahren 23 Hv 24/03s des Landesgerichtes Innsbruck werden zurückgewiesen.
Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der (abermalige) nachträgliche Strafausspruch zum Schuldspruch des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. März 2003 durch das Urteil
dieses Gerichtes als Schöffengericht vom 24. März 2005, 35 Hv 32/05h, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die - im Übrigen zum Zeitpunkt der Urteilsfällung bereits rechtskräftige und aktenkundige - Entscheidung vom 24. Mai 2004 über den nachträglichen Strafausspruch (§ 15 Abs. 1 JGG) entfaltete seit der Übergabe an die Gerichtskanzlei eine Bindungs(Sperr-)wirkung (SSt 51/5, SSt 54/57). Es durfte daher weder das erkennende noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene prozessordnungsgemäße Kassation dieser Entscheidung über deren Gegenstand neuerlich absprechen (EvBl 1989/64, 11 Os 65/04). Da der zweimalige nachträgliche Strafausspruch eine Doppelbestrafung darstellt, war die Feststellung der Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
 

O  G  H

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

RA Dr. J. Postlmayr


12 Os 23/04 vom 17.6.2004
Das (europäische) Verbot der Doppelbestrafung nach Art 54 SDÜ gilt auch für zum Strafklageverbrauch führende Verfahren, in denen die Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats ohne Mitwirkung eines Gerichts ein in diesem Mitgliedstaat eingeleitetes Strafverfahren einstellt, nachdem der Beschuldigte bestimmte Auflagen erfüllt und insbesondere einen bestimmten, von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Geldbetrag entrichtet hat. Die festgelegten Auflagen müssen Sanktionscharakter haben, die Vereinbarung muss ein ausdrückliches oder stillschweigendes Schuldanerkenntnis und demzufolge ein ausdrückliches oder stillschweigendes Urteil über die Strafbarkeit des Verhaltens enthalten und darf dem Opfer und anderen Betroffenen, die gegebenenfalls zivilrechtliche Ansprüche haben, keinen Nachteil zufügen.

15 Os 154/02* vom 21.8.2003
Dem Antrag des Walter F. auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO wird gemäß § 363b Abs. 3 StPO Folge gegeben, die Urteile des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 30. Jänner 1997, U 190/95 sowie des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 2. Juni 1997, 10 Bl 38/97, werden aufgehoben und die Sache zur Erneuerung des Verfahrens an das Gericht erster Instanz verwiesen.
Mit (in Rechtskraft erwachsenem) Straferkenntnis vom 19. Oktober 1995, VerkR96-10869-1995-Kb, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO eine Geldstrafe von ATS 14.000,-- und wegen jener nach § 20 Abs. 2 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine solche von ATS 500,--, weil er am 21. Mai 1995 um 14.35 Uhr seinen PKW auf der Haltberg Gemeindestraße von Abern, Gemeinde Jeging, in Richtung Munderfing bis Straßenkilometer 1,610 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 20 km/h überschritten hatte.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 30. Jänner 1997, U 190/95, wurde er (im zweiten Rechtsgang) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z 2) StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen à ATS 80,-- verurteilt.
Ausgehend von der Entscheidung des EGMR vom 30. Mai 2002 sind die Voraussetzungen für die Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO)
gegeben: Eine den Teilaspekt der Alkoholisierung erfassende Sperrwirkung ist im vorliegenden Fall dem Erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19. Oktober 1995 zuzuerkennen.

12 Os 26/04 vom 27.5.2004
Verhältnis von Justiz und Verwaltungsstrafverfahren; § 99 Abs.6 lit.c StVO; § 30 (3) VStG; § 136 StGB; Art. 4 7.ZP EMRK
Die BH Kufstein verhängte über den Beschuldigten mit zwei Strafverfügungen vom 17.9. bzw. 29.10.2002 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs.1 iVm. § 1 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG) Geldstrafen in der Höhe von € 363,-- bzw. € 639,--, weil er am 31.8. bzw. 13.9.2002 einen PKW gelenkt hatte, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Lenkberechtigung zu sein. Da der Beschuldigte den PKW offensichtlich ohne Einwilligung der Fahrzeughalterin in Betrieb genommen hatte, wurde gegen ihn auch ein Strafantrag wegen des Verdachts des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 StGB beim LG Innsbruck erhoben. Da der Beschuldigte wegen des identen Sachverhalts bereits durch die Verwaltungsbehörde rechtskräftig bestraft worden war, brach der Einzelrichter das Verfahren gemäß § 412 StPO ab und regte bei der BH Kufstein an, die Straferkenntnisse nach § 30 (3) VStG aufzuheben. Die BH Kufstein lehnte ein Vorgehen nach § 30 (3) VStG mit der Begründung ab, dass verwaltungsstrafrechtlich nicht der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeugs, sondern die Verwaltungsübertretung des Lenkens eines PKW ohne der dafür erforderlichen Lenkberechtigung geahndet worden sei. Daraufhin stellte die Ratskammer das Strafverfahren gemäß § 486 (3) iVm. § 485 Abs.1 Z.6 StPO mit der Begründung ein, dass die – entgegen der Subsidiaritätsbestimmung des § 99 Abs.6 lit.c StVO ergangenen – rechtskräftigen Straferkenntnisse der BH Kufstein im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7.ZP zur EMRK ein Verfolgungshindernis darstellten. Der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beschwerde gab das OLG Innsbruck nicht Folge. Gegen diese Beschlüsse der Ratskammer des LG Innsbruck und des OLG Innsbruck erhob der Generalprokurator Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes.
Nach Art. 4 des 7.ZP zur EMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Nach der aktuellen Judikatur des EGMR und der ständigen Rechtsprechung des VfGH verbietet diese Bestimmung die gesonderte Verfolgung teils bereits rechtskräftig geahndeter, ideal konkurrierender strafbarer Handlungen dann, wenn die zusammentreffenden Delikte, deren eines den Unrechtsgehalt des anderen in jeder Beziehung mit umfasst, dieselben wesentlichen Tatbestandselemente aufweisen. Das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 7.ZP zur EMRK, das sich auch auf das Zusammentreffen gerichtlich strafbarer und verwaltungsbehördlich zu ahndender strafbarer Handlungen bezieht, untersagt somit, ein strafbares Verhalten unter dem gleichen wesentlichen unrechtsbegründenden Gesichtspunkt eines bereits geahndeten tateinheitlich verwirklichten Straftatbestandes einer neuerlichen Verfolgung und Bestrafung zu unterziehen. Das prozessuale Verfolgungshindernis des Art. 4 7.ZP EMRK greift daher nur im Fall einer Überlagerung der normativ zu ermittelnden wesentlichen Tatbestandselemente der in Rede stehenden Normen Platz. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf das tateinheitliche Zusammentreffen der Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs.1 iVm. § 1 Abs.1 FSG mit dem Delikt des § 136 StGB im vorliegenden Fall zeigt sich, dass Art. 4 Abs.1 7.ZP EMRK der gerichtlichen Verfolgung wegen § 136 StGB ungeachtet der rechtskräftigen Ahndung der Verwaltungsübertretung nicht entgegen steht. Denn die konkurrierenden Straftatbestände unterscheiden sich in den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen grundlegend voneinander. Während nämlich § 37 Abs.1 iVm. § 1 Abs.1 FSG das Lenken eines Kraftfahrzeugs ohne gültiger behördlicher Lenkberechtigung verbietet, pönalisiert § 136 StGB den Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Einwilligung des Berechtigten. Ob dieser in den Fahrzeuggebrauch eingewilligt hat, ist für die Tatbildverwirklichung nach § 37 iVm. § 1 Abs.3 FSG ebenso wenig von Bedeutung, wie das Fehlen einer Lenkberechtigung für die Verwirklichung des Tatbestands des § 136 StGB. Die Rechtsansicht des LG und des OLG Innsbruck ist daher nicht zutreffend. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass dann, wenn Verwaltungsstraftatbestände eine Subsidiaritätsklausel zugunsten des gerichtlichen Strafrechts enthalten, der Sachverhalt bei Gesetzeskonkurrenz der sachlichen Rechtsprechungskompetenz der Verwaltungsbehörde entzogen ist, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht bereits entschieden hat oder nicht. Ein dennoch ergangenes verwaltungsrechtliches Straferkenntnis ist daher jedenfalls gesetzwidrig. Dass es nach § 52a VStG aufgehoben werden kann, zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, dass die aufgezeigte Problematik dringend legistischer Klärung bedarf, um zumindest für die Zukunft gleichheitswidrigen Judikaturresultaten vorzubeugen.
Die rechtskräftigen Strafverfügungen der BH Kufstein begründen somit für das gerichtliche Strafverfahren wegen des echt ideal konkurrierenden Vergehens nach § 136 StGB nach Art. 4 Abs.1 des 7.ZP zur EMRK kein Verfolgungshindernis. Da die Gesetzesverletzungen den Beschuldigten begünstigten, hat es mit deren Feststellung sein Bewenden.

14 Os 127/90 vom 21.11.1991 (verstärkter Senat); §§ 33 Abs.1 und Abs.2 lit.a FinStrafG
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Beschuldigte der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG (Punkt 1 und 2 des Schuldspruchs) sowie des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 2 StGB (Punkt 3 des Schuldspruchs) schuldig erkannt und gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG iVm § 21 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG zu einer Geldstrafe sowie gemäß § 293 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Gegen die Annahme echter Realkonkurrenz spricht auch, dass darnach zufolge der Vorschrift des § 21 Abs. 2 FinStrG die einheitliche Geldstrafe nach der Summe der den beiden zusammentreffenden Finanzvergehen zugrunde liegenden Wertbeträge zu bemessen wäre (§ 33 Abs. 5 FinStrG). Dies bedeutete, dass der Verkürzungsbetrag bei der Berechnung des Strafrahmens zweimal in Anschlag gebracht werden müsste, obgleich die Umsatzsteuer in Wahrheit nur einmal geschuldet wird und demnach in diesem Umfang auch nur einmal eine Abgabenverkürzung im Sinne der Begriffsbestimmungen des § 33 Abs. 3 FinStrG eintreten kann. Eine derartige Doppelbestrafung wegen einer in Summe nur einmal verwirklichten Rechtsgutverletzung ist nicht nur grundsätzlich abzulehnen, es besteht dafür auch keinerlei Bedürfnis, weil dem im Einzelfall wegen des größeren Umfanges der Pflichtenverletzung gegebenen Erfordernis strengerer Bestrafung im Rahmen der Strafbemessung ohnedies Rechnung getragen werden kann (§ 23 Abs. 2 FinStrG iVm § 32 Abs. 3 StGB).
Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher aus den vorstehenden Erwägungen veranlasst, auch in der aufgeworfenen Konkurrenzfrage von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG wird, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest versucht wird, von letzterem konsumiert (vgl. Schwaighofer: Zur Konkurrenz der Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, AnwBl. 1991, 781 ff).
Demnach wird das Erstgericht, falls es im zweiten Rechtsgang abermals zu einem Schuldspruch wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG gelangen sollte, in Bezug auf die davon erfasste Umsatzsteuerverkürzung eine zeitlich und betraglich korrespondierende Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG nicht mehr annehmen dürfen.

Die mit * gekennzeichneten Fälle hat der Betreiber dieser Homepage, RA Dr. Postlmayr, A-5230 Mattighofen, vertreten.
 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung O  G  H

 


E)  Die UVS (Unabhängige Verwaltungssenate):
 


UVS-14/259/7-1998 vom 29.6.1998

UVS Vorarlberg vom 25.6.1998, 1-0739/07 und 1-0300/98

 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr

 


F) Der EuGH (Europäischer Gerichtshof):
 


Urteil des EuGH vom 11.2.2003, C-385/01 und C-187/01
In den Fällen Klaus Brügge und Hüseyin Gözütok; Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Köln und der Rechtbank van Eerste Aanleg Veurne (Belgien)
Urteilstenor:
Art. 54 SDÜ betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen aufgestellte Verbot der Doppelbestrafung gilt auch für zum Strafklageverbrauch führende Verfahren der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, in denen die Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats ohne Mitwirkung eines Gerichts ein in diesem Mitgliedstaat eingeleitetes Strafverfahren einstellt, nachdem der Beschuldigte bestimmte Auflagen erfüllt und insbesondere einen bestimmten, von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Geldbetrag entrichtet hat.

Jean van Straaten – Urteil des EuGH vom 28.9.2006, C-150/05
Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Hertogenbosch (Niederlande) betreffend Auslegung des Artikels 54 SDÜ (ABl. 2000, L 239, S. 19); Grundsatz ne bis in idem - „Dieselbe Tat“ und „Aburteilung“ - Tat, die als Ausfuhrhandlung in einem Staat und als Einfuhrhandlung in einem anderen Staat verfolgt worden ist; liegt bei einem Freispruch ein rechtskräftiges Urteil vor? Urteilstenor:
Artikel 54 SDÜ ist dahin auszulegen, dass für seine Anwendung das Kriterium der Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes unlösbar miteinander verbundener Tatsachen, unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen oder von dem geschützten rechtlichen Interesse maßgeblich ist; es, was Drogenvergehen betrifft, nicht erforderlich ist, dass die in den beiden betreffenden Vertragsstaaten in Rede stehenden Drogenmengen oder die Personen, die angeblich an der Tat in den beiden Staaten beteiligt waren, identisch sind.

Francesco Gasparini
Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 28.9.2006 Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de Malaga, Spanien.
Urteilstenor:
Der Grundsatz des ne bis in idem, der in Artikel 54 SDÜ verankert ist, findet auf die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung des Gerichts eines Vertragsstaats Anwendung, mit der ein Angeklagter rechtskräftig wegen Verjährung der Straftat freigesprochen wird, die Anlass zur Strafverfolgung gegeben hat.
Der genannte Grundsatz findet keine Anwendung auf andere Personen als diejenigen, die von einem Vertragsstaat rechtskräftig abgeurteilt worden sind.
Ein Strafgericht eines Vertragsstaats kann eine Ware nicht allein deshalb als in seinem Hoheitsgebiet im freien Verkehr befindlich ansehen, weil das Strafgericht eines anderen Vertragsstaats in Bezug auf dieselbe Ware festgestellt hat, dass der Schmuggel verjährt sei.
In der Vermarktung einer Ware in einem anderen Mitgliedstaat im Anschluss an ihre Einfuhr in den Mitgliedstaat, in dem der Freispruch ergangen ist, liegt eine Handlung, die Bestandteil „derselben Tat“ im Sinne des Artikels 54 SDÜ sein kann.

Urteil des EuGH vom 9.3.2006, C-436/04 – Leopold Henri van Esbroeck
Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie - Belgien
Artikel 54 und 71 - Grundsatz ne bis in Idem - zeitliche Geltung - Begriff „dieselbe Tat“ — Einfuhr und Ausfuhr von Suchtmitteln, die in verschiedenen Vertragsstaaten strafrechtlich verfolgt werden). Urteilstenor:
Der in Artikel 54 SDÜ enthaltene Grundsatz ne bis in idem ist auf ein Strafverfahren anzuwenden, das in einem Vertragsstaat wegen einer Tat eingeleitet worden ist, die in einem anderen Vertragsstaat bereits zur Verurteilung des Betroffenen geführt hat, auch wenn das genannte Übereinkommen in diesem letztgenannten Staat zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Verurteilung noch nicht in Kraft war, sofern es in den betreffenden Vertragsstaaten zu dem Zeitpunkt, zu dem das mit einem zweiten Verfahren befasste Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem geprüft hat, in Kraft war.
Artikel 54 SDÜ ist dahin auszulegen, dass das maßgebende Kriterium für die Anwendung dieses Artikels das der Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes unlösbar miteinander verbundener Tatsachen, ist, unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen oder von dem geschützten rechtlichen Interesse;
die strafbaren Handlungen, die in der Ausfuhr und der Einfuhr derselben Betäubungs- (Sucht)mittel bestehen und in verschiedenen Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens strafrechtlich verfolgt worden sind, grundsätzlich als „dieselbe Tat“ im Sinne des Art. 54 anzusehen sind, wobei die endgültige Beurteilung insoweit Sache der zuständigen nationalen Gerichte ist.
Art. 54 und 71 SDÜ - § 29 BtMG – Art. 30, 31 und 34 EU; Art. 14 IpbpR; Art. 4 des 7. ZP zur EMRK.


Urteil des EuGH vom 10. März 2005, C-469/03 im Fall Filomeno M. Miraglia
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Bologna Italien.
Artikel 54 des Schengener Übereinkommens (SDÜ) - Verbot der Doppelbestrafung – Anwendungsbereich - Entscheidung der Justizbehörden eines Mitgliedstaats, von der Strafverfolgung einer Person nur wegen der Eröffnung eines vergleichbaren Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat abzusehen.
Das Tribunale Bologna, erste Kammer für Strafsachen ersucht den EuGH im Strafverfahren gegen Mario Filomeno Miraglia um Vorabentscheidung folgender Frage:
Ist Artikel 54 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 anzuwenden, wenn die im ersten Staat erlassene Gerichtsentscheidung im Verzicht auf die Fortführung des Strafverfahrens besteht, wobei allein aufgrund der Annahme, dass die Tat bereits in einem anderen Staat verfolgt wird, kein Sachurteil ergeht?
Urteilstenor:
Das Verbot der Doppelbestrafung, das in Artikel 54 SDÜ verankert ist, findet keine Anwendung auf eine Entscheidung der Gerichte eines Mitgliedstaats, mit der ein Verfahren für beendet erklärt wird, nachdem die Staatsanwaltschaft beschlossen hat, die Strafverfolgung nur deshalb nicht fortzusetzen, weil in einem anderen Mitgliedstaat Strafverfolgungsmaßnahmen gegen denselben Beschuldigten wegen derselben Tat eingeleitet worden sind und ohne dass eine Prüfung in der Sache erfolgt ist.

 

 

E u G H

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

Dr. Postlmayr, A-5230

 


G) Das BVerfG (Bundesverfassungsgericht der BRD):
 


2 BvR 1895/05, Beschluss vom 27.12.2006
Dauerdelikt; Zäsurwirkung einer Verurteilung; neuerlicher Tatentschluss; Zweck des Strafrechts ist der Schuldausgleich und nicht die Erwirkung bzw. Erzwingung unvertretbarer Handlungen (Unterlassung der Abgabe einer Zustimmungserklärung für die Ausreise eines Kindes in einen anderen Staat); keine Strafe ohne Schuld und ne bis in idem.
Art. 1 Abs.1 und Art. 2 Abs.1 sowie 20 Abs.3 und 103 Abs.3 GG; §§ 13 und 235 Abs.2 Nr.2 StGB

2 BvR 2207/04, Beschluss vom 7.3.2005:
keine unzulässige Doppelbestrafung bei nachträglicher Änderung der Bewährungsauflagen. § 56b und § 56e StGB, Art. 19 Abs.3 und Art. 103 Abs.3 GG.

2BvR 2001/02; Beschluss vom 3.9.2004
Verfassungsbeschwerde gegen strafprozessuale Eröffnungsbeschlüsse; Verbot der doppelten Strafverfolgung; Rechtschutz gegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten; §§ 119 Abs.5, 210, 211 und 304 Abs.1 StPO; Art. 19 Abs.4, Art. 20 Abs.2 und Art. 103 Abs.3 GG
 

E M R K

Art. 4 des 7. ZP

Doppelbestrafung

B V e r f G

 


H) Der BGH (Bundesgerichtshof der BRD):
 


3 StR 619/97, Beschluss vom 23.12.1997:
nachträgliche Gesamtstrafe, § 55 Abs.1 StGB - Art. 103 Abs.3 GG

5 StR 435/06, Beschluss vom 7.11.2006
Steuerhinterziehung – Strafzumessung; steuerstrafrechtlich nicht hinnehmbare Doppelbelastung im Verhältnis zwischen Körperschaft- und Einkommensteuerhinterziehung.
§ 46 StGB; § 370 AO; § 36 Abs.2 Satz 2 Nr.3 EStG a.F.

2 StR 383/01, Beschluss vom 26.9.2001
Strafverschärfung wegen Häufung von Straftaten; § 46 StGB, Art. 103 Abs.3 GG

2 StR 120/05, Urteil vom 8.7.2005
Gesamtstrafbildung - Verhältnis zur Sicherungsverwahrung - Strafklageverbrauch - Doppelbestrafungsverbot. § 55 Abs.1, § 66a Abs.1 StGB; Art. 20 Abs.3 und Art. 103 Abs. 2+3 GG

5 StR 115/03, Beschluss vom 17.6.2004
Fall Engel; Nazi- und Kriegsverbrechen; Irrelevanz von zur Tatzeit geltendem Kriegsvölkerrecht wegen Missachtung des Menschenrechts auf Leben (Art. 2 EMRK). Verbrecherischer Charakter von Massenerschießungen. Recht auf Verfahrensbeschleunigung (Freispruch oder Verfahrenseinstellung bei außergewöhnlichen Umständen). Art. 1, 2, 16 Abs.2 und 20 Abs.3 GG; Art. 54 SDÜ; §§ 211 und 212 StGB.

5 StR 423/02, Beschluss vom 26.2.2003
Telefonüberwachung und Verwertung deren Ergebnisse; Verhältnismäßigkeit; Fernmeldegeheimnis – verfassungskonforme Auslegung;
§§ 100a, 261 und 344 StPO; § 129 StGB – Art. 10 GG;

4 StR 412/02, Urteil vom 23.1.2003
keine Einbeziehung einer rechtskräftigen Vorverurteilung bei Berücksichtigung bereits in einem anderen noch nicht rechtskräftigen Urteil.
§ 31 und § 66 JGG - § 352 StPO

2 StR 274/00, Urteil vom 3.11.2000
Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gerade vollstreckt“ in Art. 54 SDÜ; ne bis in idem; Strafanklageverbrauch – notwendiger Inhalt der Anklageschrift – nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe (Einbeziehung einer früheren Bewährungshilfe). Art. 54 SDÜ, Art. 1 EG; § 200 StPO, § 55 StGB, § 58 Abs.2 StGB.

4 StR 87/98, Urteil vom 10.6.1999
BGHSt 45, 123; Strafverfolgung durch EU-Mitgliedstaat; Verfahrenseinstellung aus tatsächlichen Gründen; Verfahrenshindernis
Art. 54 SDÜ, § 211 StGB, § 260 Abs.3 StPO
 

E M R K

Art. 4 des 7. ZP

RA Dr. J. Postlmayr

B  G  H



Zusammenfassung der Rechtsprechung des EGMR zum Doppelbestrafungs- und Doppelverfolgungsverbot nach Art. 4 des 7. P zur EMRK in österreichischen Fällen:

Ein * bedeutet Rechtsvertretung durch den Inhaber dieser Homepage RA Dr. Postlmayr, Mattighofen

Kremzow
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 7.11.1990; BeschwNr. 16.417/90
Unzulässigkeit der Beschwerde

E.L.
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 17.5.1995 – teilweise zulässig.
BeschwNr. 23.019/93

Gradinger
Urteil des EGMR vom 23.10.1995, A-328-C; BeschwNr. 15.963/90
vgl. auch Zulässigkeitsentscheidung vom 10.5.1993
Verletzung (hier: § 5 StVO : § 88 Abs.1+3 StGB)

Palaoro
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 10.5.1993 – zulässig
BeschwNr. 16.718/90
In der Folge: Urteil des EGMR vom 23.10.1995: Verletzung

Marte und Achberger
Zulässigkeitsentscheidung vom 17.1.2006 – zulässig
BeschwNr. 22.541/93
Streichung aus der Liste de anhängigen Fälle am 5.3.1998 nach Erreichung eines Vergleiches (friendly settlement)

H.S.
Zulässigkeitsentscheidung vom 28.2.1996 – unzulässig
BeschwNr. 26.510/95

Demel
Zulässigkeitsentscheidung vom 16.4.1998 – unzulässig
BeschwNr. 30.993/96

Sagir
Zulässigkeitsentscheidung vom 2.7.1998 – unzulässig
BeschwNr. 32.054/96

Kantner
Zulässigkeitsentscheidung vom 14.12.1999 – unzulässig
BeschwNr. 29.990/96

Freunberger
Zulässigkeitsentscheidung vom 8.2.2000 – zulässig
BeschwNr. 34.186/96
Streichung aus der Liste nach Vergleich (friendly settlement) am 19.12.2000

Edelmayer
Zulässigkeitsentscheidung vom 21.3.2000 – zulässig
BeschwNr. 33.979/96
Streichung aus der Liste nach Vergleich (friendly settlement) am 19.12.2000

Schlager *
Zulässigkeitsentscheidung vom 21.3.2000 – zulässig
BeschwNr. 33.732/06
In der Folge: friendly settlement

Luksch
Zulässigkeitsentscheidung vom 21.11.2000 – teilweise zulässig.
BeschwNr. 37.075/97

R
Streichung aus der Liste der anhängigen Fälle am 19.12.2000 nach Vergleich (friendly settlement)
BeschwNr. 32.502/96

S
Streichung aus der Liste der anhängigen Fälle am 19.12.2000 nach Vergleich (friendly settlement)
BeschwNr. 33.732/96

Hangl
Zulässigkeitsentscheidung vom 20.3.2001 – unzulässig
BeschwNr. 38.716/97

Glantschnig
Zulässigkeitsentscheidung vom 20.3.2001
BeschwNr. 37.882/97 – Streichung aus der Liste

Ruschak
Zulässigkeitsentscheidung vom 21.3.2000 – zulässig
BeschwNr. 32.502/96

Franz Fischer
Urteil des EGMR vom 29.5.2001, BeschwNr. 37.950/97
Verletzung

Walter Forthuber (W.F.) *
Urteil des EGMR vom 30.5.2002, BeschwNr. 38.275/97
Verletzung
Beachte auch Zulässigkeitsentscheidung vom 11.9.2001

Gerhard Sailer (G.S.) *
Urteil des EGMR vom 6.6.2002, BeschwNr. 38.237/97
Verletzung
Beachte auch Zulässigkeitsentscheidung vom 10.5.2001

Unterguggenberger
Zulässigkeitsentscheidung vom 25.9.2001 – unzulässig
BeschwNr. 34.941/97

Liedermann
Zulässigkeitsentscheidung vom 5.12.2002 – teilweise zulässig
BeschwNr. 54.272/00

Maier
Zulässigkeitsentscheidung vom 5.12.2002 – teilweise zulässig
BeschwNr. 70.579/01

Schuhmeier
Zulässigkeitsentscheidung vom 11.0.2003
BeschwNr. 69.460/01
Streichung aus der Liste

Bachmaier *
Zulässigkeitsentscheidung vom 2.9.2004 - unzulässig
BeschwNr. 77.413/01

Falkner
Zulässigkeitsentscheidung vom 30.9.2004 – unzulässig
BeschwNr. 6072/02

Klein
Zulässigkeitsentscheidung vom 4.5.2006 – teilweise zulässig
BeschwNr. 57.028/00

Müller
Urteil des EGMR vom 5.10.2006, BeschwNr. 12.555/03

Asci
Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 19.10.2006, BeschwNr. 4.483/02
Unzulässigkeit der Beschwerde

Hauser-Sporn *
Urteil des EGMR vom 7.12.2006, BeschwNr. 37.301/03
Verletzung des Art. 6 EMRK
Unzulässigkeit der Beschwerde zu Art. 4 des 7. ZP zur EMRK (§ 4 StVO : § 94 StGB)

Stempfer gegen Österreich *
BeschwNr. 18.294/03 – Urteil vom 26.7.2007 – keine Verletzung.
§§ 88 und 94 StGB :: § 4 StVO

Sch. gegen Österreich *
BeschwNr. 18.015/03 – Urteil vom 26.7.2007 – keine Verletzung.
§ 269 Abs.1 StGB :: § 97 Abs.5 StVO
 

E M R K Art. 4 des 7. ZP
Doppelbestrafung RA Dr. Postlmayr

e m r k . a t